Hamburg. Finanzsenator Andreas Dressel und Ministerin Monika Heinold über Handwerker, den HSH-Verkauf und Besprechungen im Nachthemd.
Sie ist schon seit 2012 für Schleswig-Holsteins Finanzen zuständig, er erst seit diesem Jahr für Hamburgs Haushalt. Im ihrem ersten Doppelinterview verraten Finanzministerin Monika Heinold (Grüne) und Senator Andreas Dressel (SPD), warum sie derzeit besonders häufig miteinander telefonieren – und was die gute Baukonjunktur mit den Steuergeldern macht.
Frau Heinold, Herr Dressel, die HSH Nordbank schweißt Hamburg und Schleswig-Holstein seit 15 Jahren auf Gedeih und Verderb zusammen. Wann geht der Verkauf endgültig über die Bühne?
Monika Heinold: Unser gemeinsames Ziel ist, dass dieses Dickschiff bis Ende des Jahres im Hafen ist. Wir sind gerade in den letzten Tagen wieder in einem extrem engen Austausch. Wenn abends um zehn das Telefon klingelt, weiß ich schon: Das kann nur Andreas sein.
Worum geht es in diesen Gesprächen?
Andreas Dressel: Es hat sich in den vergangenen Monaten sehr bewährt, dass wir den engen Draht fortführen, der in dieser Schicksalsgemeinschaft zwischen den Ländern besteht. Wir haben gesehen, dass zwischen Signing und Closing (Vertragsschluss und Vollzug, d. Red.) doch einiges zu tun ist. Mit dem Wechsel des Sicherungssystems vom Deutschen Sparkassen- und Giroverband hin zum Privatbankenverband beschreiten wir Neuland. Angesichts der Beschlüsse, die der DSGV schon gefasst hat und die der Bundesverband deutscher Banken gerade vorbereitet, sieht es jetzt ganz gut aus.
Welche Hürde ist die höchste? Ist es die EZB, ist es die EU-Kommission?
Heinold: Im Grunde ist die Kommission jetzt dran. Es geht darum, die Fristen zu halten und es bis Ende des Jahres zu schaffen.
Dressel: Der Verkauf ist die Konsequenz eines EU-Beihilfeverfahrens, insofern ist es klar, dass am Ende die EU-Kommission draufschaut. Der Ball muss am Schluss über die Linie, erst dann liegt er im Tor. Ich hoffe, dass wir das vor Weihnachten alles hinbekommen.
Um im Bild zu bleiben: Liegt der Ball jetzt auf dem Elfmeterpunkt?
Dressel: Er liegt schon näher an der Torlinie.
Heinold: Ganz knapp davor.
Dressel: Es hat in den vergangenen Monaten intensive Gespräche gegeben, teilweise auch während der Herbstferien.
Heinold (lacht): Ich war da in Portugal, die erste Telefonkonferenz gab es morgens um sieben auf der Terrasse, ich war noch im Nachthemd.
Dressel: Ich war auf Kreuzfahrt im Mittelmeer.
Heinold: Die Abstimmung ist wichtig. Denn diejenigen, mit denen wir zu tun haben, sollten im Sinne der Sache dieselben Signale aus Hamburg wie aus Schleswig-Holstein bekommen. Nicht, dass der eine mit den Sparkassen telefoniert und der andere das eine Stunde später ebenfalls tut, aber einen anderen Sachstand präsentiert. Das würde den Erfolg des Verkaufsprozesses gefährden. Die HSH Nordbank ist eine sehr teure Veranstaltung für uns. Aber wir wollen zumindest einen vernünftigen Schlusspunkt setzen.
Die HSH Nordbank hat sich mit der Managerhaftpflichtversicherung von ehemaligen Vorstandsmitgliedern darauf geeinigt, dass die Versicherung 50 Millionen Euro zahlt und die Bank im Gegenzug darauf verzichtet, zivilrechtlich gegen die Vorstandsmitglieder vorzugehen. Ist das nicht ein Persilschein für Nonnenmacher und Co. vor der Neuauflage des Prozesses?
Heinold: Aus Sicht der Bank geht es darum, Gerichtsverfahren zu beenden und sicherzustellen, dass überhaupt Geld für den entstandenen Schaden in der Bank ankommt. Aber ja, das Gerechtigkeitsgefühl der Menschen wird erneut verletzt.
Dressel: Das spielt sich alles in der Sphäre der Bank ab.
Warum? Die Ländervertreter im Aufsichtsrat haben diesem Verzicht doch auch zugestimmt.
Heinold: Die Vertreter der Länder unterliegen nur dem Aktienrecht. Würden wir sie politisch mandatieren, würden sie gegen ihre Pflichten verstoßen. Es war ja immer das Problem dieser Bank, dass sie von den beiden Ländern in eine Aktiengesellschaft übergeführt wurde, ohne zugleich von dem Anspruch abzulassen, dort politisch steuern zu wollen, also zum Beispiel hohe Gewinnerwartungen zu definieren. Das hat uns das teuerste norddeutsche Kooperationsprojekt in unserer Geschichte eingebracht.
Dressel: Genau. Trotzdem ist es immer wichtig, dass am Schluss überhaupt noch die Chance besteht, irgendeine Summe zu bekommen. Das Entscheidungsverfahren läuft noch.
Heinold: Der Aufsichtsrat hat entschieden, die Gesellschafterversammlung noch nicht.
Also könnten die Länder, die ja Hauptgesellschafter sind, das noch stoppen?
Heinold: Wir haben uns darauf geeinigt, diesen Prozess den neuen Eigentümern zu übergeben. Das ist eine bewusste Entscheidung.
Reicht das Geld nach dem HSH-Desaster denn noch, um sich eine S 4 von Hamburg nach Bad Oldesloe zu leisten?
Heinold: Wir brauchen die S 4, und wir erwarten dabei eine erhebliche Beteiligung des Bunds. Ich setze da auf die guten Kontakte meines Kollegen Dressel zum Bundesfinanzminister.
Dressel: Die S 4 ist das viel schönere Gemeinschaftsprojekt als die HSH Nordbank. Wir sind einer Lösung sehr nahe. Es geht da nicht um einen Hamburger Vorortzug, sondern dieses Projekt hilft auch den Fernverkehren im Hamburger Hauptbahnhof. Ich glaube, dass wir auch da den Ball bald über die Linie bringen werden. Den Teil der Kosten, den Hamburg und Schleswig-Holstein werden tragen müssen, werden wir gerecht untereinander aufteilen.
Frau Heinold, wann gibt es bei den Kitas in Schleswig-Holstein ein ähnliches finanzielles Angebot wie in Hamburg, wo der Fünf-Stunden-Platz gebührenfrei ist?
Heinold: In dieser Legislaturperiode schaffen wir das nicht. Aber auch wir handeln. Wir haben drei Schwerpunkte beschlossen. Erstens Qualitätsverbesserungen – hier sind wir im Vergleich zu Hamburg schon jetzt besser –, zweitens wollen wir die Kommunen entlasten und drittens die Bürger. Wir haben in Schleswig-Holstein die höchsten Kita-Gebühren bundesweit und einen Flickenteppich aus unterschiedlichen kommunalen Elternbeiträgen. Um das zu ändern, nehmen wir viel Geld in die Hand. Aber mit Hamburgs finanzieller Stärke können wir nicht mithalten. Da sind wir wieder beim Thema HSH Nordbank: Die 50:50-Aufteilung der Belastungen trifft uns viel härter als Hamburg.
Ist das gute Hamburger Angebot nicht für Schleswig-Holstein ein deutlicher Wettbewerbsnachteil bei der Wohnortwahl?
Heinold: Nein. In Schleswig-Holstein leben einer Studie zufolge die glücklichsten Menschen. Wer sich bei uns im Hamburger Randgebiet niederlässt, der entscheidet sich für schöne Natur, einen etwas entspannteren Alltag und günstigere Mieten und Immobilienpreise.
Ihre beiden Länder haben in der letzten Legislaturperiode einen Sparkurs gefahren, den Sie derzeit deutlich abschwächen. Ist das solide Finanzpolitik oder doch eher Fahne im Wind?
Dressel: Für Hamburg gilt: Wir halten an unserem langfristigen Konzept fest, mit dem wir erfolgreich sind und seit 2014 Überschüsse im Haushalt erwirtschaften. Wenn sich an der Einnahmebasis strukturell etwas ändert, sind wir auch in der Pflicht, auf der Ausgabenseite etwas zu ändern. Mehr Einwohner sind etwas Gutes, aber es bedeutet halt nicht nur höhere Einnahmen, sondern auch höhere Ausgaben für Kita, Schule, Hochschulen und Infrastruktur. Wenn wir sagen würden: Wir haben mehr Schüler, also werden die Klassen größer, dann trägt das nicht zum Glücksgefühl bei.
Heinold: Genau. Uns eint, dass wir uns beide nicht nur als Bearbeiter von Exceltabellen verstehen, sondern als Gestaltungsminister. Wir haben es auch in Schleswig-Holstein erstaunlich schnell geschafft, ausgeglichene Haushalte aufzustellen, und daher haben wir jetzt Gestaltungsspielraum. Nur ein Beispiel: 2019 sollten eigentlich 400 Lehrer abgebaut werden, stattdessen können wir 200 einstellen. Und für Landesstraßen, Hochschulen und Krankenhäuser haben wir das Geld für die Sanierung auf dem Konto. Jetzt brauchen wir mehr Personal, damit aus Geld auch Infrastruktur wird. Ja, wir schaffen neue Stellen, aber das bedeutet nicht, dass uns sparsames Haushalten nicht mehr interessiert.
Dressel: Für beide Länder ist die überhitzte Situation in der Bauwirtschaft ein großes Thema. Wenn die Preisentwicklung so dramatisch weitergeht, haben wir große Probleme, dass die hart erkämpften Mittel auch auf der Straße oder dem Schulhof oder im Wohnungsbau ankommen.
Heinold: Wobei ich von der Wirtschaft auch erwarte, dass sie uns nicht mit überhöhten Preisen überzieht. Wenn die Wirtschaft will, dass wir die Infrastruktur im Norden entwickeln, dann muss sie faire Preise aufrufen.
Nutzt die Bauwirtschaft den Staat aus?
Heinold: Sie nutzt insgesamt die gute wirtschaftliche Lage. Wenn Sie heute einen Handwerksbetrieb brauchen, kostet der 30, 50 oder manchmal auch 70 Prozent mehr als früher üblich. Wir können das nicht verbieten, aber ich wünsche mir, dass das angesparte Geld der Steuerzahler nicht nur für überhöhte Preise draufgeht.
Dressel: Das wünsche ich mir auch. Aber wir müssen uns auch fragen, inwiefern wir als Stadt selber Preistreiber sind. Alle Beteiligten in Politik, Verwaltung und Wirtschaft sind in der Verantwortung, dass sich diese Preisspirale nicht immer weiterdreht.
Die Steuereinnahmen steigen kaum noch. Kommen jetzt härtere Zeiten auf den Norden zu?
Heinold: Dass wir jedes Jahr immer mehr machen können, wird wohl vorbei sein. Aber ich hoffe, dass sich die Entwicklung auf dem derzeitigen hohen Niveau stabilisiert. Sorge habe ich eher mit Blick darauf, dass wir zwar alle den großen Handlungsbedarf im Bildungsbereich kennen, aber zugleich wissen, dass wir auch bei Kita, Schule und Hochschule Prioritäten setzen und jede Mehrausgabe hinterfragen müssen.
Dressel: Dass der Anstieg der Steuereinnahmen nicht immer so weitergehen wird, war uns klar. Wir wissen aber noch nicht, wann es abknickt. Trump, Brexit, Italien – das sind dunkle Wolken am Horizont. Aber ob und wann daraus ein Gewitter auch für die deutsche Finanzpolitik wird, kann niemand genau voraussagen. Wir haben aber im Haushalt Vorsorge getroffen. Selbst bei einer Konjunkturdelle sind keine harten Sparrunden nötig.
Frau Heinold, Sie haben lange zusammen mit der SPD (und dem SSW) in Schleswig-Holstein regiert. Macht es Spaß, mit Herrn Dressel auf Rot-Grün zu machen wie in alten Zeiten?
Heinold: Es macht Spaß mit Herrn Dressel. Aber das hat weniger mit der SPD und alten Zeiten zu tun, sondern viel damit, dass wir uns vom ersten Moment an sympathisch waren.
Dressel: Das kann ich absolut bestätigen.
Die Jamaika-Koalition aus CDU, Grünen und FDP in Kiel läuft recht gut. Ist das ein Modell für Hamburg?
Heinold: Ich höre von meinen Hamburger Grünen, dass sie sich sehr gut in der Koalition mit der SPD aufgehoben fühlen. Sie können Probleme vernünftig miteinander lösen und die Dinge positiv nach vorne entwickeln. Insofern will ich da keine neuen Perspektiven aufzeigen.
Dressel: In unserer Koalition können sich beide Partner gut darstellen. Daher wünsche ich mir, dass wir Rot-Grün fortsetzen können. Ich sehe da auch keinerlei Absetzbewegungen bei unseren grünen Freunden. Im Übrigen ist die Situation der CDU in Hamburg ja ähnlich betrüblich wie die der SPD in anderen Ländern.