Hamburg. Teil 2: Im Winter wird Hamburg von reisenden Tätern heimgesucht. Welche Maßnahmen funktionieren und welche nicht.

Die dunkle Jahreszeit muss für Einbrecher sein wie ein monatelanges Weihnachtsfest. Eines mit nicht enden wollender Bescherung. Denn Herbst und Winter bieten den Kriminellen nicht nur jede Menge Tatgelegenheiten und verheißen fette Beute – in den dunklen Monaten ist auch das Risiko deutlich geringer, entdeckt und gefasst zu werden.

Während im Sommer ein Tatort aufwendig ausgekundschaftet werden muss, ergibt sich für Einbrecher in den Wintermonaten eine Tatgelegenheit oft schon dadurch, dass ersichtlich kein Licht brennt – und die Wohnung scheinbar verwaist ist. Traurig, aber wahr: „Nach der Zeitumstellung gibt es regelmäßig mehr Haus- und Wohnungseinbrüche“, sagt Kriminalrat Michael Neumann, Leiter der Anti-Einbrecher-Dienststelle LKA 19, besser bekannt unter ihrem Vorgängernamen Soko „Castle“.

45 Prozent der Taten bleiben erfolglos

Heimgesucht wird Hamburg im Winter von reisenden Tätern, die nicht selten aus dem südosteuropäischen Raum stammen. Ihr Ziel: in kurzer Zeit so viel Beute zu machen wie möglich. Doch was können Hamburgs Grundeigentümer und Mieter tun, um sich vor der Gefahr zu schützen?

Die gute Nachricht vorweg: Indem sie ihre eigenen vier Wände effektiver sichern als früher, machen es die Hamburger den Einbrechern immer schwerer. Inzwischen bleiben mehr als 45 Prozent der Taten im Versuchsstadium stecken – Tendenz steigend. Die Faustregel: Benötigt der Täter länger als fünf Minuten, um sich Zutritt zu verschaffen, gibt er auf.

Weil in rund 70 Prozent der Taten Fenster oder Türen mit Kuhfüßen oder Schraubendrehern aufgehebelt werden, favorisiert die Polizei zertifizierte mechanische Sicherungssysteme mindestens nach Standard RC2. Sechs dieser Widerstandsklassen gibt es derzeit. Bei älteren Wohnungen oder Häusern fördert die staatliche Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) die Nachrüstung von einbruchhemmender Technik bei Fenstern und Türen mit bis zu 1600 Euro.

Erdgeschosswohnungen sind besonders gefährdet

Erdgeschosswohnungen gelten als besonders gefährdet – mehr als die Hälfte aller Einbruchsdelikte in Mehrfamilienhäusern werden im Erdgeschoss über Fenster und Terrassentüren verübt. Zum Schutz der Fenster empfiehlt die Polizei etwa Sicherungsbeschläge mit „Pilzköpfen“ und Stangenschlösser – so lassen sich die Fenster nicht aufhebeln. Türen sollten mit Querriegel- oder Kastenschlössern gesichert werden.

Wenig bis gar nichts bringt hingegen die gute alte Kette. Die Bandbreite der Systeme ist enorm. Sie reicht von sicher abschließbaren Fenstergriffen über verstärkte Türblätter bis hin zum Einbau eines Tresors, von einbruchssicheren Rollläden und zeitgesteuerter Beleuchtung bis zu elektronischen Alarmanlagen. Letztere können zwar helfen, Täter in die Flucht zu schlagen und in Kombination mit Überwachungskameras die Ermittler bei der Aufklärung zu unterstützen – nur verhindern sie eben keine Einbrüche.

Einfache Verhaltensregeln befolgen

Wer nicht viel Geld in den Einbruchschutz investieren will, sollte zumindest einige banal klingende, in der Praxis aber häufig nicht befolgten Verhaltensregeln beherzigen. „Das fängt schon damit an, dass man die Haustür und die Fenster sicher verschließt, selbst wenn man nur kurz die Wohnung verlässt, ein einfaches Zuziehen reicht nicht aus“, sagt Hauptkommissar Rüdiger Voss, Experte der kriminalpolizeilichen Beratungsstelle in Hamburg.

Weitere einfach umzusetzende Tipps: Bitten Sie Nachbarn, den Briefkasten regelmäßig zu leeren, wenn Sie im Urlaub sind. Posten Sie eine längere Abwesenheit nicht in den sozialen Netzwerken. Entfernen Sie Kletterhilfen wie Mülltonnen oder Rankgitter unterhalb ihrer Wohnung, bewahren Sie wirklich Wertvolles in einem Bankschließfach auf. Und – natürlich – verstecken Sie einen Ersatzschlüssel nicht irgendwo im Freien!

Sinnvoll sei es auch, dem Täter vorzutäuschen, dass das Haus oder die Wohnung belebt seien, sagt Voss. Bewegungsmelder und Zeitschaltuhren, die auch bei Abwesenheit für Licht sorgen, können eine gute Ergänzung zu mechanischen Systemen sein. Wer hingegen auf Einbruchschutz komplett verzichtet, weil er glaubt, dass es bei ihm ohnehin nichts zu holen gibt, unterliegt einem Trugschluss – ob die Täter zuschlagen oder nicht, hängt entscheidend davon ab, wie schwer es ihnen gemacht wird.

Kostenlose Beratung von Experten

Um auf vermeidbares Fehlverhalten aufmerksam zu machen, verteilen Polizisten in Hamburg seit einiger Zeit Info-Zettel, wenn ihnen während der Streife bei Wohnhäusern eine Sicherheitslücke aufgefallen ist. Die Beamten kreuzen dazu auf einem Flyer an, welche Schwachstellen sie festgestellt haben – etwa, wenn ein Fenster auf Kipp stand oder die Wohnung völlig unbeleuchtet war. Wer genau wissen möchte, wie er seine Wohnung am besten schützen kann, kann sich kostenlos von den Experten der kriminalpolizeilichen Beratungsstelle an der Caffamacherreihe 4 beraten lassen. Termine nach telefonischer Vereinbarung unter (040) 428 67 07 77.

Tröstlich: So niederschmetternd wie 2015, als die Zahl der Einbrüche mit 9000 Taten einen Spitzenwert erreichte, ist die Lage nicht mehr. Im Vergleich dazu verzeichnete die Polizei 2017 einen Rückgang um 36 Prozent auf 5769 Taten.

Allerdings haben die Ermittler zuletzt wieder einen leichten Anstieg registriert. Im August erfassten sie 328 Einbrüche und damit 40 mehr als im August 2017. Das mag eine geringe Schwankung sein – doch gemessen am Ehrgeiz der Anti-Einbruch-Spezialisten vom LKA 19 schon zu viel. Sie arbeiten mit Hochdruck daran, Hamburg für Einbrecher zu einer „No-go-Area“ zu machen. „Wir werden den Druck auf die Szene aufrechterhalten und noch mehr Täter ins Hellfeld ziehen“, sagt „Castle“-Chef Neumann.

Im Winter mehr Personal im Kampf gegen Einbrecher

Im Winter stockt die Polizei das LKA 19 um einen Einsatzzug auf. Rund 100 Ermittler, darunter viele Zivilfahnder, gehen dann auf Einbrecherjagd. Dringend angewiesen sind sie auf Hinweise aus der Bevölkerung. „Wählen Sie 110 beim geringsten Verdacht“, rät Michael Neumann.

In Kooperation mit der Polizei und dem Weißen Ring veranstaltet das Abendblatt am 11. November im Museum der Arbeit (Wiesendamm 3) von 11 bis 17 Uhr das „Sicherheitsforum für Hamburg“. LKA-Chef Frank-Martin Heise wird sich den Fragen des stellvertretenden Abendblatt-Chefredakteurs Matthias Iken stellen, danach gibt es Vorträge zu Themen wie Einbruch und Betrug. Tickets sind für 9 Euro (zzgl. Gebühren) unter der Internetadresse
abendblatt.de/leserservice, unter Telefon (040) 30 30 98 98 und in der Abendblatt-Geschäftsstelle (Großer Burstah 18–32) erhältlich.