Hamburg. Die Serie zur Sicherheit in Hamburg. Teil 1: LKA-Chef Frank-Martin Heise über den Kampf gegen Einbrecher und die Ängste der Menschen.

Einbruch, Fahrradklau, Betrug und Brennpunkte wie der Jungfernstieg – trotz statistisch deutlich sinkender Kriminalität treibt viele Hamburger die Sorge um, Opfer einer Straftat zu werden. Das Abendblatt richtet in Kooperation mit Polizei und dem Weißen Ring am 11. November ein großes Sicherheitsforum aus (siehe Kasten unten) – und zeigt in einer Serie, wie man sich und seine Familie vor Verbrechen schützt. Zum Auftakt spricht Frank-Martin Heise, Chef des Landeskriminalamtes, über Wachsamkeit im Alltag, Mängel bei der gefühlten Sicherheit und neue Herausforderungen.

Herr Heise, wie beurteilen Sie die Sicherheitslage aktuell?

Frank-Martin Heise : In vielen Bereichen haben wir sinkende Fallzahlen – und das ist eine gute Nachricht.

Wobei die Einbruchszahlen nach einem signifikanten Rückgang gestiegen sind. Müssen sich die Hamburger wieder mehr Sorgen um ihr Heim machen?

Wir beobachten die Entwicklung der Einbruchszahlen sehr genau. Mit Beginn der dunklen Jahreszeit müssen wir wie jedes Jahr von steigenden Fallzahlen ausgehen. Das nehmen wir zum Anlass, die Hamburger zu sensibilisieren. Wichtig ist, dass die Menschen achtsam sind und schon beim kleinsten Verdacht die 110 wählen. Wir kommen lieber dreimal zu viel als einmal zu wenig.

Was auffällt, ist die hohe Zahl der Taten, die im Versuchsstadium stecken geblieben sind. Woran liegt das eigentlich?

Sicherlich zu einem guten Teil auch an unserer Präventionsarbeit. Seit Jahren bieten wir allen Hamburgern eine Beratung an, wie Haus oder Wohnung zumeist mit einem überschaubaren Aufwand gesichert werden können. Nach unserer Beobachtung ist diese Beratung sehr gut angenommen worden, sodass der Anteil der Einbruchstaten, bei denen die Täter nicht ins Haus oder Wohnung gelangen, seit Jahren steigt. Hierzu gehört es auch, die Fenster stets bei Abwesenheit zu schließen und die Haustür nicht nur ins Schloss fallen zu lassen, sondern abzuschließen.

Weltweit wird immer häufiger auf spezielle Software zurückgegriffen, die zukünftige Einbrüche vorhersehen soll. Sie haben dazu eine Arbeitsgruppe mit Wissenschaftlern der Universität gegründet.

Wir werden die Ergebnisse hierzu Anfang nächsten Jahres vorstellen. Generell kann man aber bereits jetzt schon feststellen: Wir haben viele neue Erkenntnisse gewonnen, es ist aber schlichtweg nicht realistisch, per Knopfdruck sicher vorhersagen zu können, wann und in welcher Straße Täter als nächstes zuschlagen werden.

Stichwort Drogenkriminalität: Lässt sich wirklich von einem Erfolg sprechen, wenn die Dealer immer noch das Bild von Brennpunkten wie dem Schanzenpark prägen?

Wir sind erfolgreich und werden auch nicht mit unseren Maßnahmen zur Bekämpfung der öffentlich wahrnehmbaren Drogenkriminalität nachlassen! Die Zahlen festgenommener und dem Haftrichter zugeführter Dealer steigen stetig. In den allermeisten Fällen erlässt ein Richter Haftbefehl. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass diese Dealer häufig durch andere Dealer ersetzt werden.

Wo liegt ihr Fokus bei den Ermittlungen?

Wir haben vor allem die Dealer im Visier. Dabei richten wir unseren Fokus auch auf die höheren Händlerebenen und Hintermänner.

Wo benötigt die Hamburger Polizei dringend mehr Personal?

Darüber könnten wir jetzt stundenlang sprechen (lacht). Wir brauchen mehr Kräfte, um die Präsenz der Schutzpolizei im öffentlichen Raum zu erhöhen, der Bürger legt auf die Sichtbarkeit unserer Beamten viel Wert. Für die Kriminalpolizei gibt es mehrere Bereiche, in denen wir uns veränderten Anforderungen stellen müssen. Ein Beispiel sind die steigenden Betrugszahlen. Andere Beispiele sind die Herausforderungen des internationalen Terrorismus oder die Bekämpfung der Geldwäsche als Teil unserer Strategie gegen die organisierte Kriminalität.

Straftaten gegen ältere Menschen nehmen zu, etwa beim Betrug.

Straftaten zulasten älterer Menschen sind extrem perfide. Das gilt erst recht, wenn die Täter noch den guten Ruf von Institutionen wie der Polizei missbrauchen, um sich das Vertrauen der Opfer zu erschleichen. Wir haben uns hier kriminalistisch breit aufgestellt, sind aber auch auf die Achtsamkeit der Bürger angewiesen.

Ist das Wissen um die Betrugsmaschen verbreitet genug?

Wir betreiben wirklich umfangreiche Aufklärungsarbeit. Wir treten beispielsweise an Hausärzte heran, an medizinische und an andere Einrichtungen, in denen viele ältere Menschen anzutreffen sind. Wir sensibilisieren auch die Angehörigen, auf ihre älteren Familienmitglieder zu achten. Eine gute Nachricht ist, dass der weit überwiegende Teil dieser Straftaten nicht über das Versuchsstadium hinauskommt. Das zeigt, dass unsere Botschaften ankommen. Auch hier ist es extrem wichtig, dass niemand zögert, im Verdachtsfall sofort die Polizei zu informieren.

Als Hamburger muss man keine alltägliche Angst um Leib und Leben haben – aber wenn man sein Fahrrad anschließt, kann man nicht sicher sein, dass es später nicht geklaut sein wird.

Auch bei Massendelikten wie Taschen- und Fahrraddiebstahl verzeichnen wir Rückgänge bei den Fallzahlen. Es macht uns aber Sorgen, dass das Sicherheitsgefühl der Bürger nicht im gleichen Maße wächst. Deshalb wollen wir noch stärker direkt in die Quartiere gehen, um mit den Bürgern dort ins Gespräch zu kommen, ihre Sorgen und Ängste zu erfahren und diesen begegnen zu können Unsere Botschaft ist klar: Hamburg ist sicherer geworden; das Risiko, Opfer einer Straftat zu werden, ist gesunken.

Was kann noch unternommen werden?

Es ist wichtig, dass wir die subjektive Sicherheit ernst nehmen und sie genau erfassen. Deshalb bereiten wir gerade für das Jahr 2020 eine sogenannte Dunkelfeldbefragung vor, bei der es auch darum geht, wann und wie oft die Bürger etwa von Strafanzeigen absehen. Wir werden in Zusammenarbeit mit dem Bundeskriminalamt etwa 25.000 Menschen in Hamburg dazu befragen.

Werden endlich deutlich mehr Beamte von den Schreibtischen auf die Straße gebracht, wie seit Jahren versprochen wird?

Aus meiner Sicht haben wir die Präsenz vor Ort bereits deutlich erhöht. Aber richtig ist, dass auch die Vielzahl der Herausforderungen für die Polizei weiter anwächst. Wir wissen, dass Präsenz ein ganz entscheidender Faktor für das subjektive Sicherheitsempfinden ist.

Was wünschen Sie sich von den Hamburgern?

Wichtig ist, dass man sehr viele Straftaten verhindern kann, wenn man seinen Verstand einsetzt. Man sollte etwa stutzig werden, wenn auf der Seite eines Internethändlers, der vorgibt, in Deutschland zu sitzen, Kontoinformationen aus einem anderen Land auftauchen. Auch das Versprechen von Gewinnen gegen eine Gegenleistung ist in aller Regel nicht seriös. Wer mit Grundachtsamkeit unterwegs ist, kann sich selbst viel Leid ersparen, bevor die Polizei eingreifen muss. Was im analogen Leben als gesundes Misstrauen wichtig ist, gilt auch, wenn sich immer mehr Teile des Alltags in die digitale Welt verlagern.

Sicherheitsforum am 11. November

In Kooperation mit der Polizei und der Opferschutzorganisation Weißer Ring veranstaltet das Abendblatt am 11. November im Museum der Arbeit (Wiesendamm 3) von  11 bis 17 Uhr das „Sicherheitsforum für Hamburg“. Zunächst wird sich LKA-Chef bei dem Forum den Fragen des stellvertretenden Abendblatt-Chefredakteurs Matthias Iken stellen – anschließend halten Experten von Polizei und Weißem Ring Vorträge zu Themen wie Einbruch,Betrug und Zivilcourage. Tickets sind für 9 Euro (zzgl. Gebühren) unter abendblatt.de/leserevents, unter Telefon 30309898 und in der Abendblatt-Geschäftsstelle (Großer Burstah 18–32) erhältlich.