Hamburg. Nach 17 Jahren hat Hamburg das Baurecht für das Megaprojekt bekommen. Nun gibt es einen genauen Zeitplan. Wo die Arbeiten beginnen.

Freitagnachmittag, Nieselregen an der Überseebrücke. Die MS „Hammonia“ dümpelt vertäut im kabbeligen Hafenwasser. Normalerweise fährt der Dampfer Touristen und Partygäste durch den Hamburger Hafen. Heute gehen nur Leute an Bord, deren berufliche Existenz am Hafen hängt.

Terminalbetreiber, wie HHLA-Chefin Angela Titzrath und Rainer Fabian vom Südwest-Terminal der Firma Steinweg sind dabei. Reeder wie der Chef von F. Laeisz, Nikolaus Schües, und der Vizepräsident der Europazentrale der taiwanesischen Reederei Yang Ming, Joachim Stern. Auch Schiffsmakler, Lotsen und Vertreter von Hafenbehörden. Die Stimmung ist gelöst. Während das Fahrgastschiff ablegt, drehen sich alle Gespräche um ein Thema: „Endlich“, sagen alle. „Endlich ist es so weit.“

17 Jahre hat es gedauert, das Baurecht für die Elbvertiefung zu erhalten. Jetzt kann die Arbeit beginnen. „Das ist nach all den Jahren eine Botschaft, die einige noch gar nicht glauben können“, sagt Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD), während sich erste Gäste am Büfett bedienen. Mitarbeiter der Hafenverwaltung Hamburg Port Authority (HPA) und der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes bauen eine Leinwand auf. Nachdem sie im August das Baurecht für die Elbvertiefung erhalten haben, wollen die Stadt und der Bund der maritimen Wirtschaft zeigen, wo überall gebaggert werden soll.

Elbvertiefung soll auch Wartezeiten verhindern

Die Gäste hören gespannt zu, als die MS „Hammonia“ ihren Bug gen Westen dreht: Denn erstmals gibt es jetzt auch einen Zeitplan. Demnach sollen die Baggerarbeiten an der Fahrrinne erst im zweiten Quartal 2019 beginnen und etwa Mitte 2021 fertig sein. Bis die wesentlichen Arbeiten beendet sind, dauert es also noch fast drei Jahre.

Zusätzlich zur Vertiefung ist eine etwa sieben Kilometer lange Begegnungsbox zwischen Wedel und Blankenese geplant. Dort soll die Fahrrinne von heute 300 auf künftig 385 Meter verbreitert werden, damit besonders große einfahrende und ausfahrende Schiffe einander passieren können. Pro Tide können das bis zu vier der sogenannten Megaboxer mit einer Breite von 59 Metern sein – annähernd doppelt so viele Schiffe wie heute. Derzeit müssen diese Schiffe auf einander warten und können nur nacheinander auf Revierfahrt geschickt werden. Die Begegnungsbox soll Ende 2019 fertig sein.

Noch vor den Baggerarbeiten werden die Ausgleichsmaßnahmen und Naturschutzprojekte fertig: Hier rechnen die Planer mit einem Abschluss Anfang 2021. Am längsten werden die Arbeiten an den technischen Bauwerken wie die Uferbefestigung am Köhlbrand dauern. Sie haben zwar bereits begonnen, werden aber erst Ende des dritten Quartals 2021 beendet sein.

Baggerarbeiten starten mit Strombaukonzept

Beginnen werden die Baggerarbeiten 2019 mit dem Strombaukonzept, das besonders kniffelig ist und von den Kritikern der Elbvertiefung am stärksten kritisiert wird. Dabei wird versucht, künstlich das Tidegeschehen in der Elbe zu beeinflussen. Grund ist, dass Vertiefung und Verbreiterung der Fahrrinne zu einer Zunahme des Tidenhubs und der Strömungsgeschwindigkeit führen. Um diese negativen Auswirkungen der Baggerarbeiten zu verringern, sollen in der Medemrinne, einem Priel in der Elbmündung, unter der Wasserlinie künstliche Schlickhügel entstehen, die den Flutstrom aus dem Meer dämpfen.

„Wir gehen es an, wir verlieren keine Zeit und wir können nun endlich auch unseren Hafenkunden sagen: Ja, wir bauen die Fahrrinnenanpassung“, sagte Wirtschaftssenator Frank Horch (parteilos) in seiner Rede, die angesichts seines angekündigten Abschieds zu einem Resümee wurde. Horch dankte allen Beteiligten, die ihn die Jahre über bei dem Projekt begleitet haben. Und Tschentscher dankte wiederum Horch: „Kein Politiker in der Stadt ist so mit Erfolg dieses Projektes verbunden, wie Frank Horch.“

HHLA-Vorstandschefin Angela Titzrath und Wirtschaftssenator Frank Horch (parteilos) an Bord der MS „Hammonia“
HHLA-Vorstandschefin Angela Titzrath und Wirtschaftssenator Frank Horch (parteilos) an Bord der MS „Hammonia“ © dpa | Christian Charisius

„Wir haben die deutlich gewachsenen Anforderungen des Naturschutzes und der Wirtschaft in Einklang gebracht. Mit umfangreichen Naturschutzmaßnahmen und wasserbaulichen Anpassungen tragen wir bei der Umsetzung der Fahrrinnenanpassung Sorge für die wirtschaftlichen und ökologischen Belange“, ergänzte Hans-Heinrich Witte, Präsident der Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt des Bundes.

„Wichtig ist, dass die Pläne jetzt zügig umgesetzt werden“, sagt der Geschäftsführer des Unternehmensverbands Hafen Hamburg, Norman Zurke. „Wir freuen uns, dass erste Erleichterungen für die Schifffahrt bereits in einem Jahr spürbar sein sollen.“ Zurke ist die Erleichterung anzumerken. Denn bisher hat alles länger gedauert als geplant.

Bundesverwaltungsgericht verhandelte 13 Klagen

Dreimal mussten die Pläne für das Projekt ergänzt und einem öffentlichen Beteiligungsverfahren unterworfen werden. Insgesamt 13 Klagen von Umweltschutzverbänden, Städten und Kommunen sowie Fischern und Anwohnern musste das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig verhandeln. Die EU prüfte, ob die Naturbelange ausreichend berücksichtigt werden. Der Europäische Gerichtshof befasste sich mit den Bedingungen für den Gewässerschutz. Zu allen Verfahren gab es Gutachten und Gegengutachten. Stellt man alle Akten nebeneinander, ergibt sich eine Länge von 26 Metern.

Inzwischen hat das Schiff das Airbus-Werk passiert. „Was lange währt, wird endlich gut“, sagt HHLA-Chefin Titzrath. „Mit der Elbvertiefung sichern wir den Status quo des Hafens und legen die Grundlage für weiteres Wachstum.“ Für die HHLA sei die Elbvertiefung existenziell, wie der Vorstand immer wieder betont hat. Deutschlands größtes Hafenunternehmen ist darauf angewiesen, dass möglichst viel Ladung den Hamburger Hafen erreicht.

Und das hängt stark von der Elbvertiefung ab. Deren Fahrrinne um bis zu 2,42 Meter ausgebaggert wird. Ziel ist eine Wassertiefe, die es großen Schiffen mit einem Tiefgang von 14,5 Metern ermöglicht, bei Hochwasser den Hafen zu erreichen oder zu verlassen. Bei Niedrigwasser muss er auch noch mit einem Tiefgang von 13,5 Metern befahrbar sein. Das wäre ein Meter mehr als bisher und ein großer Gewinn. Denn jeder Meter mehr Tiefgang entspricht etwa 1300 Standardcontainern, die zusätzlich geladen werden können. Die Elbvertiefung verschaffe ein zusätzliches Umschlagspotenzial von drei Millionen Standardcontainern, haben die Planer errechnet.

Das hebt die Stimmung an Bord der MS „Hammonia“. Der Ältermann der Elblotsen, Ben Lodemann, lädt Titzrath ein, einen seiner Kollegen einmal bei der Arbeit auf der Brücke eines riesigen Containerschiffs zu begleiten. Und Yang-Ming-Manager Stern sagt erleichtert: „Toll, dass es losgeht. Das lange Hin und Her war unseren Kunden in Asien nicht mehr vermittelbar.“