Hamburg. Umweltverbände klagen – doch einen Baustopp verlangen sie nicht. Das Abendblatt beantwortet die wichtigsten Fragen.
Die Umweltverbände BUND, Nabu und WWF klagen erneut vor dem Bundesverwaltungsgericht gegen die Elbvertiefung. Die Verbände haben aber keinen Eilantrag auf einen Baustopp gestellt, weil sie befürchteten, damit vor Gericht zu unterliegen. Zugleich haben die Verbände allerdings neue Klagen angedroht, die sich auf die alte, längst abgeschlossene Elbvertiefung von 1999 beziehen. Im Folgenden beantwortet das Abendblatt, worum es dabei konkret geht, warum trotzdem gebaggert werden darf und wie die Stadt Hamburg auf die Klage reagiert.
Worum geht es in der erneuten Klage der Verbände?
Anfang Februar 2017 hatte das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig auf Klage der Umweltverbände hin Nachbesserungen an den Plänen zur Elbvertiefung gefordert. Dabei geht es um Erläuterungen zur Versalzung des Flusses, um eine klarere Abgrenzung der Ausgleichsflächen in Niedersachsen sowie um eine weitere Maßnahme zur Ansiedelung des bedrohten Schierlings-Wasserfenchels. Seitdem haben die Stadt Hamburg und der Bund ihre Pläne um diese drei Punkte ergänzt. Den Umweltverbänden reicht das nicht. Sie halten die Planungen weiter für rechtswidrig. Die Ausgleichsfläche zur Ansiedelung des Schierlings-Wasserfenchels auf der Billwerder Insel ist nach ihrer Auffassung nicht geeignet. Und die Darlegung zu den Ausgleichsflächen in Niedersachsen würden nicht den juristischen Anforderungen genügen, sagen sie.
Was hat es mit der zweiten Klageandrohung auf sich?
Dabei geht es nicht um diese Elbvertiefung, sondern um die vorherige von 1999. Natürlich können die Verbände die lange abgeschlossenen Baggerarbeiten selbst nicht mehr beklagen, wohl aber eine Beseitigung der Umweltschäden einfordern, die die damalige Elbvertiefung hervorgerufen hat. Dabei berufen sich die Naturschützer auf die neuere Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, wonach auch längst abgeschlossene Maßnahmen angreifbar sind, wenn sie zu einer Verschlechterung der Umweltsituation führen. Nach dem Umweltschadensgesetz aus dem Jahr 2007 müssen laut Klägeranwalt Rüdiger Nebelsieck alle die Schäden an den Naturwerten der Elbe beseitigt werden, welche Hamburg und der Bund damals nicht vorausgesagt haben. Zunächst fordern die Umweltverbände die zuständigen Behörden in Hamburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein dazu auf, die Beeinträchtigungen der Elbe von sich aus zu beseitigen. So sei es aufgrund des gestiegenen Tidehubs und der Zunahme der Strömungsgeschwindigkeit zu Uferabbrüchen, zur Verlandung von Elbe-Seitenarmen und zu mehr Schlick gekommen. Weigern sich die Behörden, die Maßnahmen einzuleiten, wollen die Verbände auch hier klagen. „Das zeigt wie ernst es uns ist, eine Verbesserung für die Elbe zu erreichen“, sagte der Nabu-Vorsitzende Alexander Porschke.
Hat diese Auseinandersetzung Aussicht auf Erfolg?
Klagen sind teuer. Sollten sich die Umweltverbände keine Chancen ausrechnen, würden sie hier keine neue juristische Front eröffnen. Andererseits dürfte es ihnen schwerfallen, alle Veränderungen als unmittelbare Folge der Elbvertiefung abzuleiten. Schließlich unterliegt ein tidebeeinflusstes Gewässersystem wie die Elbe einem ständigen und natürlichen Wandel. Die Verbände selbst sprechen von „juristischem Neuland“.
Kann die aktuelle Elbvertiefung jetzt noch gestoppt werden?
Nein, da die Umweltverbände keinen Eilantrag auf einen Baustopp gestellt haben, gilt weiterhin das Baurecht. Die Elbvertiefung kann wie beschlossen fortgesetzt werden. Die Baggerarbeiten sollen im März beginnen. Ein Urteil gegen die erneute Klage wird frühestens in zwei Jahren erfolgen. Bis dahin sind die Baggerarbeiten wohl weitgehend abgeschlossen.
Wird die Elbe wieder zugeschüttet, wenn die Verbände gewinnen ?
Rein rechtlich wäre der Planfeststellungsbeschluss dann rechtswidrig, und es müsste der alte Zustand wieder hergestellt werden. In der Realität ist aber eher zu erwarten, dass das Gericht noch weitere Nachbesserungen bei den Ausgleichsmaßnahmen fordert – die natürlich auch mit höheren Kosten verbunden wären.
Was wird die Elbvertiefung kosten und wann ist sie fertig?
Die Baggerarbeiten sollen insgesamt 21 Monate dauern. Die Kosten sind noch unklar. Abgemacht ist, dass der Bund zwei Drittel und die Stadt Hamburg ein Drittel der Finanzierung übernehmen. Da nun die Aufträge an die Baufirmen vergeben werden, wird eine neue Kostenermittlung vorgenommen. Klar ist aber, dass Hamburg mit deutlich höheren Ausgaben als bisher rechnet. Zuletzt hatte die Stadt 219 Millionen Euro in ihrer Finanzplanung berücksichtigt. Inzwischen sind es 286 Millionen Euro.
Was sagen die Umweltverbände dazu, dass jetzt gebaggert wird?
„Das ist bitter“, sagte Alexander Porschke vom Nabu. Sie hätten lange gekämpft und mit sehr guten Argumenten versucht, die Elbvertiefung zu verhindern. „Die Entscheidung, nicht im Eilverfahren zu klagen, ist uns schwergefallen, denn wir halten die geplante Elbvertiefung nach wie vor für falsch.“ Manfred Braasch vom BUND sprach von einer „ernüchternden Erkenntnis“, dass die Elbe nun bald ausgebaggert wird. „Das trifft mich persönlich, weil alle Argumente, die man damals für die Elbvertiefung ins Feld führte, heute widerlegt sind.“ So werde zum Beispiel das rasante Containerwachstum, dass man damals prophezeit hatte, nie eintreten.
Wie reagieren die Stadt Hamburg und der Bund?
„Auch wenn die Auseinandersetzung nun weitergeht, ist es meine Überzeugung, dass wir längst eine gute Balance zwischen wirtschaftlichen und ökologischen Interessen gefunden haben“, sagte Wirtschaftssenator Frank Horch. „Ich bin überzeugt davon, dass wir die Restmängel, die das Gericht beanstandet hat, sehr sorgsam abgearbeitet und behoben haben.“ Der Präsident der Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes, Hans-Heinrich Witte, ist sich sicher, dass die erneute Klage der Umweltverbände vom Gericht abgewiesen wird. „Wir können jetzt bauen. Das ist ein erfreuliches Signal für die Wirtschaft und die Schifffahrt.“