Hamburg . Neue Befragung der Stadt bringt Details zum Leben auf der Straße ans Licht. Nur jeder dritte Obdachlose hat einen deutschen Pass.

Die Zahl der Obdachlosen in Hamburg steigt offenbar stark an und hat sich seit dem Jahr 2009 nahezu verdoppelt. Bei einer Befragung der Gesellschaft für Organisation und Entscheidung Bielefeld wurden demnach im März in der Hansestadt 1910 Obdachlose gezählt – bei einer ähnlichen Untersuchung im Jahr 2009 waren es noch 1029 Menschen ohne festen Wohnsitz gewesen. Das geht aus der Senatsantwort auf eine Kleine Anfrage der CDU-Abgeordneten Franziska Rath hervor. Zuerst hatte das Straßenmagazin „Hinz & Kunzt“ über die neuen Zahlen berichtet.

Es handelt sich dabei wie vor neun Jahren nicht um eine systematische Erfassung aller Obdachlosen, sondern um eine Befragung der unmittelbar angetroffenen Obdachlosen in der letzten Märzwoche dieses Jahres – das Ergebnis ist deshalb als Mindestzahl der auf der Straße lebenden Menschen zu verstehen. Sie liegt aber im Bereich von Schätzungen, die zuletzt von etwa 2000 Obdachlosen in der Hansestadt ausgingen. Auch die Sozialbehörde hatte diese Größenordnung für realistisch gehalten.

Nur jeder Dritte Obdachlose hat einen deutschen Pass

Nach Abendblatt-Informationen geben die Daten aus der Befragung noch weiteren Aufschluss über die Herkunft der Obdachlosen. Demnach haben von den 1910 angetroffenen Personen insgesamt 1360 Personen an der Befragung teilgenommen. Auffällig dabei: Obwohl die Zahl der Obdachlosen insgesamt stieg, hatten nur 491 Menschen der jetzt befragten Obdachlosen (36 Prozent) einen deutschen Pass – ihre Zahl ist im Vergleich zur Befragung vor neun Jahren um fast ein Drittel gesunken.

Ausländer machten dagegen nun den Großteil der befragten Personen aus. Hierbei machten Obdachlose aus Osteuropa sowie Ländern des Baltikums und des Balkans wiederum mit knapp 70 Prozent die deutlich größte Gruppe aus (606 von 869 Befragten).

Mehrere Gründe für Anstieg der Obdachlosigkeit

Nach Ansicht von Experten gibt es viele Gründe für den Anstieg von Obdachlosigkeit in Hamburg: Dazu zählen unter anderem mehr Obdachlose aus Osteuropa, die im Rahmen der EU-Freizügigkeit nach Hamburg gekommen sind – jedoch auch prekäre Arbeitsbedingungen, der umkämpfte Wohnungsmarkt und die hohe Zahl von Flüchtlingen. Hamburg bietet Obdachlosen etwa in der kalten Jahreszeit im Rahmen des Winternotprogramms Schlafplätze an. In Behördenkreisen heißt es, dass auch die überdurchschnittliche Fülle an Angeboten für Obdachlose in Hamburg zu dem Zuzug beigetragen haben könne.

Das Straßenmagazin „Hinz & Kunzt“ sieht die neuen Zahlen dagegen als Warnsignal – die bestehenden Hilfen reichten nicht aus. „Wir brauchen endlich konkrete Hilfsangebote für die Menschen auf der Straße“, wird der Sozialarbeiter Stephan Karrenbauer in einem aktuellen Artikel zitiert. Seit Jahren wüssten Sozialarbeiter nicht mehr, wie sie den immer mehr werdenden Obdachlosen helfen sollen. „Die Stadt muss jetzt endlich handeln!“, so Karrenbauer.

Bürgerschaft hatte Monitoring in Auftrag gegeben

Die Bürgerschaft hatte die Befragung der Obdachlosen im Frühjahr im Rahmen eines Gesetzesentwurfes in Auftrag gegeben. Er soll unter anderem erhellen, aus welchen Gründen die Menschen in Hamburg in die Obdachlosigkeit abgerutscht sind. Wie es nun in der Senatsantwort heißt, gibt es inzwischen einen Berichtsentwurf zu den Ergebnissen, der noch vor Jahresende veröffentlicht werden soll.

Die CDU-Abgeordnete Franziska Rath kritisierte eine aus ihrer Sicht unzureichende Informationspolitik des Senats. „Seit Juli 2018 liegt dem Senat der Berichtsentwurf zur Obdachlosenbefragung vor. Doch der Senat weigert sich bisher, außer der reinen Zahl der befragten Personen weitere Informationen preiszugeben“, sagte Rath. „Hoffentlich wird der Bericht jetzt nicht geschönt, denn nur ein schonungsloser Bericht legt die Grundlage dafür, um passgenaue Maßnahmen gegen Obdachlosigkeit entwickeln zu können.“