Hamburg. Ja, viele verlieben sich in Hamburg und wollen hier leben. Und ja, man kann sie gut verstehen. Aber es gibt auch eine Kehrseite.

Was nützt mir die schönste Stadt der Welt, wenn ich sie mir nicht leisten kann? Der Titel zu diesem Text ist mir nach einem Gespräch mit einer Bekannten eingefallen, nennen wir sie einmal Mara. Die liebe Mara ist, wie ich, ein fanatischer Hamburg-Fan, eine von denen, die Hamburg gern als die schönste Stadt der Welt bezeichnen, obwohl sie selbst noch gar nicht so viele andere Städte gesehen haben. Mit dieser Mara diskutierte ich darüber, dass es gar nicht so leicht ist, in Hamburg eine Wohnung zu finden, wenn man Kinder hat.

Und dass man dann doch überlegt rauszuziehen, nach Stormarn oder Pinneberg zum Beispiel. „Nach Pinneberg?“, sagte Mara damals. „Bevor ich nach Pinneberg ziehe, wohne ich lieber auf 50 Quadratmetern in Eimsbüttel – notfalls auch mit drei Kindern.“

Merken Sie sich bitte dieses Zitat, es wird ganz am Ende dieses Textes noch einmal wichtig.

Schon jetzt zeigt diese kleine Episode, wie stark die Anziehungskraft Hamburgs sein kann, wie sehr die Stadt aus verschiedenen Gründen in den vergangenen Jahren an Attraktivität gewonnen hat. Man kann als Beleg dafür auch mehrere größere Geschichten erzählen. Zum Beispiel die von einem Ehepaar, das im Jahr 2006 in Eppendorf eine Wohnung für 400.000 Euro gekauft hat, um sie vier Jahre später für 470.000 Euro weiterzuverkaufen. Die beiden hielten das damals für ein gutes Geschäft. Bis sie 2017 erfuhren, dass ebendiese Wohnung erneut den Besitzer gewechselt hatte: für 1,4 Millionen Euro …

Mehr als 30 Jahresmieten

Die Immobilienpreise haben sich in der Stadt in den vergangenen zehn Jahren locker verdoppelt. Oder, um es mit den Worten eines Hamburger Unternehmers zu sagen: „Vor zehn Jahren hast du für eine Million Euro noch ein Haus mit Alsterblick bekommen. Heute kriegst du dafür nicht einmal mehr ein Haus in Alsterdorf.“

Die durchschnittlichen Preise für Immobilien sind in Hamburg bereits auf mehr als 30 Jahresmieten gestiegen. 25 Jahresmieten galten lange als die absolute Obergrenze, bei vielen Banken wird man unruhig, wenn der Wert 20 Jahresmieten übersteigt. Und das sind wie gesagt alles nur Durchschnittswerte ...

Wer kann sich das noch leisten, ohne sich in unverantwortlicher Weise zu verschulden? Zumal man in Hamburg ja nicht nur viel Geld für die Immobilie an sich, sondern auch für den Makler ausgeben muss. Da kommt für ein größeres Haus schnell mal eine höhere fünfstellige Summe zusammen. Immerhin: Das Geld ist nicht weg, es hat nur ein anderer.

Oslo ist teurer

Ja, wer kann sich das leisten? Gut, der norwegische Geschäftsmann zum Beispiel, mit dem ich neulich über die Mieten in Hamburg sprach. Er sagte: „Ich verstehe nicht, was ihr Hamburger habt. Im Vergleich zu Oslo ist das Leben bei euch sehr günstig.“ Er zahlt für seine 150-Quadratmeter-Wohnung 3700 Euro, immerhin warm. Ein anderer, ein deutscher Manager, der vor Kurzem neu in die Stadt gezogen ist, fand für die Miete seines Hauses dagegen andere Worte: „Die ist einfach nur absurd“, sagte er. Der Mann ist inzwischen Vorstandsvorsitzender eines börsennotierten Unternehmens.

Was macht diese Entwicklung mit und aus unserer Stadt? Fünf Thesen.

Erstens: Hamburg können sich vor allem die leisten, die nicht so viel Geld haben, weil sie eine staatlich geförderte Wohnung bekommen. Und die, bei denen Geld keine Rolle spielt, Investoren eingeschlossen.

Zweitens: Hamburg können sich vor allem die leisten, die mit einer kleinen Wohnung zufrieden sind oder die nicht viel Platz brauchen. Das heißt: Diese Stadt wird auch in Zukunft eine Stadt der Singles sein. Schon jetzt lebt in der Hälfte der Hamburger Haushalte nur eine Person. Und nur in 18 Prozent gibt es noch Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren.

Drittens: Hamburg muss verstärkt an sehr lauten und mehrspurigen Hauptverkehrsstraßen bauen, in der Hoffnung, dass die Zeit der leisen Elektrofahrzeuge möglichst schnell kommt. Eines der größten Neubauprojekte steht direkt an der A 23, auf dem Weg nach Pinneberg oder Elmshorn. Wer in Hamburg leben will, muss im Zweifel dort leben und sich darüber freuen, dass die Lage wirklich verkehrsgünstig ist.

Viertens: Hamburg wird trotz aller Attraktivität, trotz Alster und Elbphilharmonie, große Schwierigkeiten haben, seinen Bedarf an Arbeitskräften zu decken. Das liegt zum einen natürlich an den allseits bekannten demografischen Problemen, die so richtig erst in den kommenden Jahren und Jahrzehnten durchschlagen. Das liegt zum anderen daran, dass sich selbst gut bezahlte Fachkräfte nur schwer eine Wohnung leisten können. In diesem Zusammenhang erzähle ich gern die Geschichte des UKE-Chefs, der jetzt wieder anfängt, für seine Mitarbeiter Wohnungen zu bauen, und sagt, dass die mindestens so wichtig sind wie moderne Klinikgebäude. Denn: Selbst wenn Sie Arzt sind, müssen Sie rund um das UKE erst einmal eine bezahlbare Wohnung finden ...

Fünftens: Hamburg muss alles dafür tun, die angesagten Stadtteile zu entlasten und die Potenziale der weniger angesagten Stadtteile zu heben. Die Stadt kann nicht mehr in Eimsbüttel, der am dichtesten besiedelten Region Deutschlands, wachsen, sondern muss das vor allem im Osten und Süden tun. Was schwer genug wird, wenn sich das Image etwa Harburgs nicht endlich ändert.

Keine These, aber eine Beobachtung ist: Selbst die, die in Hamburg vor Jahren eine Wohnung oder ein Haus gekauft haben, sind nicht immer glücklich über die Preisentwicklung. Sie freuen sich zwar über den gestiegenen Wert ihrer Immobilie. Sie registrieren aber auch, dass sie bei einem Verkauf mit dem Geld nicht mehr bekommen würden als eben das Haus, das sie schon haben. Und sie stellen mit Besorgnis fest, wie sich ihre Stadt unter dem Zwang, schnell und viel zu bauen, verändert. Aber dazu später mehr.

Eine Stadt, die nicht wächst, schrumpft

Kann man oder darf man deshalb verhindern, dass Hamburg weiterwächst? Nein, natürlich nicht. Jeder hat das Recht, hierherzukommen. Es gibt keine Alternative zum Konzept der „Wachsenden Stadt“. Eine Stadt, die nicht wächst, schrumpft, und das will auch keiner. Ich habe vor Kurzem mit Wolfgang Peiner, dem ehemaligen Hamburger Finanzsenator, darüber gesprochen. Er hat das Prinzip der „Wachsenden Stadt“ nicht erfunden, aber für Hamburg als Richtschnur ausgegeben. Und er sagt heute, dass man von Menschen, die hier gute Jobs mit einer guten Bezahlung, einen hervorragenden Nahverkehr und kostenfreie Kitas vorfinden würden, verlangen könne, dass sie etwas mehr fürs Wohnen bezahlen.

Die Redner im Michel

Etwas mehr, das heißt in Zahlen: 45 Prozent aller Hamburger müssen schon mehr als 50 Prozent ihres Einkommens für die Miete ausgeben, 20 bis 25 Prozent gelten als normal. Die Durchschnittsmieten sind seit 2011 um 18 Prozent gestiegen, bei Neuvermietungen zahlt man heute einen Preis von zwölf bis 13 Euro, sagt der Mieterverein. Und: 64 Prozent aller Mieter hätten gern eine eigene Immobilie, glauben aber nicht, dass sie sich die leisten können.

All das wollte Olaf Scholz mit seiner SPD verhindern, als er vor sieben Jahren die Macht im Rathaus von der CDU zurückholte. Scholz hat damals, klug wie er ist, natürlich erkannt, dass Wohnen und Mieten die entscheidenden Themen der Zukunft sind. Und er hat versprochen: „Wir werden nie wieder aufhören, Wohnungen zu bauen.“ Rund 10.000 und mehr sind es inzwischen jedes Jahr; wer durch Hamburgs Straßen fährt, sieht oft mehr Baustellen als irgendetwas anderes. Aber, und das ist ernüchternd: Es reicht nicht.

Man muss sich einschränken

Auch nach sieben Jahren SPD-geführtem Senat ist das Thema Wohnen und Mieten mit Abstand das, was die Hamburger am stärksten umtreibt. Mehr noch: Die hohen Mieten und Immobilienpreise haben dazu geführt, dass Hamburg in etlichen Rankings, in denen es um Lebensqualität geht, von den vorderen Plätzen zurückgefallen ist. Die glücklichsten Menschen Deutschlands sind nicht mehr die Hamburger, sondern die Schleswig-Holsteiner. Und das liegt einzig und allein an der Wohnungssituation in der Stadt.

Um daran etwas zu ändern, um Wohnraum wieder bezahlbar werden zu lassen, hat Hamburg eine Mietpreisbremse eingeführt, die man nachbessern musste, weil sie einer rechtlichen Überprüfung nicht standhielt. Weil auch das nicht reicht, werden in der Stadt jetzt verstärkt kleinere und einfachere Wohnungen gebaut. Ohne Fahrstuhl, ohne Kellerräume, ohne Garten sowieso. Motto: Wenn du in der schönsten Stadt der Welt leben willst, musst du dich halt etwas einschränken. Siehe oben. Das kann genauso wenig die Lösung sein wie die Ansage des neuen SPD-Fraktionschefs Dirk Kienscherf, der im Abendblatt ankündigte, Hamburg könnte auch auf 2,2 Millionen Einwohner wachsen, das sei kein Problem.

Doch, das ist ein Problem, und zum Glück haben das auch die ersten Senatoren erkannt. Umweltsenator Jens Kerstan (Grüne) hat, ebenfalls im Hamburger Abendblatt, gesagt: „Hamburg muss nicht um jeden Preis wachsen, um eine tolle Stadt zu sein. Das ist sie auch schon so.“ Damit spricht er etwas aus, was viele denken, übrigens auch die, die das Glück hatten, vor Jahren ein Haus in Hamburg gekauft zu haben. Die freuen sich jetzt über einen Wertzuwachs, der manchmal gewaltig ist.

Aber sie sehen auch mit Sorge, wie sich die Stadt verändert, wie jede freie Ecke bebaut wird, wie Handwerker knapp werden und der Verkehr einen Zustand erreicht, den man als Verkehr eigentlich nicht mehr bezeichnen kann. Es ist kein Zufall, dass es gerade jetzt eine Volksinitiative „Hamburgs Grün erhalten“ gibt. Sollte es zu einem Volksentscheid kommen, wird die Mehrheit der Hamburger mit Ja stimmen.

Charakter Hamburgs soll erhalten bleiben

Denn natürlich wollen die Menschen, die hier leben, die grüne Stadt erhalten und damit all das, was Hamburg in den vergangenen Jahren ausgemacht hat. Der Charme Hamburgs lag immer darin, eine Millionenstadt zu sein, aber nicht so zu wirken. Hamburg war Metropole und Provinz zugleich.

Ja, wir Bürger wollten gern, dass der Rest der Welt auf uns aufmerksam wird, dass man uns kennt, und uns um die Schönheit unserer Heimat beneidet. Aber wir wollten und wollen auch, dass der Charakter Hamburgs erhalten bleibt. Was nützt es dir, Weltstadt zu sein, wenn du dann eine Stadt wie jede andere bist? Was nützt dir die schönste Stadt der Welt, wenn du sie dir nicht leisten kannst?

Erinnern Sie sich an Mara? Die liebe Kollegin vom Anfang? Die notfalls auch mit drei Kindern auf 50 Quadratmetern in Eimsbüttel leben würde, Hauptsache, es ist Eimsbüttel? Sie bekommt demnächst tatsächlich ihr erstes Kind. Und interessiert sich für eine Reihenhaushälfte in Pinneberg.