Hamburg. Die Zahl der Referendariatsplätze soll in Hamburg bis 2020 schrittweise auf jährlich 850 aufgestockt werden.
Die rot-grüne Koalition will die Kapazitäten zur Ausbildung des Lehrernachwuchses noch einmal erhöhen. Danach sollen bis zum Frühjahr 2020 zusätzlich 201 angehende Schulpädagogen mit dem Referendariat beginnen können. Das kündigte Schulsenator Ties Rabe (SPD) im Gespräch mit dem Abendblatt an.
Damit werden von 2020 an dauerhaft rund 850 Referendare pro Jahr ausgebildet. Erst im Januar dieses Jahres hatte die Bürgerschaft einstimmig eine Aufstockung um 135 Referendariatsplätze beschlossen. Die abermalige Erhöhung der Kapazität um 66 Plätze ist aus Rabes Sicht erforderlich, weil der Lehrerbedarf in den nächsten Jahren größer ist als bislang angenommen.
Bedarfe sehr unterschiedlich verteilt
„Der Lehrermangel nimmt in immer mehr Bundesländern dramatische Ausmaße an. Hamburg steht im Vergleich gut da, aber wir müssen aufpassen, dass die Krise der anderen Bundesländer nicht auf uns übergreift. Deshalb handeln wir“, sagte Rabe.
In der vergangenen Woche hatte die Kultusministerkonferenz die Lehrerbedarfsanalyse für alle 16 Bundesländer vorgestellt. Danach müssen bis 2030 rund 32.000 Lehrerinnen und Lehrer pro Jahr neu eingestellt werden. Allerdings sind die Bedarfe sehr unterschiedlich verteilt. Für Hamburg ergibt sich folgendes Bild:
Bis zum Jahr 2022 übersteigt der Lehrerbedarf das Angebot um insgesamt 410 Stellen. Für 2018 und 2019 beträgt das errechnete Defizit 120 und 160 Stellen. In den Jahren danach fehlen immerhin noch 50, 30 und wiederum 50 Lehrer. Für die folgenden Jahre bis 2030 haben die Experten für Hamburg ein Plus ermittelt, das zwischen 30 und 70 Stellen pro Jahr pendelt.
Grundschulen haben große Probleme
Für die einzelnen Lehrämter ergibt sich allerdings ein sehr unterschiedliches Bild. Am größten ist der Lehrermangel an den Grundschulen und der Sekundarstufe I: Hier fehlen allein 410 Lehrer bis 2022, und auch bis 2030 wird Jahr für Jahr ein Defizit zwischen zehn und 30 Stellen angegeben. Auch im Bereich der Gymnasiallehrer gibt es ein Defizit von 220 Lehrerstellen bis 2020, danach einen Überschuss von bis zu 70 Stellen jährlich. Für die Sonderschul- und Berufsschullehrer ergibt die Prognose einen jährlichen Überschuss zwischen 20 und 70 Stellen jeweils.
Erheblich größer als in Hamburg sind die Probleme allerdings in anderen Bundesländern: In Berlin wird für 2018 mit einem Defizit von 1810 Stellen und 2019 von 1140 Stellen gerechnet. In Nordrhein-Westfalen beträgt das Minus im laufenden Jahr sogar 7460 Stellen und sinkt danach erst auf 760 Stellen. Allein für 2018 fehlen bundesweit 11.510 Lehrer, wobei der größte Anteil mit 8920 Stellen auf die westdeutschen Länder entfällt. Von 2019 an kehrt sich das Verhältnis um, und der Lehrermangel in den ostdeutschen Ländern wird immer größer.
Negative Tendenz
Die Prognose verstärkt noch einmal die Tendenz der vergangenen Jahre: Der bundesweite „Lehrermarkt“ wird immer enger, Angebot und Nachfrage klaffen immer weiter auseinander. Bislang konnte Hamburg darauf setzen, dass genügend Junglehrer aus anderen Bundesländern bereit waren, nach Hamburg zu wechseln, zumal jahrelang vielerorts Lehrerstellen abgebaut wurden.
Anders als in manchen anderen Ländern werden fast allen Nachwuchslehrern in Hamburg unbefristete Verträge angeboten, und sie werden verbeamtet. Darüber hinaus gilt die Stadt mit ihrem Freizeit- und Betreuungsangebot als attraktiver Standort. Mittlerweile haben etliche Länder die Einstellungsbedingungen für den Lehrernachwuchs verbessert, sodass der Wettbewerb um qualifiziertes Lehrpersonal härter geworden ist.
Rund 2400 Lehrerstellen geschaffen
„Nach Gesprächen mit Schulleitungen aller Schulformen haben wir den Eindruck, dass es schwieriger wird, genügend Lehrkräfte zu finden“, hatte der Schulsenator bereits zu Beginn des Jahres gesagt. Der rot-grüne Senat hatte wegen des absehbaren Lehrermangels damals die Pensionierungspflicht aufgehoben. Lehrer können über die eigentliche Altersgrenze von 65 Jahren hinaus zwei weitere Jahre unterrichten. Früher waren solche Anträge zumeist abgelehnt worden. „Wer länger arbeiten möchte, wird dabei nicht mehr blockiert“, kündigte Rabe an. Zudem können Referendare, die häufig Nebenjobs außerhalb der Schule haben, an den Schulen zusätzlichen Unterricht geben – gegen Bezahlung.
Seit 2010 sind rund 2400 Lehrerstellen in Hamburg geschaffen und besetzt worden. Ursache für den Mehrbedarf waren steigende Schülerzahlen, die Verkleinerung der Klassen, der Ausbau des Ganztagsunterricht sowie die Einführung der schulischen Inklusion.