Hamburg. Insgesamt fehlen 250 bis 300 Pädagogen. Wegen Mangels an Vertretungslehrern könnte das Beamtengesetz geändert werden.
Wer vor Kurzem das digitale Stellenportal für den Hamburger Schuldienst geöffnet hat, musste feststellen, dass praktisch alles gesucht wurde: 37 Englisch- und 27 Deutschlehrer, 55 Pädagogen für Mathe und 22 für Geschichte; Bedarf gab es aber auch an Lehrern für Chemie und Sport, Physik und Religion, Französisch, Geografie und sogar Niederdeutsch. Insgesamt 225 Stellen waren zum Einstellungstermin am 1. Februar offen. Das zeigt: Lehrer, die einen Job suchen oder sich verändern möchten, haben in Hamburg zunehmend die Wahl und können sich den Arbeitsplatz auswählen. Schulleiter erleben, dass sie mehr Bewerbungsgespräche führen und am besten mit drei Bewerbern in die Endrunde gehen müssen, weil die Wahrscheinlichkeit hoch ist, dass zwei von ihnen kurzfristig doch noch an eine andere Schule gehen.
Auch wenn die Beamtenstellen schwerer zu besetzen sind als früher: Dramatisch ist die Lage in Hamburg noch keineswegs. Die Schulbehörde geht davon aus, dass insgesamt 1,6 Prozent der Stellen nicht besetzt sind – das wären 200 Vollzeitlehrer, die fehlen. Man könnte sagen: Das bewegt sich noch im Rahmen von natürlicher Fluktuation. Allerdings zeigt eine Vergleichszahl, wohin die Entwicklung geht: Vor vier Jahren war die Zahl der nicht besetzten Stellen noch bei null. Und auch wenn die Prognosen nicht einfach sind: Bis 2025 rechnet der Senat mit 21.000, bis zum Jahr 2030 sogar mit 30.000 zusätzlichen Schülern. Und die brauchen Lehrer. Als Mangelfächer gelten insbesondere Physik, Mathematik, Chemie, Theater, Musik und Informatik.
In sieben Jahren wurden 1000 Lehrer eingestellt
Für mehr Schüler, kleinere Klassen, die Beschulung der Flüchtlingskinder und insbesondere als Ersatz für in Pension gehende Pädagogen musste Hamburg schon in den vergangenen sieben Jahren mehr als 1000 Lehrer im Jahr neu einstellen. Die Zahl der Vollzeitstellen stieg an den allgemeinbildenden Schulen von 11.300 in 2010 auf 13.600. „Das war eine große Kraftanstrengung, die wir recht gut bewältigt haben“, sagt Schulsenator Ties Rabe. „Jetzt kommt aber hinzu, dass der Lehrermangel in vielen anderen Bundesländern so dramatisch ist, dass dort die Anstrengungen verstärkt werden, Lehrer zu halten – zum Beispiel, indem die Arbeitsbedingungen verbessert werden.“ Die Konkurrenz um die Lehrer wird härter. „Hamburg hat in der Vergangenheit sehr profitiert von den Bewerbungen von Lehrern aus anderen Bundesländern. Dieser Nachschub bröckelt nun. Wir stellen fest, dass diese Bewerbungen weniger werden.“
Das bekommen zu allererst die Schulen am Stadtrand zu spüren sowie die in sozialen Brennpunkten. „Ernste Probleme bei der Besetzung von dauerhaften Stellen gibt es zurzeit manchmal in den lokalen oder sozialen Randlagen“, bestätigt Rabe. „Finkenwerder beispielsweise ist schwer erreichbar, die Schulen dort haben es schwieriger, Lehrer zu finden als Schulen in Eimsbüttel. Das gleiche gilt beispielsweise für Mümmelmannsberg oder Teile von Bergedorf.“ Oder wie eine Lehrerin aus einem sozial belasteten Stadtteil erzählt: Referendare und Junglehrer kommen zwar an die Schule, bewerben sich aber schnell in attraktivere Stadtteile weg.
Vertretungsmittel werden nicht ausgeschöpft
„Gemessen an der Lage in anderen Bundesländern haben wir noch günstige Voraussetzungen – nicht so günstig wie früher, aber viel besser als anderswo“, bekräftigt Rabe. Die Schulen müssen mehr Aufwand betreiben. Die meisten von ihnen schaffen es aber am Ende, einen Großteil ihrer Stellen zu besetzen, nicht zuletzt auch durch Quereinsteiger. So werden diejenigen genannt, die zwar ein Fachstudium beispielsweise in Mathematik oder Germanistik absolviert haben, aber kein pädagogisches Studium.
Kommentar: Allianz für mehr Lehrer
„Stärkere Sorgen macht den Schulen, dass es zunehmend schwieriger wird, für die befristeten Verträge entsprechend Personal zu finden. Wir stellen fest, dass die Vertretungsmittel nicht voll ausgeschöpft werden“, sagt Rabe. Hintergrund: Neben dem Stammpersonal aus unbefristet beschäftigten Lehrern, das jede Schule zur Abdeckung des Unterrichts bekommt, hat sie auch Anspruch auf Vertretungskräfte. Insgesamt stehen dafür gut 500 Vollzeitstellen zur Verfügung – in Form eines Budgets, auf das die Schulen zurückgreifen können. Die pensionierten Lehrer, Lehramtsstudenten oder andere Honorarkräfte, die vorübergehend einspringen, müssen die Schulen selbst finden – und das wird schwerer. Die Geldmittel für die Vertretungslehrer werden nur zu 80 bis 90 Prozent abgerufen. Das sind umgerechnet noch einmal 50 bis 100 Lehrerstellen für den Vertretungsunterricht, die nicht besetzt werden können – zusätzlich zu den 200 unbefristeten Stellen.
Muss das Beamtengesetz geändert werden?
Dass mehr Vertretungslehrer benötigt werden, hängt mit einer an sich positiven Entwicklung zusammen: Denn die Lehrerschaft hat sich durch die Pensionierungswelle deutlich verjüngt. Es gibt Schulen, an denen kein Kollege älter als 50 Jahre ist. Das bedeutet allerdings auch, dass viele Lehrer in einem Alter sind, in dem sie eine Familie gründen. So fallen im laufenden Schuljahr 54 Prozent der Lehrer, die vertreten werden müssen, wegen Elternzeit oder Mutterschutz aus – insgesamt 1140 Personen.
Die Lücken sollen nun Referendare, Lehramtsstudenten und ältere Lehrer füllen, die Lust haben, über die Pensionsgrenze hinaus zu arbeiten. „Referendare verdienen regulär 1300 Euro, wir werden für zusätzlich erteilten Unterricht einen Bezahlmodus finden, sodass es sich für sie lohnt“, sagt Rabe. Geprüft wird, ob dafür das Beamtengesetz geändert werden muss.