Hamburg. Ein Erstklässler, eine Fünftklässlerin und ein Referendar starten diese Woche in einen neuen Lebensabschnitt.
Ein bisschen nervös sind sie alle, da ist es ganz egal, ob man sechs, elf oder 36 Jahre alt ist. Ein neuer Lebensabschnitt ist unabhängig vom Alter spannend. Für drei Hamburger beginnt mit dem Schuljahr etwas Neues, alle drei haben ihren ersten Schultag und ihre erste richtige Schulwoche – Paulo aus Stellingen wird am Dienstag eingeschult, Louisa aus Eimsbüttel kommt auf die weiterführende Schule, und Michael Thiel aus Altona beginnt sein Referendariat und wird Lehrer.
Der Erstklässler
Paulo ist ganz cool. Ja, er freue sich auf seine Einschulung am Dienstag, wenn er in die erste Klasse an der Grundschule Brehmweg in Stellingen kommt. Aber wie das so ist bei vermeintlich lässigen, aber vor allem ein wenig schüchternen Sechsjährigen: Sollte da doch eine Spur Aufregung sein, lässt man es sich nicht anmerken und spielt es runter.
Sollen die Erwachsenen doch aufgeregt und gerührt sein, wenn aus ihren kleinen Kita-Kindern von einem Tag auf den anderen große Schulkinder werden. Insgesamt werden das in Hamburg in dieser Woche 14.666 Kinder sein. Obwohl, das muss Paulo dann doch zugeben, mit der Kita war es dann jetzt auch genug. Endlich wird er ein Schulkind. „Ich komme mit Kolja in eine Klasse, in die 1b“, sagt er. Kolja hat er schon kennengelernt, und seine Lehrerin Frau Timm vor den Ferien auch.
„Die ist nett.“ Die Sorge, dass Lehrer eher streng sind, hat er dennoch. Seine Gefühle sind etwas zwiespältig. Kein Wunder bei diesem großen Schritt in seinem Leben. Sport findet er am besten, und immerhin kann er schon seinen Namen schreiben, aufs Lesen hat er nicht so große Lust. Wie bei vielen Hamburger Eltern von Erstklässlern üblich, bekommt Paulo eine selbst gebastelte Schultüte. „Ich hätte einfach eine fertige Schultüte gekauft, aber mein Mann hat sich vorgenommen, eine zu basteln“, sagt Paulos Mutter Canan und lacht. Wieder etwas, um das sie sich nicht kümmern muss.
Hauptsache, die Tüte wird rechtzeitig fertig. Seinen Ranzen, „blau mit Zacken“, hat Paulo schon. Der steht in seinem Zimmer. Sein kleiner Bruder Manoa, fast zwei, darf da nicht einfach rangehen. „Nur wenn ich dabei bin“, sagt Paulo. Die Omas und Opas kommen auch zur Einschulung, anschließend soll es in die Schanze zum Pizzaessen gehen, wünscht sich der Erstklässler. Denn Paulo, Einschulung hin oder her, liebt Pizza. Als Halbitaliener naheliegend, und so ist sein Spitzname in der Familie auch „das Pizzamonster“. Ein Wort, das Paulo bald schon schreiben kann.
Die Gymnasiastin
Louisa ist bereit. Bereit für ihr Leben als Gymnasiastin. Sie ist eine von 14.433 Fünftklässlern, die nach der Grundschule auf die weiterführenden Schulen kommen. So schön ihre Grundschulzeit an der Schule an der Isebek war, jetzt kann etwas Neues kommen. Am heutigen Montag hat die Elfjährige ihren ersten Schultag am Emilie-Wüstenfeld-Gymnasium in Eimsbüttel. Es gibt eine kleine Einschulungsfeier in der Aula, aber diese wird nicht mehr ganz so feierlich sein wie damals in der ersten Klasse. Ihr Papa wird arbeiten müssen, aber Mama Kathrin wird dabei sein, wenn Louisa dann mit ihrer neuen Klasse oben auf der Bühne stehen und der Schulleiter sie begrüßen wird.
Abendblatt verschenkt 8500 Erstklässler-Turnbüdel
Sie weiß auch schon, in welche Klasse sie kommt: in die 5a. „Ich freue mich schon“, sagt sie, und ihre Augen strahlen. Die Vorfreude ist riesengroß, vielleicht auch, weil sie schon ein bisschen weiß, was sie erwartet. Denn ihre neuen Mitschüler und ihre beiden Klassenlehrer, Herrn Astner und Frau Kömmelt, hat sie vor den Ferien während eines Kennenlernnachmittags bereits getroffen. „Die sind auf jeden Fall nett, und gut finde ich, dass es Mann und Frau sind.“ Zwei Klassenlehrer seien auch deshalb praktisch, „falls einem der eine mal nicht gefällt, hat man noch den anderen“.
Zu ihrem Glück gehört auch, dass ihre beste Freundin Emmie mit in ihrer Klasse ist. Das hatten sich beide gewünscht. Traurig ist sie nur, dass ihre gemeinsamen Freunde Benno und Michel in die Parallelklasse gekommen sind. „Ich bin schon ein bisschen enttäuscht, dass wir nicht als Gang in die Klasse kommen.“ Aber die Freude überwiegt. Besonders Spaß machen ihr Deutsch, Englisch und Sport. Sorgen macht sie sich aber auch: „Ich habe Angst, dass ich mit den Arbeitsmaterialien nicht so klarkomme, und wir bekommen ja auch ganz schön viele Hausaufgaben auf.“ Genug Zeit für ihr Fußballtraining dreimal die Woche muss auf jeden Fall noch sein.
Der Referendar
Für Michael Thiel hat die Arbeit schon in den Sommerferien begonnen. Zwei Wochen war er mit seiner Freundin im VW-Bus quer durch Deutschland unterwegs, pünktlich am 1. August ging es dann mit seiner Ausbildung zum Lehrer weiter. Nach dem Ersten Staatsexamen soll nun das Zweite folgen. Er wurde vereidigt und an seiner Schule, der Stadtteilschule Alter Teichweg in Dulsberg, begann der Schulalltag am vergangenen Dienstag mit einem Kollegiumsausflug zum Swinggolf nach Ochsenwerder. Ja, ja, die Lehrer wieder, werden die Spötter sagen. Selbst Arbeit ist bei denen Freizeit. Von wegen! Bei dem Ausflug ging es darum, sich mit Kollegen schon einmal auszutauschen.
Das funktioniert draußen mindestens genauso gut wie im Lehrerzimmer. Während dieser Präsenztage ging es viel um Planung und Struktur, um Unterrichtsmaterialien und Vorbereitung. Am Mittwoch folgte eine Konferenz der anderen. Und Donnerstag dann der große Tag: Michael Thiel das erste Mal vor seinen Schülern. Er hat während des Studiums schon Praktika gemacht und hatte an der Stadtteilschule Alter Teichweg einen Lehrauftrag.
Mehr Verantwortung
Trotzdem ist das jetzt etwas anderes. Er hat nun mehr Verantwortung. Michael Thiel unterrichtet Deutsch und Religion und hat in diesem Schuljahr eine 3., eine 6. und eine 7. Klasse. Aufgeregt? Na klar. „Es ist spannend, wenn einen 20 bis 25 Augenpaare angucken“, sagt er und lacht. Dass er die Schule und die Kollegen schon kennt, erleichtert ihm den Neuanfang. „Aber ich habe bisher noch keine Grundschüler unterrichtet, das ist neu.“
Wenn es mal Probleme oder Fragen geben sollte, steht er nicht allein da: „Ich fühle mich hier gut aufgehoben, und man ist ja nicht allein, die Kollegen sind für einen da.“ Endlich macht er das, was er immer machen wollte: mit Menschen zusammenarbeiten und seine Talente einbringen. „Ich bin kreativ, sozial und interessiere mich für Technik, das kann ich hier gut unterbringen.“ Schule ist für ihn, wie er sagt, „der Fusionsreaktor einer Gesellschaft“. Denn hier bündelten sich alle Kräfte der Schüler „und ich als Lehrkraft kann jeden Tag auf ein Neues diese Energien in den Kindern aktivieren, sodass sie sich freisetzen. Das ist viel Verantwortung, und ich kenne keinen Beruf, in dem das die Kernaufgabe ist.“