Hamburg. Campertour belohnt mit ungewohnten Stadtansichten und neuen Bekanntschaften. Letzter Teil des Selbstversuchs.
Jetzt kann ich es ja verraten. Vor Beginn unseres kleinen Wohnmobil-Experiments hatte ich durchaus Vorbehalte gegenüber Wohnmobilisten. Sie entspringen einem recht seltsamen Erlebnis, das schon viele Jahre zurückliegt. Auf Sizilien übernachteten wir in einer Holzhütte auf einem nahezu komplett unbelebten Campingplatz. Zwei Wohnmobile standen noch dort. Sie gehörten deutschen, tiefengebräunten Rentner-Paaren. Abends machte der Platzwart seine Runde, Paar und Wart kamen ins Gespräch. Ob sie einander verstanden, blieb unklar. Beide radebrechten in einer Fantasiesprache, von der sie offenbar hofften, dass sie verstanden werden würde. Das Paar sagte zum Wart: „Na, machst du wieder Looky-looky?“ Dann kam man irgendwie auf Politiker und den damaligen Außenminister Joschka Fischer zu sprechen, und das Paar sagte tatsächlich: „Außenminista Faschista.“
Nun waren wir damals (und sind es noch heute) weder Faschismus-Forscher noch Fischer-Fachleute. Dennoch lag auf der Hand, dass diese Gleichung auf geradezu grotesteke Weise nicht stimmen konnte. Was hatte die deutschen Wohnmobilisten nur bewogen, einem italienischen Campingplatz-Wart einen derartigen Unfug zu erzählen?
Komplexe Technik und viel Platz
Es war schön, einen derartigen Unfug auf unser einwöchigen Wohnmobilreise durch Hamburg nicht gehört zu haben. Im Gegenteil: Die Nachbarn, die man auf jedem Stellplatz zwangsläufig hat, waren freundlich, höflich und hilfsbereit. Also: Ich leiste Abbitte – und vergesse sofort, was einst auf Sizilien geschah.
Der Vantana (ausgesprochen „Wäntänä“), unser 6,36 Meter langes Wohnmobil, war ebenfalls freundlich und hilfsbereit – mit einigen Abstrichen. Bei der Bettlänge fehlten ein paar hilfsbereite Zentimeter. Ich mit meinen 1,82 Metern musste mich leicht krümmen, um dem Vantana nicht im Schlaf Tritte zu versetzen. Die Dusche, die zugleich auch Toilettenraum ist, haben wir nicht benutzt, weil klar war, dass man hinterher alles aufwendig wischen und trocknen muss. Ich hege den Verdacht, dass Hunderttausende von Wohnmobil-Duschen aus eben diesem Grund noch nie aufgedreht worden sind – eine gigantische Ressourcen-Verschwendung. Ebenfalls von Nachteil: Der Kühlschrank braucht viel Strom, nach einem Tag des Herumstehens ist die Batterie leer. Dann muss der Vantana ans Stromnetz – oder der Kühlschrank vom Strom.
Doch die Vorteile überwiegen. Das Wohnmobil ist nicht zu ausladend und kommt auch im Stadtverkehr gut zurecht. Der Gasherd ist einfach zu bedienen. Die Fenster haben allesamt Mückengitter und Jalousien, auch die beiden Dachluken. Eine ausfahrbare Stufe vereinfacht das Einsteigen. Die Sitze sind bequem, der Tisch hat eine angenehme Größe. Zwei Reisende können hier auch einen Regentag gut überstehen. Und bei gutem Wetter lässt sich das 13 Quadratmeter große Innere nach draußen vergrößern: Markise rausdrehen, Tisch und Stühle aufstellen.
Die Technik (Stromanschluss, Gastank, Fäkalientank, Grauwasser, Frischwasser) ist durchaus komplex. Wer sich zum ersten Mal ein Wohnmobil ausleiht, sollte wissen: Das kostet Einarbeitungszeit. Der Lernerfolg stellt sich erst nach einer Weile ein. Wer das Mobil nur für eine Woche ausleiht, dem könnte passieren, dass er diese Phase gar nicht erst erreicht.
Die kleine Schweizerin und der Nudelwunsch
Die Stellplätze, die wir besucht haben, sind allesamt zu empfehlen – aber nicht für jeden. Mit dem Elbepark Bunthaus können Kinder nicht so furchtbar viel anfangen, Erwachsene aber die Ruhe und die Natur genießen. Gerade Familien mit kleineren Kindern sind im ElbeCamp am Falkensteiner Ufer gut untergebracht. Viel Platz, viele andere Kinder. Abenteuer und Nachtschwärmer sind auf dem Fischmarkt richtig. Reeperbahn, Portugiesenviertel: In der Umgebung kann man es so richtig krachen lassen.
Geld wird allerdings überall fällig. Im Elbepark zahlten wir 21 Euro pro Nacht, für den Parkplatz auf dem Fischmarkt sind es am Wochenende 19,50 Euro, im ElbeCamp wurden 33,55 Euro verlangt.
Der Gewinn: Man lernt Hamburg tatsächlich von einer anderen Seite kennen. Schützenfest in Moorwerder, morgendlicher Jogger-Verkehr am Altonaer Rathaus, die Schiffe auf der Elbe, das Gewusel von Touristen und Obdachlosen auf dem Fischmarkt-Parkplatz, die Geräusche und Gerüche der Großstadt: All das trifft denjenigen direkter und unmittelbarer, der die dicken Mauern seiner festen Behausung gegen das dünne Blech eines Wohnmobils tauscht.
Der größte Gewinn sind vielleicht die Menschen, die man unterwegs trifft. Am Falkensteiner Ufer hatte sich eine kleine Schweizerin mit uns angefreundet. Als wir abends vor dem „Wäntänä“ aßen, setzte sich die kecke Dreijährige zu uns. Ob sie mitessen wolle, fragten wir. „Gern“, sagte sie in ihrem melodiösen Schwyzerdütsch. „Drei Nudeln, nein, dreieinhalb Nudeln, bitte.“ Sie aß. Es schmeckte. Noch mehr? „Ja, jetzt sieben Nudeln“, entgegnete sie.
Ein Verhalten, aus dem viel Weisheit sprach. Erst einmal ausprobieren – und dann bei Gefallen verdoppeln. Vielleicht sind wir beim nächsten Mal mit zwei Wohnmobil-Wochen dabei.
Das Wohnmobil wurde vom Hobby-Wohnwagenwerk zur Verfügung gestellt.