Hamburg. Wie ist es in einem Zuhause auf vier Rädern, das auf Camping- und Wohnmobilplätzen steht? Zweiter Teil des Selbstversuchs.
Wummernde Bässe ziehen über den Deich, unterbrochen von irgendwelchen vom Wind zerfetzten, unverständlichen Ansagen: Bei der Planung unseres einwöchigen Wohnmobil-Experimentes hatten wir, meine Freundin Lucie und ich, nicht bedacht, dass in Moorwerder Schützenfest sein könnte. Aber jetzt sind wir im Elbepark Bunthaus, dem Wohnmobilstellplatz im tiefsten Südosten Hamburgs, und es ist Schützenfest.
Vier Tage lang sogar, Pardon wird nicht gegeben. Im netten Restaurant, das zum Platz gehört, sitzen neben uns erwachsene Männer, einheitlich in blaue T-Shirts gewandet, auf die irgendjemand in silbernen Lettern das Wort „Königsjungs“ appliziert hat. Diese Königsjungs langen kräftig zu. Hätten wir ihre munteren Geschichten aufgezeichnet, wäre der Mega-Bestseller mit dem Titel „Best of Schützenfeste in Moorwerder“ mindestens zur Hälfte gefüllt.
Erster Test bestanden
Aber der Reihe nach. Die Nacht in dem wirklich netten, aber voll besetzten Elbepark wurde durch den Ablärm des Festes nicht wirklich gestört. Irgendwann erlahmt selbst der wildeste Schütze. Der Regen, der nachts fällt, stört uns nicht. Unser Vantana, genannt „Wäntänä“, steht, Heck und Betten zur Elbe ausgerichtet, in einer Reihe mit den anderen Wohnmobilen.
Die fahrende Wohnung hat den ersten Test bestanden. Fahrer- und Beifahrersitz sind drehbar. Wenn sie der Frontscheibe den Rücken zukehren, werden sie zu gemütlichen Sesseln, vor denen ein Tischchen seine Dienste anbietet. Ein kleines Wohnzimmer entsteht. Der Kühlschrank surrt gemütlich vor sich hin und ist viel größer als angenommen. Ein Drittel bleibt vorerst unbenutzt. Der Gasherd mit seinen beiden Flammen ist morgens problemlos in der Lage, Kaffee zu kochen und Milch zu erhitzen: Zwei Dinge, die doch recht weitgehend über Gelingen oder Misslingen eines Tages entscheiden.
Wer kümmert sich um das Grauwasser?
Über Gelingen und Misslingen einer Wohnmobiltour entscheidet allerdings auch, ob man mit der Technik klarkommt. Und da gibt es doch ein paar offene Fragen. Zum Beispiel das Klo. Ja, unser Vantana hat ein winziges Badezimmer mit einer „sehr guten Spiegelsituation“ (sagt Lucie), einem Waschbecken und einem Klosett. Die Frage ist nur: Sollen wir es benutzen? Ja, entscheiden wir, aber nur für kleine Geschäfte. Daraus folgt aber unmittelbar, und ich rede nicht lange drumherum, die Frage nach der Fäkalienentsorgung. Wer macht’s?
Nun ja, die Antwort ist ziemlich klar: Ich. Ich bin also bei dieser Reise der Fäkalien-Fürst und der Grauwasser-Graf in einer Person. Grauwasser ist das, was nach dem Händewaschen und Geschirrspülen in einen Tank fließt, der sich irgendwo in den Tiefen unseres Vantana befinden muss. Ob ich diesen beiden Aufgaben gerecht werde, muss sich noch zeigen. Am Sonnabend sah ich im Elbepark tapfere Männer, die mit einem Fäkalienbehälter am weit abgespreizten Arm einem geheimnisvollen Automaten zustrebten.
Links und rechts große Schilfwälder
„Tricky“ ist auch der Transponder, der das Wohnmobil abschließt. Manchmal allerdings tut er es nicht. Warum? Wir brauchen doch ziemlich lange, um herauszufinden, dass die seitliche Schiebetür, der Haupteingang unserer „Wohnung“, wirklich bündig geschlossen sein muss. Erst dann tut der mürrische Transponder seinen Dienst.
Aber nun endlich aufs Fahrrad. Wir erkunden die Umgebung. Zuvor mussten wir allerdings noch ein paar Schauer abwarten. Der norddeutsche Sommer meint es nicht gut mit uns. Direkt neben dem Wohnmobilplatz beginnt das Naturschutzgebiet Heuckenlock. Es liegt an der Süderelbe, im sogenannten „Stromspaltungsgebiet“ – also dort, wo sich die Elbe in einen nördlichen und einen südlichen Arm trennt. Ein Urwald ist dort entstanden, ein Areal, das mehrfach im Jahr überflutet wird. Ein schmaler Weg führt durch diesen Urwald. An einer Stelle tritt man auf eine schmale Brücke, die über ein Wasser führt. Links und rechts große Schilfwälder. Was der stürmische Wind mit ihnen aufführt, ist atemberaubend. Niederfegen, aufrichten, biegen, in mächtigen Wellen verwehen: Wäre es Musik, wäre es ein Crescendo.
Idylle kaum 20 Minuten von Hamburgs Zentrum
Wir fahren durch das kleine Dorf Moorwerder. Ländliche Idylle kaum 20 Minuten von Hamburgs Zentrum entfernt. Fast jedes Haus ist mit grün-weißen Wimpeln geschmückt, den Farben des Schützenvereins Moorwerder. Auf dem Platz am Feuerwehrhaus ist ein kleiner Jahrmarkt aufgebaut. Autoscooter, Schlemmergrill, Fischbrötchen-Stand, Dosenwerfen, Schießstand, Kinderkarussell, gebrannte Mandeln – das alles ringförmig um einen zentralen Bierstand angeordnet. Mir scheint, das hier ist die Mutter aller Jahrmärkte.
Dosenwerfen? Haben wir ewig nicht mehr gemacht. Ich kaufe drei Bälle für 3,50 Euro und werfe tatsächlich einmal daneben. Der Mann am Stand gibt mir grinsend einen weiteren Ball, denn hier gilt das auf einem Plakat verewigte Motto: „Kinder werfen so lange, bis GETROFFEN ist!!!“
Sind wir wirklich noch in Hamburg? Wir fahren unter Donnergrollen zurück. Auf einer Bank auf dem Deich liegt eine junge Frau, eine Farbige. Der Parka ist abgetragen, in der Plastik-Tragetasche sind leere Flaschen. Schläft sie? Ich spreche sie auf Englisch an. Ob Sie Hilfe brauche? Nein, sagt sie, sie sei in Ordnung. Es sei gefährlich, hier auf der Bank die Nacht zu verbringen, sage ich. Das habe sie auch nicht vor, sagt sie. Sie klingt traurig. Brauchen Sie Geld, frage ich. Nein, sagt sie. Wir sind wohl doch noch in Hamburg.
Das Wohnmobil für den Selbstversuch wurde dem Abendblatt vom Hobby-Wohnwagenwerk in Fockbek zur Verfügung gestellt.Am Dienstag lesen Sie: Mit dem Wohnmobil zwischen Fischmarkt und Landungsbrücken