Hamburg. Raus aus dem Alltag und hinein in ein Abenteuer: Wie lebt es sich in einem Zuhause auf vier Rädern? Erster Teil des Selbstversuchs.
Eine Woche lang ist alles ganz anders. Raus aus der geräumigen Wohnung, rein ins eingeräumte Wohnmobil. Statt 130 Quadratmeter Fläche in unserer Wohnung sind es plötzlich nur noch rund 13 Quadratmeter. Leben auf engstem Raum – wie geht das eigentlich? Wir probieren es aus.
Eine Woche lang sind wir, meine Freundin Lucie und ich, auf Camping- und Wohnmobilstellplätzen in und um Hamburg unterwegs. Wir testen das Wohnmobil, die Plätze, den neuen Blick auf die Stadt – und ein bisschen auch uns selbst. Wir kochen auf zwei Flammen ein Drei-Gänge-Menü (vielleicht jedenfalls), wir besuchen Freunde und schlafen bei ihnen vor der Tür, wir quetschen uns auf Hamburgs beliebtesten Campingplatz am Falkensteiner Ufer, und wir machen eine kleine Spritztour durch das Hamburger Umland.
Am Anfang steht die Fahrt zum Verleiher. Wir fahren einen Vantana, hergestellt in Schleswig-Holstein, bei Fockbeks größtem Gewerbesteuerzahler, dem Hobby-Wohnwagenwerk. In der Firmenwerbung wird der Name amerikanisch ausgesprochen: „Wäntänä“. Ein Kastenwagen, Basis ist ein Fiat Ducato (mehr über die aktuellen Reisemobiltrends lesen Sie auf Seite 44).
Ich denke, ich bin im falschen Film
Der Weg nach Fockbek zeigt, dass es den zu Recht gefürchteten norddeutschen Sommer trotz eines in den letzten Wochen anschwellenden medialen Abgesangs immer noch gibt. Die Scheibenwischer schaffen es fast nicht, die blickdichten Wassermassen zur Seite zu schaufeln. Selbst die schlimmsten Raser fahren plötzlich nur noch 50. Zwei Regenbogen spannen sich triumphierend über das eben noch staubtrockene Land. Lucie döst auf dem Beifahrersitz. Ich denke, ich bin im falschen Film. Der Streifen, den ich sehen wollte, hat doch den etwas umständlichen Titel: „Das ist doch schön, bei diesem Wetter draußen vorm Wohnmobil zu sitzen und in die Landschaft zu gucken.“
In Fockbek ist dann alles trocken. Thomas Jerzembeck, der Vantana-Fachmann des Hobby-Werks, erklärt die Innereien des langen Fahrzeugs. Auf 6,36 Meter gruppieren sich Fahrer- und Beifahrersitz, ein kleiner Esstisch mit einem Bänkchen, Küche, Bad und zwei Betten. Eine Wohnung auf vier Rädern. Das Fahrzeug wird seit 2015 gebaut. Es sei für „Best Ager“ gedacht, sagt er.
„So so, wir sind jetzt also ,Best Ager‘“, sagt Lucie wenig erfreut auf der Rückfahrt nach Hamburg. Ich sage: „Ich glaube, wir testen das erst einmal – wie das Auto.“
Das Auto ist gewöhnungsbedüftig
Das Auto ist gewöhnungsbedürftig. Harte Kupplung, die mit Macht durchgetreten werden will. Eng beieinander liegende Gänge, die zum Verschalten einladen. Bis Tempo 80 hat man schon fünf der sechs Gänge durch. Der Diesel brummt, in meinem Rücken knarrt und ächzt eines der kleinen Hängeschränkchen unterm Dach. Mühsam nimmt der Vantana die 120-Stundenkilometer-Höhe. Man hat das Gefühl, da bringt einer gerade ein großes Opfer.
Dabei ist er ja noch gar nicht beladen. Das machen wir zu Hause in Hamburg. Erst mal alles ins Wohnmobil schmeißen, unter dem Bett und auf dem Bett ist vorerst genug Platz. Schwierig wird es bei den Fahrrädern. Zwar hat der „Wäntänä“ am Heck einen Träger. Aber wie bekommt man die Räder in die Halterung? Erster Beziehungstest. Räder mit Lenker nach rechts oder nach links auf die Schienen? Beides passt nicht. Wieso? Wir rätseln und sind genervt. Eigentlich wollten wir ja schon längst auf unserem ersten Wohnmobilplatz sein, wir wollten draußen sitzen und in die Landschaft gucken. Wann ist dieser falsche Film denn nun zu Ende?
Lucie findet die Lösung. Mit zwei Schraubgriffen lässt sich die Halterung so einstellen, dass die Räder zwar genug Abstand zum Wohnmobil haben, aber dennoch in den Klammergriff genommen werden können. Jetzt steht uns also absolut nichts mehr im Wege – nun gut, fast.
Plötzlich Felder, Schafe und Bauernhäuser
Wir geraten in einen Stau auf den Elbbrücken, wir fahren falsch ab und zicken uns an. Aber dann sind wir endlich auf dem Georgswerder Bogen. Wir passieren Deutschlands größte Kupferhütte, und zwei Minuten später sind wir in einer ganz anderen Landschaft. Links der Deich, rechts Felder, Bauernhäuser, Schafe. Am Ende der Straße der Stellplatz. Elbepark Bunthaus heißt er. Er liegt dort, wo sich Hamburgs großer Fluss in Norder- und Süderelbe trennt. Der freundliche Mann an der Rezeption zeigt uns den Platz, und schon stehen wir zwischen lauter Wohnmobilen und schauen auf die Elbe.
Ich gebe zu: Wir sind völlig ahnungslos. Der letzte Campingurlaub liegt Jahre zurück. Damals waren die Kinder noch dabei. Der Urlaub hat zu Veränderungen im familiären Sprachgebrauch geführt. Beim abendlichen Federballspiel wäre der Ball fast mit einer in die Quere kommenden Fledermaus verwechselt worden. Seitdem heißt das Spiel „Flederball“. Wir haben noch nie ein Wohnmobil gemietet. Schlimmer noch: Wir haben uns noch nie in einem Wohnmobil aufgehalten. Vielleicht, weil man als Großstadtbewohner, der in einem Parkplatznotstandsgebiet lebt, einen Widerwillen gegen große Fahrzeuge entwickelt. Vielleicht auch nur, weil keiner unserer Freunde ein Wohnmobil besitzt.
Wie also Strom an den Wagen kriegen? Unergründliche Adapterwissenschaft. Die Nachbarn helfen. Sie sind schon ein paar Tage hier. Er nutzt den Fluss zum Angeln, sie fischt Gefühl aus dem Strom. „Einmal im Jahr muss ich die Elbe sehen“, sagt sie, die aus Hamburg stammt und nun im nördlichen Schleswig-Holstein wohnt. Wir lernen: Wohnmobilisten helfen einander.
Es regnet, die Elbe wird nass, dann scheint wieder die Sonne. Ruhe. Auf dem Strom schiebt ein Schubverband vorbei und den Stress beiseite. Die ersten Mühen des Wohnmobillebens sind geschafft. Vom kleinen Restaurant her riecht es nach Bratkartoffeln. Morgens soll es dort frische Brötchen geben.
Das Wohnmobil für den Selbstversuch wurde dem Abendblatt vom Hobby-Wohnwagenwerk in Fockbek zur Verfügung gestellt. Am Montag lesen Sie: Erste Tage an der Bunthaus-Spitze