Hamburg. Auf Parkplätzen sind nur Erholungspausen erlaubt. Wir erholen uns vorm Altonaer Rathaus. Fünfter Teil des Selbstversuchs.
Seltsam, wie leicht der Vantana plötzlich zu fahren ist. Wir haben das ElbeCamp am Falkensteiner Ufer verlassen und wollen die Nacht zum Donnerstag in freier Wildbahn verbringen – vulgo: am Straßenrand parken und schlafen. Das ist nicht ganz legal, wird aber von vielen Wohnmobilisten exzessiv betrieben. Nicht jeder Mensch ist für Gemeinschaftstoiletten und Gemeinschaftsduschen geboren.
Wer für sich bleiben will, der sucht einen Wohnmobilstellplatz da, wo es ihn eigentlich gar nicht gibt. Und auf dem Weg zu einem solchen Platz macht der „Wäntänä“ plötzlich eine prima Figur. Er ruckelt nicht beim Anfahren, er findet die Gänge fast von selbst, er nimmt anmutig die Wittenbergener Höhen. Vielleicht habe ich mich an ihn gewöhnt. Vielleicht er sich an mich.
Rechtlich in einer Grauzone
Rechtlich bewegen wir uns von nun an in einer Grauzone. Zwar darf ich den Vantana durchaus am Straßenrand parken, aber ich darf nicht tagelang in ihm übernachten. Erholungspausen von längstens zehn Stunden sind erlaubt. Danach gleite ich in die Illegalität ab. Vor allem: „Campingähnliches Leben wie das Herausstellen von Tischen und Stühlen gilt als verkehrsfremd und darf beim Parken und Übernachten nicht stattfinden.“
Erster Teil des Selbstversuchs
Zweiter Teil des Selbstversuchs
Dritter Teil des Selbstversuchs
Vierter Tel des Selbstversuchs
So formulierte es einst der ADAC in einem Ratgeber. Tut man es doch, liegt eine Sondernutzung vor, und die muss natürlich behördlich genehmigt werden. „Verkehrsfremd“ will ich durchaus nicht sein, also werden weder Tisch noch Stuhl auseinandergeklappt. Der Vantana wird fast wie ein Sprinter aussehen. Und die stehen ja zu Tausenden in Hamburg herum.
Vor diesem Freistilcampen muss allerdings noch etwas erledigt werden, das mit Freistil gar nichts zu tun hat. Der Fäkalientank harrt seiner Entleerung. Aber wie? Immerhin gibt es Bedienungsanleitungen. Der Vantana ist damit reichlich ausgestattet. Ich hätte mühelos alle Tage dieser Reise mit der Lektüre von Handbüchern verbringen können. Am Ende wäre ich wahrscheinlich bedient gewesen.
Außen am Wohnmobil gibt es eine Luke, die man öffnen muss, und dahinter einen Tank, den man dann herausziehen kann. Er erinnert mit seinen zwei Rädern entfernt an einen Plastikrollkoffer. Dennoch würde ich auf einem Flughafen wegen des abklappbaren Rohres und der knallblauen Belüftungstaste wohl verhaftet werden, bevor ich mit meinem Fäkalienkoffer das erste Klo erreicht hätte.
Hotelkosten, Taxikosten – alles wird eingespart
Auf dem Campingplatz ist ein Mann mit Fäkalientank kein Terrorist, sondern ein Wohnmobilist, der Verantwortung übernimmt. In meinem Fall unter erschwerten Bedingungen: Das ElbeCamp ist auf Sand gebaut, der Koffer kann deshalb nicht gerollert, sondern muss getragen werden. Also schleppe ich das nach fünf Tagen doch recht schwere Teil zu einem Verschlag mit der grellfarbenen Beschilderung „Chemietoilette“.
Der Rest ist dann überraschend einfach. Rohr abklappen, aufschrauben, Koffer ankippen, und schon fließt der Inhalt in ein metallisches Becken. Und weil der Fäkalientank vor der ersten Benutzung einen Schuss einer dunkelblauen Chemikalie bekommen hat, riecht es nicht einmal eklig, sondern ein bisschen wie frische Wäsche. Skurril!
Der Freistilcamper muss auf den Service eines Campingplatzes verzichten. Kein Strom, keine Klos, keine Entsorgung. Darauf kann man sich einstellen. Vorteil des Wildparkens: Man kann abends in Ruhe zu Fuß oder mit dem Rad ein Szenestadtteil erkunden oder ein Konzert besuchen. Der Weg zum Schlafplatz ist ja kurz. Die Tücken des ÖPNV kann man vergessen. Hotelkosten, Taxikosten – alles wird eingespart.
Wer auf diese Weise Städte kennenlernen will, dem hilft eine App: „park4night“ heißt sie. Jeder Wohnmobilist kann hier den Platz markieren, an dem er am Straßenrand ungestört übernachtet hat. Ein gewisser „Nessarius“ empfiehlt zum Beispiel die Straße Brook in der Speicherstadt: „Parken entlang der Häuser mit Blickrichtung zur Elbe und der Nikolaikirche. Am Wochenende kann man hier komplett kostenlos stehen. Sehr guter Zugang zum Zentrum“. Wir haben uns einen anderen Ort ausgesucht: den Parkplatz vorm Altonaer Rathaus. Ab 17 Uhr muss man kein Ticket mehr ziehen. Ist das was für „park4night“? Bald wissen wir mehr.
Das Wohnmobil wurde vom Hobby-Wohnwagenwerk in Fockbek zur Verfügung gestellt. Morgen: Eine Nacht vor dem Altonaer Rathaus