Hamburg. Die AfD-Fraktionschefs Jörn Kruse und Alexander Wolf über rechtsextreme Äußerungen, den Islam und einen Politikausstieg.

Es war ein temperamentvolles, ja streckenweise hitziges Gespräch: Einmal stand das Sommer-Interview mit Jörn Kruse und Alexander Wolf, den AfD-Fraktionsvorsitzenden in der Bürgerschaft, am Rande des Abbruchs. Da ging es um die Frage, ob einzelne Äußerungen von AfD-Mitgliedern rassistisch seien. Auch die beiden waren nicht immer einer Meinung: Während Kruse in der AfD einen Rechtsruck sieht, wies Wolf das zurück.

Herr Kruse, fühlen Sie sich noch wohl in Ihrer Partei?

Jörn Kruse: In der Hamburger Partei, speziell in der Fraktion, fühle ich mich sehr wohl. Auf Bundesebene habe ich gelegentlich meine Zweifel.

Immerhin wirft Ihnen AfD-Landeschef Dirk Nockemann parteischädigendes Verhalten vor, weil sie den anderen Parteien „Argumente auf dem Silbertablett servieren, um die gesamte AfD zu diffamieren“. Ein schwerer Vorwurf ...

Kruse: ... der aber komplett ins Leere geht. Ich habe die Partei nicht diffamiert. Im Gegenteil: Ich habe betont, dass es ganz viele seriöse Konservative gibt, die mit beschmutzt werden durch einzelne Leute wie Herrn Steinke, der den Hitler-Attentäter Stauffenberg als „Verräter“ bezeichnet hat. Das kann ich schwer ertragen.

Der AfD-Landesvorstand um Landeschef Dirk Nockemann hat beschlossen, ein Parteiordnungsverfahren gegen Sie mit dem Ziel der Abmahnung einzuleiten. Was sagen Sie dazu?

Kruse: Ich glaube, dass Herr Nockemann im Wesentlichen die Sache so sieht wie ich, mit der Ausnahme, dass er meinen Vorwurf an den Bundesvorstand, nicht schnell genug reagiert zu haben, für verfrüht hielt. Das kann ich nachvollziehen – im Gegensatz zu seinen überzogenen Folgerungen. Er meinte wohl, er müsste mit Blick auf die nächsten Parteiwahlen so handeln, weil er wiedergewählt werden will. Das erklärt vermutlich 90 Prozent seiner Vorgehensweise.

Sie haben den beiden AfD-Bundesvorsitzenden Alexander Gauland und Jörg Meuthen parteischädigendes Verhalten vorgeworfen, Herr Kruse, weil sie sich nicht klar genug von Steinke distanziert haben.

Kruse: Um nicht drei Tage an den Idioten Steinke denken zu müssen, habe ich sofort eine E-Mail geschrieben. Das musste ich aus Psychohygiene tun. Zu diesem Zeitpunkt wusste ich nicht, ob sich der Bundesvorstand in geeigneter Weise äußern würde. In der Vergangenheit hatte er das häufig nicht getan. Diesmal war es anders. Gauland und Meu­then haben sich schnell und deutlich genug geäußert und ein Parteiaus-schlussverfahren gegen Herrn Steinke eingeleitet.

Wolf: Ich muss jetzt mal dazwischengehen. Es ist höchst unfair, dass Sie immer wieder versuchen, auf einem Gegensatz herumzureiten, der so nicht besteht. Wir sind uns alle einig, was wir von den Äußerungen von Herrn Steinke zu halten haben. Worum es hier allein geht, ist, dass Jörn Kruse zum einen vorgeprescht ist, anstatt intern darauf hinzuwirken, dass die zuständigen Bundes- und Landesgremien schnell und entschlossen handeln. Und zum anderen, dass er die Parteiführung auf Bundesebene dabei öffentlich attackiert hat. Daher der einstimmige Beschluss des Hamburger Landesvorstands, ein Parteiordnungsverfahren einzuleiten.

Halten Sie das Parteiordnungsverfahren gegen Herrn Kruse denn nicht für nötig?

Wolf: Ich möchte mich dazu jetzt hier nicht weiter äußern.

Herr Kruse, Sie haben in der Partei angefangen, als sie noch eurokritisch war, und seitdem häufig gesagt, dass die AfD nach rechts gerückt ist. Fühlen Sie sich wie einer, der den Liberalen in einer sich radikalisierenden Partei vorspielen soll?

Kruse: Meine Antwort ist: Ich bin in die Bürgerschaft gewählt worden und werde diese fünf Jahre meine Arbeit machen. Übrigens sehr gern. Ich arbeite mit allen Mitgliedern meiner Fraktion gut zusammen. Das schließt Herrn Nockemann ein. Daneben bin ich gewissermaßen teilnehmender Beobachter. Ich beobachte, wie Demokratie konkret läuft, und überlege mir, wie man Demokratie noch besser machen kann.

Es klingt ein bisschen so, als ob sie abgeschlossen haben. Wollen Sie nach 2020 weiter Politik machen?

Kruse: Ich werde nicht weitermachen. Was der Reiz in den ersten Jahren war, ist zur Routine geworden. Ich habe dadurch viele hochinteressante Leute kennengelernt. Aber das tägliche Brot in der Bürgerschaft – das ist auch vom Niveau her so, dass ich das auf Dauer nicht brauche.

Und treten Sie auch aus der AfD aus?

Kruse: Darüber habe ich noch keine Entscheidung getroffen.

Immer wieder gibt es rechtsextremistische, ausländerfeindliche und rassistische Äußerungen von AfD-Mitgliedern, teilweise in Führungspositionen. Warum passiert das?

Wolf: Ich muss hier entschieden widersprechen, wie Sie das darstellen. Das hat mit der Realität fast nichts zu tun. Es sind wenige Einzelfälle, die medial sehr hochgespielt werden. Wir sind eine junge Partei, da sind einige Leute in die erste Reihe gespült worden, die da nicht hingehören.

Kruse: Ich möchte etwas zu dem Begriff rassistisch sagen, den Sie verwendet haben. Das stimmt mit Bezug auf die AfD nicht. Wir differenzieren auch dort, wo andere es nicht tun. Zum Beispiel, wenn es um das Verhältnis zur Gewalt oder um das Verhältnis zwischen Mann und Frau geht. Beides und etliches mehr wird von Menschen, die zum Beispiel aus dem Irak zu uns kommen, im Regelfall ganz anders gesehen als von uns. Wenn wir das, was jeder weiß, auch öffentlich sagen, kommt sofort der Vorwurf, wir seien Rassisten. Das ist kompletter Unsinn.

Wir dachten bei dem Wort „rassistisch“ zum Beispiel an eine Äußerung von Alexander Gauland, der gesagt hat, dass man die frühere Staatssekretärin Aydan Özoguz in Anatolien entsorgen solle.

Wolf: Das ist doch eine Diskussion, die Sie hier aufwärmen, die vor Monaten schon geführt wurde. Der Begriff „Entsorgung“ war nie problematisch und wurde auch von linken Politikern für Personen verwendet – skandalisiert wurde es erst, als Gauland den Begriff verwendet hat.

Warum Anatolien, Aydan Özoguz ist doch Deutsche? Darauf kommt man doch nur, wenn man an ihre Herkunft, ihre Ethnie denkt.

Wolf: Zu der Gauland-Äußerung gibt es nichts weiter zu sagen. Lassen Sie uns über das eigentliche Thema reden, die Probleme, wenn unterschiedliche Ethnien und Kulturen aufeinanderprallen.

Kruse: Gaulands Äußerung war nicht rassistisch. Frau Özoguz hat als Migrationsbeauftragte der Bundesregierung desintegrierend gewirkt. Sie hat gesagt, dass man das Verhältnis zwischen Mi­granten und Deutschen täglich neu aushandeln müsse. Damit hat sie gesagt, dass nicht die deutsche Rechtsordnung gilt, sondern wir dauernd neu darüber reden müssen. Gauland hat im Wahlkampf eine flapsige, polemische Äußerung gemacht, die ich so nicht machen würde.

Wie können Sie begründen, dass eine deutsche Politikerin nach Anatolien entsorgt werden soll?

Wolf: Jetzt reiten Sie schon wieder darauf herum. Sie können es noch 17-mal fragen, und ich werde mich dennoch nicht äußern zu Gaulands Formulierung zu Frau Özoguz. Der Begriff rassistisch ist ein Kampfbegriff, der uns immer vorgehalten wird, wenn wir auf kulturelle und ethnische Unterschiede hinweisen. Das ist aber nicht rassistisch. Rassistisch wäre es, zu sagen, die eine Kultur sei höherwertiger als die andere.

Kruse: Viele, die aus der Türkei zu uns kommen, sind im Kopf anders als wir. Sie haben vielleicht den deutschen Pass, aber sie fühlen Loyalität zu ihrer alten Heimat, vielleicht auch zum Diktator in Ankara.

Frau Özoguz?

Kruse: Nein, nicht Frau Özoguz. Der Fall Özil aber ist doch ein Beispiel für eine gespaltene Loyalität. Und das ist ein Problem für ganz viele.

Wolf: Die wirkliche Frage betrifft die ethnischen Unterschiede. Können wir diese Menschen integrieren, sodass wir weiterhin ein Gemeinwesen mit unseren Wertvorstellungen haben werden oder nicht? Ein Christ ist leichter in unsere Kultur zu integrieren als ein Moslem. Wenn wir feststellen, dass von den in Hamburg lebenden Türken fast 60 Prozent Erdogan wählen, dann sehen wir, dass Integration dabei ist, zu scheitern.

Auf der anderen Seite ist die AfD auch nach Einschätzung von Herrn Kruse immer weiter nach rechts gerückt und zudem gerade in Zeiten radikaler Äußerungen in den letzten Jahren immer stärker geworden.

Wolf: Erstens ist die Partei nicht nach rechts gerückt.

Das hat Herr Kruse so gesagt.

Wolf: Das ist vielleicht seine Einzelmeinung. Sehen Sie: Steinke – Parteiausschlussverfahren. Und André Poggenburg trat zurück nach seiner Kameltreiber-Äußerung.

Aber Björn Höcke ist nach wie vor AfD-Mitglied.

Wolf: Er ist aber nicht Mitglied des Bundesvorstands und hat keine Mehrheit auf dem Bundesparteitag. Es gibt keinen Rechtsruck.

Der Vorwurf ist, dass Sie beides abdecken: Es gibt bundesweit sehr rechte Äußerungen, was andere bei Ihnen wie Herr Kruse dann wieder kritisieren. Das ist ein bisschen „good guy, bad guy“. Ist das eine Strategie der AfD?

Kruse: So raffiniert ist die Partei nicht. Manche sagen Dinge aus Unvorsichtigkeit oder weil sie provoziert werden. Ich kenne viele Parteifreunde auf Bundesebene und kann auch deren intellektuelle Fähigkeiten einschätzen. Dahinter steckt kein Kalkül.

Sie üben scharfe Kritik an den Verträgen der Stadt mit den muslimischen Verbänden. Warum?

Kruse: Die Erfahrungen haben gezeigt, dass die Verträge nicht das gebracht haben, was man sich erhofft hat. Die Stadt hat viel geliefert, die erhoffte Integration ist aber nicht eingetreten. Das aus dem Iran gesteuerte IZH (Islamisches Zen­trum Hamburg, die Red.) schickt jedes Jahr Funktionäre zur antiisraelischen und antisemitischen al-Quds-Kundgebung. Hamburg hat sich falsche Partner gesucht, nämlich die radikalen.

In der Schura, die Vertragspartner ist und in der das IZH mitarbeitet, arbeiten Schiiten und Sunniten zusammen. Das ist wohl einmalig und gilt als große Errungenschaft.

Kruse: Hier sind die Muslime in der Minderheit, da ist das Gemeinsame vielleicht größer als das Trennende. Man muss bei der Diskussion aber auch sehen, dass der bisherige Leiter der Blauen Moschee des IZH, Ayatollah Ramezani, gleichzeitig Mitglied des höchsten religiösen Rates in Teheran war. Die Mullah-Diktatur, die im Iran ihrer Bevölkerung Übles antut, hat also unmittelbaren Durchgriff auf Europa und Hamburg.

Wolf: Ramezani ist auch bekannt für die Aussage: „Demokratie und Islam sind nicht miteinander vereinbar.“ Sein Nachfolger war Revolutionswächter im Iran. Mit solchen Leuten kann man die Integration der Muslime in unsere Gesellschaft sicher nicht voranbringen. Das gilt auch für die Ditib, die aus der Türkei finanziert und gesteuert wird und ein Sprachrohr von Erdogan ist.

Ein Problem scheint zu sein, dass es kaum andere mögliche Partner gibt. Muslime sind nicht so hierarchisch organisiert wie christliche Kirchen. Mit wem wollen Sie in wichtigen Fragen wie dem gemeinsamen Religionsunterricht an Schulen kooperieren?

Kruse: Ich hätte da einen Vorschlag: Alle Muslime wählen eine eigene Vertretung. Und mit der setzt man sich dann zusammen – und nicht mit Radikalen. Ditib ist ja nun überhaupt keine Vertretung „der“ Muslime – sondern Handlanger der türkischen Erdogan-Regierung. So verhalten die sich auch.

Sie sitzen seit 2015 in der Bürgerschaft. Welche Erfolge rechnen Sie sich an?

Wolf: Wir bringen Themen ins Bewusstsein, die sonst keine Rolle spielen würden. Etwa, dass über 5000 ausreisepflichtige Ausländer in Hamburg leben, die nicht ausreisen und nicht ausgewiesen werden. Und dass die Aufnahme von Flüchtlingen die Stadt Hamburg allein im Jahr 2016 mehr als 800 Millionen Euro gekostet hat – das ist etwa so viel, wie die Elbphilharmonie während ihrer gesamten Bauzeit uns gekostet hat.

Was hätten Sie denn gemacht? Hätten Sie zu den Geflüchteten gesagt: Rückt enger zusammen in den Containern?

Wolf: Die Menschen waren ja nur da, weil sie rechtswidrig von der Bundeskanzlerin ins Land gelassen wurden.

Das behauptet die AfD immer wieder. Der Europäische Gerichtshof hat das 2017 anders bewertet. Es gab ein sogenanntes Selbsteintrittsrecht in einer humanitären Notlage an der Grenze.

Wolf: Es war offenkundig rechtswidrig. Man hätte die Menschen zurückweisen müssen.

Welches Urteil gibt es dazu?

Wolf: Es gibt mehre Gutachten dazu, etwa von den ehemaligen Verfassungsrichtern Papier und Di Fabio.

Gutachten kann es viele unterschiedliche geben. Aber ein Gericht hat nie festgestellt, dass die Aufnahme der Flüchtlinge rechtswidrig war.

Wolf: Weil nicht jedermann das Bundesverfassungsgericht anrufen kann. Eine Landesregierung könnte das. Der bayerische Papiertiger hat zwar gebrüllt, aber die Staatsregierung hat dann doch nicht das Verfassungsgericht angerufen.

Was ist Ihr Wahlziel bei der Bürgerschaftswahl 2020?

Wolf: Wir wollen gestärkt in die Bürgerschaft einziehen, als starke bürgerlich-konservative Kraft. Unser Ziel ist es, zweistellig zu werden.