Hamburg. Der Sterne-Chef aus dem Harz kocht als fünfter Gast im Abendblatt-Restaurant. Schon jetzt können Sie für sein Menü reservieren.
Mit Volldampf in die deutsche Küche! Robin Pietsch pflügt Rezepte einmal durch – und macht neue Kunststückchen daraus. Und fröhlich wird es auch noch mit dem Koch und Restaurantbesitzer aus Wernigerode in Sachsen-Anhalt. Der Mann bringt aus dem Harz einen Michelin-Stern mit, und man könnte ihn „Patron“ nennen, doch mit seinen Gästen kommt er sofort zum freundlichen Du.
Der 30-Jährige kocht als fünfter Gast an der Elbe bei: „Hamburger Abendblatt – Das Restaurant im Louis by Thomas Martin & Friends“. Schon jetzt können Plätze reserviert werden für das Pietsch-Menü vom 15. bis 25. September. Mit grünem Spargel, Lachsforelle, Hecht, Stör, Heidschnucke, Kirschen und mehr schwelgt Pietsch in Kindheitserinnerungen, und so beginnt es auch – mit einer Art Ü-Ei.
Zu Beginn eine Überraschung aus Eis und Spargel
Denn was sich in dem Schälchen des ersten Ganges befindet, ist eine Art Zabaione, eine Schaumcreme mit Eigelb. Darunter verbergen sich als Überraschung ein Eis aus grünem Spargel, Stangenerbsen und Spargelspitzen. Auf dem Ei liegt ein „Sand“ aus süß-salzig karamellisierten Sonnenblumenkernen und frischen Waldmeisterblättern.
Ein bisschen knusprig ist das und verbindet leichte Cremigkeit mit der angenehmen Kühle des Eises. Eine kulinarische Überraschung, die froh macht und perfekt in ein Pop-up-Restaurant passt. Und dieser Wein passt mit einer perfekten Balance zwischen Frische und Fülle besonders gut zum Spargel: Silvaner Retzstadt trocken, VDP-Weingut Rudolf May. Thomas Martin sagt über den ersten Gang: „Das ist modern: Hinter einer schlichten Beschreibung steckt viel.“
Hinter der Kochphilosophie von Robin Pietsch steckt noch viel mehr. Er verwendet fast ausschließlich lokale Produkte, greift auf Großmutters (Einmach-)Rezepturen zurück und ist selbstbewusst genug, ostdeutsche Spezialitäten wie „Pickles“ neu zu erfinden und das Ganze wie bei den Rittersleut’ als „Brotmahlzeit“ in einer sehr ordentlichen Portionsgröße zu servieren.
Robin Pietsch kocht besonders fein und leicht
Zu einem heißen „Landbrot“ von einem befreundeten Bäcker aus Wernigerode gibt es – mageren! – Schweine- und Ziegenschinken, aufgeschlagene Butter (mit Cordifol und Basilikumblüten), gepickelte Radieschen und Kohlrabi sowie geschnittene Kresse. Essenlust pur. Einfach wundervoll!
Zwei-Sterne-Koch Thomas Martin freut sich: „Das Pop-up-Restaurant bringt die Möglichkeit, tolle Kollegen und deren Kochkünste kennenzulernen. Das macht viel Spaß.“ An der Küche von Robin Pietsch schätze er besonders die „Feinheit und Leichtigkeit“ der Gerichte.
Das zeigt auch der zweite Gang, der zwar deftig klingt, jedoch bei der Präsentation von allen Gästen gut angenommen wurde. Im Weinglas: Riesling trocken, Gundheim Hungerbiene, Weingut Peth-Wetz. Mit einer fast tropischen Frucht passt dieser Riesling gut zur deftigen Brotmahlzeit.
Sterneküche, wie man sie erwartet
Der zweite Zwischengang bringt dann wirklich leichte Kost: „Lachsforelle – Hecht & Stör, Bärlauch vom Vorjahr, gelbe Bete“ heißt er. Das ist nun Sterneküche, wie man sie erwartet, vielfältig, perfekt auf den Punkt angegart, umwerfend gut gewürzt und mit leichter Hand komponiert. Hier zeigt der Koch, was er alles gelernt hat. Die Lachsforelle wurde mit etwas Salz confiert, die Forellenfilets geräuchert. Vervollständigt mit (in Essig) eingelegten Bärlauchknospen und getrockneten Bärlauchknospen.
Auch der Stör wurde confiert, dazu gibt es Erdbeeren und einen Velouté-Schaum. Besonders bleiben bei der Pietsch-Präsentation in der HafenCity Kleinigkeiten in diesem Gang: kleine Mürbteigtartes mit Frischkäse, Hechtkaviar, Dillöl, Meerrettich und getrocknete Holunderblüten.
„Wir legen Kräuter wie schon unsere Großmütter in Essig oder Salzlösung ein“, sagt der Koch. „Allerdings legen wir Wert auf die besten Kräuter aus der Region.“ Die Suche danach habe lange gedauert. „Bis wir die Familie Kind in Ilsenburg gefunden haben, die uns mit tollen Produkten von ihrer Streuobstwiese versorgt.“ Wie zum Beispiel die Holunderblüten oder auch mal Löwenzahn. Das Zusammenspiel der drei Fische verlangt Tiefe im Wein. Genau das kann der Chardonnay „Catalpa“, Bodega Atamisque.
Auf dem Teller liegt ein bunter Blumenstrauß
Beim folgenden Gang muss uns Thomas Martin helfen. „Heidschnucke, Rote Bete, Petersilienwurzel“ heißt er. Auf dem Teller scheint ein bunter Blumenstrauß zu liegen: Rot, Gelb, Grün, Dunkelviolett und Ocker sind die Farben und treiben dem Gericht optisch jegliche Langweiligkeit aus. Die Heidschnucke im Zentrum – das sind geschmorte Zickleinbäckchen von einem Ziegenhof in Rodersdorf. Dazu Brunnenkressepesto, frische Brunnenkresse, Schafgarbe, Aniskraut, in Balsamico eigelegte Johannisbeeren und mehr.
Für die Erklärung, wie in der Sternenküche so ein tolles Püree entsteht, braucht Thomas Martin, der mit viel Spaß am Tisch sitzt, lange. Entscheidend: die Produktion mit einer Multifunktions-Küchenmaschine von einer Wuppertaler Unternehmensgruppe (die man häufig in Sterneküchen findet) und der Trick mit der Butter. Martin: „Am Schluss wird kalte Butter dazugegeben und verarbeitet.“ Der Grenache Noir, Serre Romani, schafft es wunderbar, mit seiner Vielschichtigkeit die kräftigen Aromen der „Heidschnucke“ einzufangen.
Dessert stammt scheinbar aus Blumen- und Bettenläden
Zum Dessert wird es lustig, denn Robin Pietsch bittet um „die Esshand“ der Gäste, die er an der Oberseite mit Whiskey aus einer Sprühflasche bestäubt. „Kirsche, Whiskey und Honig“ heißt der Gang in gewohnter Schlichtheit. Es folgt eine gewagte Komposition von Produkten, die der Koch beim Konditor, aber auch im Blumengeschäft, im Garten und im Bettengeschäft beschafft haben könnte.
Es funktioniert tatsächlich! Das Kirscheis harmoniert mit der rohen Gartengurke, essbaren Blüten (Füchschen und Nelken) und der Honighippe. Dazu gibt es ein Macaron gefüllt mit Kirschbuttercreme. In einem Schälchen wird ein kleines weißes Ding serviert, das sich nach dem Hinzugeben von heißem Wasser entfaltet – aufpoppt! – und ein Minihandtuch für die Reinigung der Whiskeyhand ist. Dazu gibt es einen Sherry Oloroso seco „Faraon“, Hidalgo. Gerd Rindchen: „Dieser Sherry gehört mit seinen Aromen von Karamell, Tabak und Rosinen zu den größten Köstlichkeiten Andalusiens.“
Zusammenfassend empfehlen wir Robin Pietsch allen Gourmets, die einen schauspielerisch hochbegabten Sonnyboy mögen, der verdammt gut kochen kann. Schade, dass der Mann nur ein paar Tage in Hamburg auftritt.