Hamburg. Zollgebäude auf der Veddel wurden unter Schutz gestellt. Politiker wollen Wohnungen bauen – Revanche für Abriss der City-Hochhäuser?
Denkmalschutz ist in Hamburg ein häufig diskutiertes Thema und immer wieder Anlass für Diskussionen. Jetzt gibt es auch Streit unweit der Elbbrücken. Nach Abendblatt-Informationen wurde die ehemalige Zollanlage Veddel an der Tunnelstraße unter Denkmalschutz gestellt. Das geht auch aus einem Schreiben von Andreas Kellner, Leiter des Denkmalschutzamts der Kulturbehörde, an das LIG (Landesbetrieb für Immobilienmanagement und Grundvermögen) hervor.
Die rot-grüne Koalition im Bezirk Mitte wurde nach eigenen Angaben von dieser Entscheidung überrascht und ist sehr verärgert: „Das ist ein Schildbürgerstreich von Andreas Kellner, der nur noch als Frechheit bezeichnet werden kann und umgehend zurückgenommen werden muss. Es ist eine Farce, diese maroden Gebäude unter Denkmalschutz zu stellen“, sagte Grünen-Fraktionschef Michael Osterburg dem Abendblatt. Dabei handelt es sich um seit drei Jahren leer stehende Abfertigungsgebäude und ein weiteres Gebäude des ehemaligen Zollamts Veddel, das aktuell von der HafenCity Universität genutzt wird. Das Ensemble wurde in den 50er-Jahren gebaut. Auch der SPD-Stadtentwicklungsexperte Tobias Piekatz übt scharfe Kritik: „Die Entscheidung des Denkmalschutzamts ist boshaft und überhaupt nicht nachvollziehbar.“
350 Wohnungen könnten entstehen
Der Unmut hat einen Grund. Große Pläne könnten scheitern, wenn der Denkmalschutz nicht wieder aufgehoben wird: „Die Politik und der Bezirk Mitte beschäftigen sich bestimmt schon seit sieben Jahren mit der Fläche der ehemaligen Zollanlage Veddel, und es herrscht Einigkeit darüber, dass die rund neun Hektar für bis zu 350 dringend benötigte Wohnungen, Büros und vor allem auch Einzelhandel genutzt werden sollen“, sagt der Bezirksabgeordnete Piekatz.
Grünen-Politiker Osterburg betont: „Es ist für die Entwicklung der Veddel notwendig, dass auf dem Areal der alten Zollanlage Wohnungen, Einzelhandel und Büroflächen entstehen.“ Noch deutlicher wird SPD-Vizefraktionschef Klaus Lübke, der auf der Veddel lebt: „Mit seiner Entscheidung stellt das Denkmalschutzamt die Unterversorgung eines ganzen Stadtteils unter Schutz, bringt uns um die Früchte jahrelanger Arbeit. So verliert das Amt an Glaubwürdigkeit, Akzeptanz und Fürsprechern.“
Das sind Hamburgs wichtigste Denkmäler
Auch Oberbaudirektor Fritz-Josef Höing geht auf Distanz: „In den Konzepten für die nördliche Veddel geht es immer auch um eine Aufwertung der bestehenden Wohnquartiere, durch neue Grünflächen und Lärmschutz. Vor diesem Hintergrund ist ein möglicher Erhalt der Veddeler Zollanlagen zu bewerten. Die Nachricht über die Prüfung zur Schutzbedürftigkeit der Zollanlagen habe ich mit entsprechender Sorge zur Kenntnis genommen.“
Die Position des Denkmalschutzamts ist klar: „Der Komplex des ehemaligen Zollamts Veddel ist ein städtebaulich und architektonisch markantes Zeugnis des ehemaligen Hamburger Freihafens. Als Dokument Hamburgischer Geschichte ist es daher aus Denkmalsicht erhaltenswert“, sagte Sprecher Enno Isermann. Der Hamburger Freihafen wurde 2013 aufgegeben.
Unterdessen erhebt Fraktionschef Osterburg schwere Vorwürfe gegen Andreas Kellner. Das sei eine Retourkutsche des Denkmalschutzchefs, da dieser sein Ziel nicht erreicht habe, die City-Hochhäuser am Klosterwall zu erhalten. Die unter Denkmalschutz stehenden Gebäude werden in Kürze abgerissen, zuvor hatte es darüber eine jahrelange Diskussion gegeben.
Abwägung unterschiedlicher Interessen
Das Areal der ehemaligen Zollanlage Veddel gehört der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA). Aber das könnte sich bald ändern: „Wir sprechen mit dem BImA darüber, was ein Ankauf des Areals kosten würde. Wir benötigen dringend Wohnraum, und das wäre ein passender Standort“, sagte Dirk Kienscherf, Fraktionschef der SPD in der Bürgerschaft, dem Abendblatt.
Unterdessen hat der Stadtentwicklungsausschuss der Bezirksversammlung Mitte am vergangenen Mittwoch schon mal beschlossen, dass das Areal der ehemaligen Zollanlage Veddel Potenzial für bis zu 350 Wohnungen bietet. Der Denkmalschutz könnte aufgehoben werden, wenn das durch die Senatskommission entschieden wird. Aber vielleicht rudert auch Denkmalschutzchef Kellner zurück. Sein Sprecher Isermann sagt: „Das Denkmalgesetz sieht ausdrücklich eine Abwägung unterschiedlicher öffentlicher Interessen vor und nennt hier insbesondere Belange des Wohnungsbaus.“