Hamburg. Anstelle der Esso-Häuser entstehen 200 Wohnungen, ein Hotel sowie öffentliche Sport- und Aussichtsplattformen.
Das nennt man dann wohl einen vortrefflichen Kompromiss. Dort, wo noch vor Jahren die Esso-Hochhäuser samt 24 Stunden lang geöffneter Tankstelle dem Kiez einen ganz eigenen Charme gegeben haben, soll nun „ein lebenswertes Stück St. Pauli entstehen, das seinen Bewohnern und Nutzern das Gefühl geben wird, es sei schon immer da gewesen“. So jedenfalls formulierte es Bernhard Taubenberger von der Bayerischen Hausbau, dem Eigentümer des Areals, das künftig Paloma-Viertelheißen soll.
Das klingt ein wenig nach Friedenstaube. Dabei verlief der jahrelange Beteiligungsprozess zwischen Investor, Bezirk, Politik und Bürgern um die Entwicklung dieses ungemein attraktiven Quartiers am Spielbudenplatz alles andere als harmonisch. „Es gab diverse Tiefpunkte, und wir standen auch mehrfach vor dem Abgrund“, sagte Taubenberger. 30 Verhandlungsrunden habe es gegeben. „Mit und ohne Moderator, mit Tischen und auch ohne – im Stuhlkreis.“ Schließlich sei dieser umworbene Platz auf St. Pauli nach dem Abriss der maroden Esso-Häuser, die im Dezember 2013 geräumt worden waren, für sehr viele Menschen eine Art „Sehnsuchtsort für alle unerfüllten Wünsche von Politik und Stadtteil“ geworden.
25 Jahre Mietpreisbindung
Mühsam und schmerzhaft seien die Verhandlungen gewesen, sagen alle Beteiligten. Von einer Kröte, die geschluckt werden musste, sprachen die Initiativen mit Blick auf das Hotel. Von einer Immobilienwirtschaft, die nur mit der Aussicht auf wirtschaftlichen Gewinn funktioniert, die Eigentümer. „Nun aber haben wir die wichtigste Klippe umschifft“, sagte Taubenberger.
Das Paket für die Neubebauung ist sozusagen geschnürt. Das Verhandlungsergebnis ist jetzt Grundlage für den städtebaulichen Vertrag, der im Herbst unterzeichnet werden und dann die bauliche Umsetzung ermöglichen soll. „Und das kann sich wirklich sehen lassen“, sagte Bodo Haffke, Baudezernent im Bezirk Mitte.
Ausgehandelt wurde ein wahrlich dicht bebautes Quartier mit einem bunten Mix aus Wohnen und Hotel (150 Zimmer), kleinen Läden und großem Supermarkt, Gastronomie und Musikclub, sozialen Einrichtungen und öffentlich zugänglichen Dachlandschaften. Insgesamt werden auf dem Areal zwischen 180 und 200 Wohnungen entstehen, 60 Prozent öffentlich gefördert und mit einer Mietpreisbindung von 25 Jahren, üblich sind eher 15 Jahre. Dort werden die Mieten also bei knapp fünf Euro pro Quadratmeter liegen. 15 Prozent dieser Wohnungen sind außerdem mit Dringlichkeitsschein zu bekommen, fünf Wohnungen sind für Jugendliche in Ausbildung geplant.
Anregungen von Bürgern
Auch für die 40 Prozent frei finanzierten Mietwohnungen gilt ein 25-jähriges Aufteilungsverbot, so lange dürfen sie nicht in Eigentumswohnungen umgewandelt werden. Dort werden die Mieten sicherlich deutlich über zehn Euro liegen. Zusätzlich sollen 30 Wohnungen durch eine förderfähige Baugemeinschaft erstellt werden, die allerdings noch gefunden werden muss.
Entscheidend zum Gelingen beigetragen haben rund 2300 Bürger, die mit vielfältigen Anregungen auf die Neubebauung unmittelbar Einfluss genommen haben. Auf ihre Initiative hin wird es auch, sozusagen als Herzstück des Viertels, eine Quartiersgasse geben. Eine öffentliche Passage, die das Viertel durchzieht, als eine Art kulturelle Begegnungsmeile. Auch die geplante große Kletterwand am Hotel entspringt dem Ideen-Pool der St. Paulianer.
Außerdem wird das Molotow in den neuen Gebäudekomplex einziehen. Der Musikclub bekommt zwei Konzertsäle: einen für 150 Besucher und einen weiteren im Untergeschoss für 350 Gäste. Es wird subventionierte Gewerberäume geben, die Durchschnittsmiete für die gewerblichen Nutzer soll bei 12,50 Euro pro Quadratmeter liegen.
Ein buchstäblicher Höhepunkt sind für die meisten auch die öffentlichen Dachlandschaften, die allenfalls den Genehmigungsbehörden noch einiges Kopfzerbrechen bereiten werden. Es soll ein Basketball- und ein Skater-Dach geben sowie weitere Flächen für den weiten Blick über Kiez und Hafen.
„Hier kann ein tolles neues Stück Stadt entstehen, vorausgesetzt, diese Flächen werden wirklich langfristig dem Stadtteil zugänglich gemacht“, sagte Sabine Stövesand von der Initiative Esso-Häuser. Endlich seien auch einmal Orte für Kinder und Jugendliche mitgedacht worden. Auch die Forderung, dass alle ehemaligen Mieter, die zurückwollen, das nun auch können, sei erfüllt worden.
2019 könnte mit dem Bau begonnen werden
Läuft alles weiter nach Plan, könnte 2019 mit dem Bau begonnen werden. „Rund zwei Jahre später wäre die Fertigstellung“, sagte Bodo Haffke, der genau wie Bernhard Taubenberger die PlanBude als Vertreterin der Stadtteilinitiativen lobte. Als Anwältin des sogenannten St. Pauli Codes, der auch langfristig günstigen Raum für Subkultur und soziale Einrichtungen sichert.
„Dieser Beteiligungsprozess ist ja nicht im Baugesetz verankert“, sagte Christoph Schäfer von der PlanBude. Aber er könne beispielhaft werden und Maßstäbe setzen für die zukünftige Entwicklung von kleinen und großen Quartieren: „Und zwar dann, wenn man es als Politiker vermeiden will, dass die Ärmeren und die Reichen irgendwann in völlig verschiedenen und getrennten Welten leben.“