Hamburg. Vom 8. bis 10. September sind etwa 140 Objekte für Besucher zugänglich. Einige Orte, deren Besuch sich besonders lohnt.
Vor 33 Jahren hat der damalige französische Kulturminister Jack Lang „Tage der offenen historischen Monumente“ initiiert, freilich ohne zu ahnen, was für eine Erfolgsgeschichte daraus werden würde. Nachdem bald mehrere Länder dem französischen Beispiel gefolgt waren, begründete der Europarat 1991 die „European Heritage Days“.
Zwei Jahre später übernahm die Deutsche Stiftung Denkmalschutz die Koordination für den „Tag des offenen Denkmals“, der in der Bundesrepublik jeweils am zweiten Wochenende im September begangen wird und Millionen Menschen die Chance bietet, Denkmäler zu besuchen, die normalerweise nicht so leicht zugänglich sind. Doch scheint das diesjährige bundesweite Motto „Macht und Pracht“ auf den ersten Blick nicht so richtig für das bürgerliche Hamburg mit seiner Tradition als Stadtrepublik zu passen.
Repräsentationbedürfnis auch in Hamburg
Andreas Kellner sieht das anders. „Der Mythos von der Hamburgerin, die den Pelz nach innen trägt, ist bestenfalls halb wahr, denn in den vergangenen Jahrhunderten lässt sich auch in Hamburg durchaus ein gewisses Repräsentationsbedürfnis beobachten. Das geschah oft subtil, manchmal aber auch ganz offenkundig, wie die hoch aufragenden Türme der Hauptkirchen oder auch das Hamburger Rathaus mit seiner repräsentativen Architektur zeigen“, sagt Hamburgs oberster Denkmalpfleger.
Und Irina von Jagow, die Geschäftsführerin der Stiftung Denkmalpflege Hamburg, die den Denkmaltag gemeinsam mit dem Denkmalschutzamt in der Stadt organisiert, hebt noch einen anderen Aspekt hervor. „An dem 1903 bis 1913 am Besenbinderhof errichteten Gewerkschaftshaus lässt sich zum Beispiel auch die Macht und das Selbstbewusstsein der organisierten Arbeiterklasse zu Beginn des 20. Jahrhunderts ablesen.
Vielfältiges kulturelles Angebot
Dabei bringt das Gebäude zugleich ein Repräsentationsbedürfnis zum Ausdruck, das vielfältige kulturelle Angebote mit einschließt“, erklärt die Denkmalexpertin. Und so repräsentieren die mehr als 140 dieses Jahr ins Programm aufgenommenen Kirchen, Rathäuser, Villen, Mietshäuser, Kontorhäuser, Kasernen, Gärten und Parks nicht nur die Macht, sondern auch deren Kehrseite, nicht nur das Repräsentationsbedürfnis der reichen Kaufleute, sondern auch die Lebensumstände der Beherrschten. Wie das Beispiel der KZ-Gedenkstätte Neuengamme zeigt, beinhaltete Macht oft auch Gewalt, Repression und Verfolgung.
Und wie wird der Denkmaltag in Hamburg angenommen? „Wir haben ständig steigende Besucherzahlen, 2016 kamen sogar erstmals mehr als 30.000“, sagt Irina von Jagow, die gerade auch unter jüngeren, Online-affinen Menschen ein gewachsenes Interesse am Denkmalschutz beobachtet. Auch Andreas Kellner spürt ein größeres Bewusstsein für dieses Thema, das sich seiner Meinung nach 2018 noch einmal kräftig verstärken dürfte, denn dann wird auf dem ganzen Kontinent das „Europäische Jahr des Kulturerbes“ begangen.
Hier stellen wir einige Orte vor, deren Besuch sich an diesem Wochenende besonders lohnt.
Letzte Ruhestätte für Glaubensflüchtlinge
Seit 1575 kamen Mennoniten nach Altona, weil sie des Glaubens wegen in ihrer Heimat verfolgt worden waren. Für die Stadt und die Flüchtlinge war das eine Win-win-Situation, da die Mennoniten hier sicher waren und zugleich zum wirtschaftlichen Aufschwung Altonas beitrugen. Dennoch dauerte es noch mehr als ein Jahrhundert, bis sie 1678 in Bahrenfeld ihren ersten eigenen Friedhof eröffnen konnten.
Historischer Mennonitenfriedhof, Holstenkamp 80/82, Öffnungszeit: Sa/So 10–18 Uhr, Führungen: Sa 14, 15 und 16 Uhr
Hamburgs erste Betonglasfenster
Die 1956 eingeweihte Paul-Gerhard- Kirche in Bahrenfeld ist eines der markantesten Bauwerke der Nachkriegsmoderne in Hamburg. Der von Alfred Behrmann und Otto Andersen entworfene Stahlbetonbau ist im Innenraum auf Altar und Kanzel ausgerichtet. Besonders sehenswert sind die von Claus Wallner entworfenen Betonglasfenster, eine Technik, die hier erstmals in Hamburg zur Anwendung kam.
Paul-Gerhard-Kirche Bahrenfeld, Bei der Paul-Gerhard-Kirche 2, Öffnungszeit: Sa/So 15–18 Uhr. Führung: jeweils 15.30 Uhr
Arbeitermacht und Gewerkschaftspracht
Aus heutiger Sicht ging es im 1903 bis 1913 errichteten Gewerkschaftshaus am Besenbinderhof ziemlich bürgerlich zu. Natürlich wurden hier Streiks, Arbeitskämpfe und Demonstrationen vorbereitet, aber es gab auch ein Restaurant und einen prächtigen Musiksaal für Konzerte und Tanzveranstaltungen. Der komplett restaurierte Saal, den man jetzt bei zwei Führungen erkunden kann, zeugt von einer wechselvollen Geschichte und vom kulturellen Anspruch der Gewerkschaften.
Gewerkschaftshaus, Besenbinderhof 57a, Führung: So 14 und 15.30 Uhr
Der dunkle Schatten der Macht
Von den 100.000 Menschen, die während der NS-Zeit in Neuengamme inhaftiert waren, fanden 42.900 den Tod. Sie wurden ermordet oder starben an den unmenschlichen Bedingungen der Lagerhaft. Heute erinnert die KZ-Gedenkstätte auf dem historischen Lagergelände an jene, die die NS-Machthaber hier gequält und ermordet haben. Ein Rundgang führt auch zu Schauplätzen, an denen die brutale Macht der SS-Wachmannschaften sichtbar wird.
KZ-Gedenkstätte Neuengamme, Jean-Dolidier-Weg 75, Öffnungszeit: Fr 9.30– 16 Uhr, Sa/So 12–19 Uhr, Führung So 15 Uhr
Von der Zirkusarena zum Theatersaal
Artisten treten hier schon lange nicht mehr auf, obwohl dieser architektonisch außerordentlich reizvolle Rundbau 1889 bis 1891 für den Circus Busch errichtet wurde. Ursprünglich fasste der Zuschauerraum etwa 1000 Menschen. Später diente die „Schilleroper“ als Theater, bevor sie in der Nachkriegszeit unterschiedlich genutzt wurde und dann allmählich verfiel. Heute kämpft eine Anwohnerinitiative um die Erhaltung der denkmalgeschützten Rotunde, leider mit ungewissem Ausgang.
Schilleroper, Bei der Schilleroper, Führung So 13 und 15 Uhr
Ein imposanter Bau für die Rechtsprechung
Die Judikative, die als dritte Gewalt im Staat bezeichnet wird, residiert in Hamburg im Justizforum am Sievekingplatz. Im Zentrum des repräsentativen Gebäudeensembles steht das 1912 fertiggestellte Hanseatische Oberlandesgericht mit seiner weithin sichtbaren Kuppel. Das eindrucksvolle und gut sanierte Bauwerk, das bis heute seiner ursprünglichen Bestimmung dient, geht auf die um die Jahrhundertwende viel beschäftigte Architektenfirma Lundt & Kallmorgen zurück.
Hanseatisches Oberlandesgericht, Sievekingplatz 2, Führungen: Sa 11 und 12 Uhr
Reformarchitektur am Harvestehuder Weg
Das 1926 bis 1928 für den Reeder Ricardo Sloman erbaute Wohnhaus war hier das erste Rotklinkergebäude im Reformstil. Stilistisch korrespondiert es nicht mit den benachbarten historistischen Villen, wohl aber mit der nur unweit entfernten Krugkoppelbrücke. Heute dient das denkmalgeschützte Haus als Residenz des Generalkonsuls der Arabischen Republik Ägypten. Der Denkmaltag bietet Besuchern erstmals die Chance, diese eindrucksvolle Villa zu besichtigen.
Residenz des ägyptischen Generalkonsuls, Harvestehuder Weg 50, Fr 15–18 Uhr
Ein Monument der sozialen Fürsorge
Das vom Bauverein zu Hamburg 1912 errichtete Ledigenheim trug Anfang des 20. Jahrhunderts dazu bei, die soziale Not durch den hier zur Verfügung gestellten Wohnraum zu lindern. Nach langen Verhandlungen und dem Sammeln von Spenden ist es der Stiftung Ros im Februar gelungen, das Gebäude aus dem Portofolio eines Immobilienfonds herauszukaufen. Damit ist der Weg frei für eine denkmalgerechte Sanierung bei behutsamer Ergänzung der sozialen Angebote um neuzeitliche Komponenten.
Ledigenwohnheim, Rehhoffstraße 1–3, Öffnungszeit Sa 10 bis 18 Uhr
Abendliches Konzert mit Licht und Wasser
In der warmen Jahreszeit lockt die Wasserlichtorgel allabendlich viele Besucher an den Parksee von Planten un Blomen. Wie zwei Künstler das „Lichtklavier“ mit 762 Scheinwerfern und das „ Wasserklavier“ mit 99 Düsen zur Musik vom Band „bespielen“, können Besucher aus erster Hand erfahren. Die Wasserlichtorgel wurde zur IGA 1973 aufgebaut und 2002 generalüberholt. Der Hauptstrahl erreicht eine Höhe von 36 Metern.
Wasserlichtorgel, St. Petersburger Str. 28, Parksee. Öffnungszeit des Spielerpavillons Sa 14–16 Uhr, nach Bedarf auch Führungen
Das Programm Die Auftaktveranstaltung am 8. September in der Hauptkirche St. Jacobi steht unter dem Titel „Kirche, Staat und Bürgertum – Macht und Pracht in Hamburg“. Dabei geht es u. a. um die Umwandlung der Kirchenräume im Zuge der Reformation. Die Veranstaltung, zu der alle Interessierten eingeladen sind, beginnt um 16 Uhr und dauert bis ca. 19.45 Uhr. Schüler des Gymnasiums Klosterschule haben mit Unterstützung der Deutschen Stiftung Denkmalschutz Hamburgs Bahnhöfe erforscht. Ihre Ausstellung trägt den Titel „Eine Großstadt wird mobil“ und ist nur am 8. September von 16 Uhr an in der Hauptkirche St. Jacobi zu sehen. Studierende haben Perspektiven für den Ohlsdorfer Friedhof entwickelt. Die Schlusspräsentation ihres Workshops „Zwischen Andacht und Nutzungswandel“ beginnt am 9. September, 18 Uhr in der Fritz-Schumacher-Halle des Ohlsdorfer Friedhofs. Zum Familienprogramm gehört am 10. September eine Kinderrallye in der Wasserkunst Elbinsel Kaltehofe (10 bis 18 Uhr). Das Programmheft mit allen Terminen und Infos liegt in vielen Kulturinstitutionen aus. Denkmäler, die erstmals teilnehmen, sind gekennzeichnet. Erhältlichi ist es auch digital unter www.denkmalstiftung.de |