Hamburg . Gutachten: Denkmalgeschütztes Gebäude ist doch sanierungsfähig. Linkspartei und Anwohner fordern den Senat auf, zu handeln.

Was soll mit der Schilleroper geschehen? In der Diskussion um den denkmalgeschützten Rundbau auf St. Pauli treten Behörden, Politik und Eigentümerin seit Jahren auf der Stelle. Die Kulturbehörde möchte sie erhalten, die Politik forciert Wohnungsbau bei gleichzeitigem Erhalt des Gebäudes, die Eigentümerin plant Neubauten. Nach einem ersten, von der Eigentümerin bestellten Gutachten, das den Bau für nicht sanierungsfähig hält, und einem zweiten von der Kulturbehörde, das dem widerspricht, liegt jetzt eine dritte Stellungnahme vor. Diese wurde von der Stadtentwicklungsbehörde in Auftrag gegeben. Das Fazit des ausführenden Ingenieurbüros: Die Stahlkon­struktion aus dem 19. Jahrhundert ist zwar stark angegriffen, aber sanierungsfähig.

Gutachten unbekannt

Die Frage, wie man mit dieser Auskunft umgeht, scheint die Behörden zu überfordern. Wie sonst ist zu erklären, dass das Gutachten, das bereits Anfang April vorlag, bislang nicht bekannt ist? Die Pressestellen von Denkmal- und Stadtentwicklungsbehörde wussten davon nichts, bis das Abendblatt nachfragte. Die Fraktionsvorsitzende der Linken, Heike Sudmann, wurde dagegen schon am 9. April über die Existenz der Stellungnahme informiert. Sie hatte sich zuvor in einer Anfrage nach dem Stand der Dinge in puncto Schilleroper erkundigt.

Die Bausubstanz verfällt

Den Inhalt des Schreibens kennt von der Öffentlichkeit wohl nur die Schiller-Oper-Initiative. Durch die Sudmann-Anfrage aufmerksam geworden, verlangte sie auf Grundlage des Transparenzgesetzes Einsicht in die Stellungnahme. „Dort wird der kritische Zustand der Stahlkonstruktion bescheinigt. Schuld sind unzureichende Korrosionsschutzmaßnahmen und ein undichtes Dach“, sagt Sprecher Peter Keller. Die Initiative fordere schon seit Langem den bei Denkmälern vorgeschriebenen ausreichenden Witterungsschutz. Bislang ohne Erfolg. „Stattdessen“, befürchtet Keller, „verfällt die Bausubstanz weiter, bis eine Erhaltung unwirtschaftlich wird und es einen Freibrief zum Abriss gibt.“

5000 Unterschriften für den Erhalt der Schilleroper

Um Druck auf den Senat beziehungsweise das Bezirksamt zu machen, hat die Initiative mehr als 5000 Unterschriften für den Erhalt der Schilleroper gesammelt. Diese überreichten sie gestern Abend den Abgeordneten der Bezirksversammlung Hamburg-Mitte.

Auch Heike Sudmann will, dass schnell gehandelt wird. „Der Zustand der Schilleroper ist kritisch und wird sich weiter verschlechtern. Nicht die Eigentümerin, sondern das Denkmal muss durch den Senat geschützt werden.“ In einem Antrag fordert sie die Stadt daher auf, dafür Sorge zu tragen, dass die Eigentümerin die gebotenen Maßnahmen durchführt. Darüber hinaus soll die gutachterliche Stellungnahme veröffentlicht und der Bürgerschaft am 31. August über die getroffenen Schritte berichtet werden.

Wohnungsbau nötig

Rot-Grün in Hamburg-Mitte will in einem Zusatzantrag fordern, dass das Gutachten umgehend vorgestellt wird. „Erst dann kann man überlegen, wie es weitergehen soll“, sagt Grünen-Chef Michael Osterburg. Wohnungsbau sei an der Stelle dringend erforderlich – aber wenn es technisch möglich sei, müsse die Schilleroper erhalten bleiben.

Wie die Kulturbehörde am Abend mitteilte, werden derzeit intern die Möglichkeiten zur Sicherung des Denkmals geprüft. „Die Stellungnahme kommt zu dem Schluss, dass eine unmittelbare Gefährdung der Standsicherheit zwar nicht ersichtlich sei, empfiehlt aber, einen weiteren Eintrag von Feuchtigkeit zu unterbinden“, so Sprecher Enno Isermann. „Wir hoffen, uns mit den Eigentümern auf eine denkmalgerechte Nutzung der Schilleroper verständigen zu können.“ Die Eigentümerin möchte anonym bleiben und hat die Schilleroper GmbH mit ihren Interessen beauftragt. Deren Geschäftsführer war gestern für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.

Intransparenz beklagt

Die erneute Intransparenz bei einem Gebäude von öffentlichem Interesse ärgert Heike Sudmann. „Im Juli 2017 hat Bezirksamtsleiter Droßmann betont, dass die Bürger und Bürgerinnen ‚extrem frühzeitig‘ über die Planungen informiert würden.“ Damals waren die Neubaupläne des Investors bekannt geworden, die wegen ihrer Höhe nachgebessert werden sollten. Gleichzeitig wurde das dritte Gutachten angefordert.