St. Pauli. Eigentümer stellt Neubau mit mehr Geschossen als erlaubt vor. Mitte-Chef Droßmann pflichtet Anwohner bei. Weiteres Gutachten?
Die Pläne für das Neubau-Projekt Schilleroper werden konkreter. Am Dienstagabend stellte Falko Droßmann, Leiter des Bezirksamts Hamburg-Mitte (SPD), die aktuellen Pläne öffentlich vor. Er betonte, dass es sich bisher nur um Ideen des Eigentümers handele und noch kein Bau- oder Abrissantrag vorliege. Das Interesse an der Veranstaltung war groß: Etwa 250 Menschen waren in die Berufsschule St. Pauli am Millerntor-Stadion gekommen, darunter waren Vertreter des Denkmalschutzamtes und des Eigentümers.
Bezirkspolitiker wie Michael Osterburg, Fraktionsvorsitzender der Grünen in Hamburg-Mitte, wünschen sich an dieser Stelle nach 70 Jahren Leerstand eine „Wohn- und Arbeitsnutzung sowie Flächen für soziokulturelle Nutzung“. Dem kommt der Eigentümer in Teilen nach. Er plant ein Ensemble aus drei verklinkerten Einzelgebäuden. Eines davon soll eine Rotunde werden, die der alten Schilleroper nachempfunden ist. Daneben sind ein zehn- und ein sechsgeschossiges Gebäude geplant. Der Innenhof soll als zentraler Ort der Begegnung beibehalten werden, unter dem Gebäudekomplex ist eine Tiefgarage geplant.
Droßmann stimmt Anwohner-Kritik zu
„Mindestens drei der zehn Geschosse sind Traumtänzerei“, warf der Anwohner Georg Möller ein – und Falko Droßmann gab ihm recht: „Der aktuelle Entwurf ist so noch nicht genehmigungsfähig. Nach dem Bebauungsplan sind nur sieben Geschosse möglich.“ Das müsse überarbeitet werden. Entworfen wurde der Neubau vom Schweizer Architekten Max Dudler.
Um seine Pläne zu verwirklichen, will der Eigentümer des Zirkusbaus aus dem 19. Jahrhundert das historische Gebäude auf St. Pauli abreißen lassen, obwohl es seit 2012 unter Denkmalschutz steht. Das wird von Anwohnern und Denkmalschützern heftig kritisiert.
Bezirksamtsleiter für Erhalt des Altbaus
Auch Droßmann stellte klar: „Falls es technisch möglich ist, bin ich für einen Erhalt.“ Darüber herrscht aber noch Unklarheit. Denn während das von einer Stahlkonstruktion gehaltene runde Gebäude nach einem vom Eigentümer in Auftrag gegebenen Gutachten zu marode ist, um erhalten zu werden, kommen Abrissgegner zu einem anderen Ergebnis. Enno Isermann, Sprecher der Kulturbehörde: „Das Gutachten erscheint uns auf den ersten Blick nicht plausibel.“ Das Denkmalschutzamt habe die Stahlkonstruktion 2007 durch Professor Werner Lorenz von der BTU Cottbus umfangreich begutachten lassen. Dabei habe sich gezeigt, dass diese in einem guten, beziehungsweise sanierungsfähigen Zustand ist.
Sorgt weiteres Gutachten für Klarheit?
Für Klarheit soll jetzt ein drittes, unabhängiges Gutachten sorgen, das laut Droßmann in den nächsten drei Monaten vom Amt für Bauwesen und Hochbau erstellt wird. Die Vorsitzende des Denkmalvereins, Kristina Sassenscheidt, setzt sich für das Gebäude ein: „Die Schilleroper hat als letzter erhaltener fester Zirkusbau aus dem 19. Jahrhundert in Deutschland eine große geschichtliche Bedeutung.“ Die Neubau-Entwürfe würden den Eindruck erwecken, dass kaum historische Substanz erhalten werden soll. Denkmalschutz würde sich jedoch nicht wie vom Eigentümer suggeriert, auf „Geist und Charakteristik“ eines Gebäudes beziehen, sondern auf die Originalsubstanz. „Wenn Gutachten deren Erhaltensfähigkeit bei der Schilleroper belegen, gibt es keinen Grund, sie nicht zu bewahren“, sagte Sassenscheidt dem Abendblatt.
Grünen-Fraktionschef Osterburg dagegen sagt: „Es muss endlich vorangehen. Das ehemalige Theater- und Zirkusgebäude verfällt immer weiter, während die Fläche für den Stadtteil ungenutzt bleibt.“
Vertreter der Anwohnerinitiative Schilleroper kritisieren die Haltung von Osterburg und Droßmann: „Die Argumentation, dass nur mit einem Abriss der Schilleroper der ,dringend benötigte, bezahlbare Wohnraum‘ auf St. Pauli entstehen kann, ist ein Brechstangen-Argument. Wir fordern, dass die Schilleroper nicht einfach finanzkräftigen Investoren überlassen wird, ohne die Öffentlichkeit in die Planung einzubeziehen.“