Hamburg. Neue Belastungen für Mieter und Eigenheimbesitzer sollen vermieden werden – SPD und Grüne sind über Verfahren uneins.

So viel Einigkeit bei einem wichtigen politischen Thema ist selten: Nachdem das Bundesverfassungsgerichts (BVG) am Dienstag die Erhebung der Grundsteuer in ihrer bisherigen Form für verfassungswidrig erklärt hatte, waren sich Politiker fast aller Parteien ebenso einig wie Mieter- und Grundeigentümerverbände: Auf keinen Fall dürfe die Neuregelung zu steigenden Kosten für Mieter und Eigenheimbesitzer führen.

„Das Wohnen in einer Stadt wie Hamburg muss für alle bezahlbar bleiben, auch für Menschen mit geringem Einkommen“, betonte Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD). Das klang bei der Opposition nicht anders: „Durch die Neuregelung darf es nicht zu Mehrbelastungen für Mieter und Eigentümer in Großstädten wie Hamburg kommen“, sagte etwa CDU-Finanzexperte Thilo Kleibauer. Auch Vertreter von Grünen, Linkspartei und FDP in der Bürgerschaft äußerten sich ähnlich. Wenn es um die Frage ging, wie denn eine Neuregelung aussehen könnte, die gerecht und verfassungskonform ist, ohne neue Belastungen mit sich zu bringen, gingen die Meinungen jedoch selbst im rot-grünen Regierungslager auseinander.

Leitartikel: Eine Frage der Gerechtigkeit

Auf der anderen Seite gewinnt Tschentschers Sichtweise immer mehr Anhänger. Schon Anfang des Jahres hatte der damalige Finanzsenator zusammen mit seinem bayerischen Kollegen vehement vor der von 14 Bundesländern beschlossenen Neuregelung gewarnt, weil die Neuberechnung der uralten Einheitswerte die Grundsteuer in Hamburg im Schnitt um das Zehnfache anheben würde. „Einige Menschen könnten sich eine Wohnung in Hamburg vermutlich gar nicht mehr leisten“, sagte Tschentscher damals im Abendblatt.

Stattdessen plädierte er für ein Flächenmodell, in dem die von Spekulationen und Marktschwankungen beeinflussten Grund- und Immobilienwerte keine Rolle spielen. Was damals noch relativ ungehört verhallte, hat nun gute Chancen auf Umsetzung – auch, weil es innerhalb der vom Verfassungsgericht gesetzten Frist bis Ende 2019 umzusetzen wäre. „Um nicht einen Ausfall der Grundsteuer für die Städte und Gemeinden zu riskieren, brauchen wir nun eine einfach umzusetzende Lösung“, sagte der neue Finanzsenator Andreas Dressel (SPD). Auf Hamburgs Vorschlag treffe das zu, außerdem sei das Flächenmodell „gerecht und für alle nachvollziehbar“, so Dressel. Wenn er sich am Mittwochabend in Berlin mit den Kollegen der Finanzministerkonferenz zum „Kamingespräch“ trifft, dürfte er bereits erstmals die Werbetrommel rühren.

Unterstützung aus Niedersachsen

Unterstützung bekommt er dabei inzwischen von Niedersachsens Finanzminister Reinhold Hilbers (CDU), vom Bundesverband der Deutschen Indus­trie (BDI), von Grundeigentümerverbänden und vom Verband norddeutscher Wohnungsunternehmen (VNW): „Jetzt entscheiden die Politiker, ob Tausende Menschen in den nächsten Jahren ihr angestammtes Zuhause verlieren, weil sie die Miete nicht mehr bezahlen können“, sagte VNW-Direktor Andreas Breitner, der 332 Genossenschaften mit 746.000 Wohnungen in Norddeutschland vertritt. Um das Ziel zu erreichen, Mieter nicht weiter zu belasten, sei „Hamburgs Vorschlag bestens geeignet“: Daher appellierte Breitner: „Die Landesregierungen von Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern müssen jetzt im Bundesrat den Vorschlag Hamburgs unterstützen.“

In Kiel stößt dieser jedoch auf wenig Begeisterung. Finanzministerin Monika Heinold (Grüne), die mit Tschentscher beim Thema HSH Nordbank noch sehr eng und vertrauensvoll zusammengearbeitet hatte, erlaubte sich sogar einen kräftigen Seitenhieb in Richtung Hamburg: „Leider sind alle Versuche zu einer Reform der Grundsteuerbemessung bislang an politischen Widerständen anderer Länder gescheitert“, sagte sie mit Blick auf die Ablehnung Hamburgs und Bayerns im Bundesrat. Wie sie sich eine Neuregelung vorstellt, sagte Heinold zwar nicht, deutete aber an, dass nun die Grundstücke „neu zu bewerten sein“ werden. Mit anderen Worten: Das Hamburger Modell ohne Wertansätze findet nicht ihre Zustimmung.

Grüne wollen ein Bodenwertverfahren

Das gilt überraschend auch für die Grünen in der Hansestadt, immerhin Koalitionspartner der SPD. „Wir werden uns bei den anderen Bundesländern dafür einsetzen, dass eine Neuregelung als Bodenwertverfahren ausgestaltet wird, das dann deutlich geringere Auswirkungen auf die Mietkosten nach sich ziehen würde“, sagte deren finanzpolitischer Sprecher Farid Müller. Dieses Modell, das sich an Grundstücksgröße und Bodenwert orientiert, wird von Naturverbänden wie dem Nabu forciert. Durch eine Bodensteuer würden ungenutzte Grundstücke deutlich höher belastet, und es sei „weniger Neubau auf der grünen Wiese erforderlich“, so Nabu-Bundesgeschäftsführer Leif Miller.

Ähnliche Vorstellungen hat der Mieterverein zu Hamburg: Bei allen Modellen, die in der Diskussion seien, würden „auf jeden Fall Mieter in den Ballungsräumen, in denen die Grundstückspreise in den letzten Jahren regelrecht explodiert sind, zu den Verlierern gehören“, sagte dessen Vorsitzender Siegmund Chychla. Er fordert daher, dass Mieter von der Zahlung der Grundsteuer nach der Betriebskostenverordnung „grundsätzlich befreit“ werden. Stattdessen sollte die Grundsteuer allein von den Eigentümern für ihr Vermögen gezahlt werden.