Hamburg. Weiterhin setzt das Theater auf Tradition – und Erneuerung. Was sich in der Saison 2018/19 noch ändern soll.

Man könnte es ja glatt als Bekenntnis werten. Als kulinarisches Eingeständnis einer gewissen liebevoll-bodenständigen Vorgestrigkeit. Denn zur Vorstellung des neuen Spielplans und gleichzeitigen Rückschau auf die erste Saison des neuen Intendanten gibt es am Ohnsorg-Theater: Hackbrötchen. Mit ordentlich Zwiebeln.

Das sollte man nicht missverstehen.

Auch auf der Bühne ist man am Heidi-Kabel-Platz zwar der Tradition verpflichtet. Begriffe wie „Heimat“ und „Lokalverbundenheit“ werden hier ganz selbstverständlich in den Mund genommen. Allerdings versteht man am Ohnsorg-Theater – und nicht erst, seit Michael Lang im letzten Sommer das Ruder übernahm – Kontinuität „nicht im Sinne von Stillstand, sondern von kontinuierlicher Weiterentwicklung“.

“Die größten Fehler macht man im Erfolg“

Michael Lang, der zuvor die Komödie Winterhuder Fährhaus geleitet hatte, setzt den schon von Vorgänger Christian Seeler eingeschlagenen Kurs der sanften Erneuerung fort. Und zwar nachdrücklicher. Das habe ihm, gesteht er nun, in der ersten Saison nicht nur Zuspruch, sondern auch deutliche Kritik bis hin zu Abo-Kündigungen eingebracht, auch wenn das Theater derzeit eine ordentliche Auslastung von 75,4 Prozent für die noch laufende Saison im Großen Haus ausweist. Einer der Kritikpunkte: dass das Ohnsorg zum Teil Vorstellungen anbietet, die nicht mehr rein plattdeutsch sind, sondern einen Hochdeutschanteil haben.

Die Zweisprachigkeit (etwa bei „Romeo un Julia“ zum Spielzeitauftakt oder in der Komödie „Allens Düütsch – oder wat?“) ist jedoch ein bewusster Weg, auch neues Publikum an das Plattdeutsche heranzuführen. „Plattdüütsch för Anfängers“ eben, wie eine andere Produktion den Kurs gleich im Titel führte, Modernisierung zur Bewahrung.

„Die größten Fehler macht man im Erfolg“, weiß Lang, „dem wollen wir vorbeugen.“ Der Intendant nennt unter anderem das Beispiel des ebenfalls regionalsprachlichen Kölner Millowitsch-Theaters, das Ende März schließen muss: „Anders als diese Bühne hat sich das Ohnsorg seit Jahren weiterentwickelt.“

Publikum soll Heimat neu entdecken

Und auch in der kommenden Saison 2018/19 will das Hamburger Volkstheater „Themen der Zeit aufgreifen“, erzählt durch norddeutsche Figuren, „mit denen man sich identifizieren kann“. „Wir möchten, dass die Menschen ihre Heimat neu entdecken“, sagt Lang, und sein designierter Oberspielleiter Murat Yeginer, der Frank Grupe in dieser Funktion ablöst, bestätigt: „Wir wollen am Ohnsorg auch ein Spiegelbild der Gesellschaft schaffen.“

Lachen darf man dabei nach wie vor – ja, und auch Schenkel klopfen. Zur Spielzeiteröffnung am 26. August inszeniert Harald Weiler die Komödie „Kalenner-Deerns“ nach dem Film „Kalender Girls“, die am Winterhuder Fährhaus (damals mit Brigitte Grothum und Manon Straché) bereits 2012 ein Erfolg war. Diesmal spielen unter anderem die Publikumslieblinge Sandra Keck, Beate Kiupel und Meike Meiners.

Auf die nackten Tatsachen der Kalenner-Deerns folgt der Auftakt einer bereits locker vereinbarten Reihe von Siegfried-Lenz-Dramatisierungen. Nach und nach will das Ohnsorg dessen großen Romane op Platt auf die Bühne bringen, „De Mann in’n Stroom“ macht in der Regie von Murat Yeginer am 30. September den Anfang.

Am Ohnsorg sollen mehr Frauen inszenieren

Die Gaunerkomödie „Hartenbreker“, ein Lustspiel von Walter Hasenclever, feiert am 11. November Premiere, „De dresseerte Mann“ von John von Düffel nach dem Bestseller von Esther Vilar am 13. Januar 2019. Hier gibt Milena Paulovics ihren Einstand als Regisseurin. Bewusst sollen am Ohnsorg künftig mehr Frauen inszenieren (also: mehr als früher – nicht mehr als Männer).

Meike Harten zum Beispiel, die die Uraufführung „De verdüvelte Glückskeks“ von Sönke Dresen verantwortet. Das Stück ist im Entstehen, die Premiere im März 2019. Es folgen „Adam sien Appeln“ (nach dem Film „Adams Äpfel“, Regie: Murat Yeginer) und „Butter bi de Fisch“ (Regie: Ayla Yeginer).

Das traditionell hochdeutsche Weihnachtsmärchen ist in diesem Jahr „Max und Moritz“. Und auch mit Heidi Mahler, die mit dem Klassiker „Tratsch im Treppenhaus“ deutschlandweit unterwegs ist, spricht Michael Lang über eine neue Zusammenarbeit – allerdings aus dispositorischen Gründen erst für die Saison 2019/20.

Am kleinen, aber feinen Ohnsorg-Studio werden unter der Leitung von Cornelia Ehlers Erfolgsproduktionen wie „Nipplejesus“ mit Oskar Ketelhut und das bezaubernde Kinderstück „Lütt Aant“ wieder aufgenommen, hinzu kommen die Neuinszenierung „De lütte Herr Jemine“ nach dem Bilderbuch von Manfred Schlüter und ein „Sprachkonzert“ unter dem Titel „Mittenmang“. Eine nicht näher benannte „großzügige“ Fördersumme gibt die neu gegründete Bodo Röhr Stiftung. Sie hat sich verpflichtet, das Ohnsorg-Studio über fünf Jahre kontinuierlich zu unterstützen, und ist damit nun „größter privater Förderer“ des Theaters.

Das Motto der kommenden Spielzeit lautet „Ohnsorg neu erleben“. Aber auch Stammbesucher müssen keinesfalls fürchten, dass nun alles anders wird. Kulinarisch jedenfalls bleibt man sich treu: Nach den Premieren werden, so ist es gute Ohnsorg-Tradition, Bockwürste und Kartoffelsalat serviert.