Hamburg. Im Ohnsorg-Studio feierte „Buten vör de Döör“ eine eindringliche Erstaufführung

Im November 2017 stand Wolfgang Borcherts „Draußen vor der Tür“ wieder einmal im Blickpunkt – anlässlich des 70. Jahrestages der Uraufführung in den Hamburger Kammerspielen. Sein einziges Theaterstück hatte der Eppendorfer Dichter – er starb einen Tag vor der Premiere – im Winter 1946/1947 in nur acht Tagen geschrieben. Ursprünglich war es ein Hörspiel, doch bis heute gilt es als eines der wichtigsten Nachkriegsdramen überhaupt.

Diesen Aspekten auf kleiner Bühne gerecht zu werden, noch dazu in einer Regionalsprache, ist ein hehres Anliegen. Das Ohnsorg-Studio hat es gewagt – und gewonnen, wie die mit minutenlangem Beifall bedachte plattdeutsche Erstaufführung von „Buten vör de ­Döör“ zeigte. Regisseur Ingo Putz und Dramaturgin Cornelia Ehlers haben ihre Fassung auf drei überzeugende Schauspieler konzentriert. Und Ehlers’ Idee, auch hochdeutsche Parts einzubauen, um so Wandel und Ablehnung zu dokumentieren, der Heimkehrer Beckmann in der Nachkriegs-Gesellschaft begegnet, beugt der Gefahr vor, Plattdeutsch als verniedlichend zu empfinden.

Wie begraben liegt Beckmann unter einem Dutzend Matratzen, dieser Stapel bildet die schlichte, aber variable Kulisse (von Marie Labsch). Der Unteroffizier hat Mühe, auf die Beine zu kommen, nicht nur, weil sein linkes Knie lädiert ist. Zurück in Hamburg, ruft den Traumatisierten die Elbe, doch sie will den lebensmüden Heimkehrer nicht. „Ik will pennen“, sagt Beckmann oft – die Türen öffnen sich ihm kaum.

Holger Dexne gibt seinem Beckmann immer mehr tragische Facetten. Die Verzweiflung, der Krieg, die Angst vor Tod, die Resthoffnung auf Leben, all das spiegelt sich in seinen Augen, in seiner mal lauten und aggressiven, dann leisen und brüchigen Stimme, in der ganzen Körperhaltung. Dexnes Spiel ist eindringlich und berührend, wirkt nie aufgesetzt – selbst dann nicht, wenn er sich mit schwarzem Stift die Gasmaskenbrille nachmalt, über die sich seine Mitmenschen stets aufs Neue mokieren.

In jenen Nebenfiguren, die Beckmann teils im Traum begegnen, gelingt den zudem als Geräuschemachern involvierten Birte Kretschmer und Oskar Ketelhut ein verblüffender Wandel, ebenso im Wechsel von Platt- ins Hochdeutsche und retour. Besonders originell ist Ketelhuts mit drei Brillen hantierender Kabarett-Direktor, bei dem Beckmann vergeblich vorspricht. Dessen Worte klingen zynisch aktuell: „Mit der Wahrheit kommen Sie nicht weit. Damit machen Sie sich nur unbeliebt!“

Dass Beckmann und andere kurz vor Schluss aus ihren Rollen fallen und sämtliche Figuren noch mal auftauchen, hat Borchert gewollt. Indes lässt Regisseur Putz sogar Dexne („Ich mach das nicht mehr mit!“) aus der Rolle treten. Auch dieser Kunstgriff wirkt. Eine preisverdächtige Inszenierung.

„Buten vör de Döör“ bis 26.4., Ohnsorg- Studio, Karten zu 22,- unter T. 35 08 03 21