Hamburg. Hafenmanager trifft Umweltschützer: Ein Streitgespräch über die Elbvertiefung zwischen größtem Befürworter und schärfstem Kritiker.

Seit Jahren stehen sich der Präsident des Unternehmensverbands Hafen Hamburg (UVHH), Gunther Bonz, und der Hamburger Geschäftsführer des Bunds für Umwelt und Naturschutz (BUND), Manfred Braasch, unversöhnlich gegenüber. Der eine kämpft für die Elbvertiefung, der andere dagegen. Seit Anfang der Woche liegt die dritte Änderung der Planunterlagen für das Großprojekt öffentlich aus. Das Abendblatt bat den Hafenmanager und den Umweltschützer zum Streitgespräch.

Herr Bonz, Herr Braasch, die Planunterlagen zur Elbvertiefung liegen jetzt ein drittes Mal aus. Irgendwann soll der Planergänzungsbeschluss folgen. Geht es in diesem Jahr los?

Gunther Bonz: Davon gehe ich aus. Ob die Baggerarbeiten sofort beginnen, weiß ich nicht. Das kann sich noch um ein paar Wochen verschieben. Aber grundsätzlich sollte die Planergänzung rechtskräftig werden. Dann dauert es noch zwei Jahre, bis die Arbeiten abgeschlossen sind. Und die Umweltverbände sollten das auch begrüßen.

Wieso?

Bonz: Zum einen, weil neue Ausgleichsmaßnahmen geschaffen werden, was im Sinne der Naturschützer ist. Zum zweiten, weil nach der Maßnahme die großen Schiffe leichter in den Hamburger Hafen hineinkommen. Diese Schiffe sind jünger und stoßen geringere Mengen an Schadstoffen aus als die älteren. Zudem werden die neuesten Großschiffe mit verflüssigtem Erdgas angetrieben, was der Luftreinhaltung in Hamburg besonders helfen wird.

Manfred Braasch: Das kann man so nicht sagen, weil die Belastung der Stadt durch Stickoxide ja nicht nur vom Hafen abhängt. An der Habichtstraße entsteht die Belastung zu 80 Prozent durch den Verkehr vor Ort. Aber zurück zu Ihrer Ausgangsfrage: Wir haben gesagt, dass wir uns die neuen Planunterlagen sehr genau anschauen werden. Es geht ja nicht nur um die vom Bundesverwaltungsgericht geforderten Ausgleichsmaßnahmen auf der Billwerder Insel, wo etwas für den Schierlings-Wasserfenchel getan werden soll, sondern auch um zwei weitere Gutachten, die Fragen zur Versalzung der Elbe und zu Abgrenzungen von Ausgleichsmaßnahmen in Niedersachsen beantworten sollen. Das ist alles keine Petitesse. Zumal das Gericht eine neue Bilanzierung der Ausgleichsmaßnahmen gefordert hat. Wenn die neuen Unterlagen dem nicht genügen, dann werden wir uns überlegen, wie wir damit umgehen. Also hinter Baubeginn 2018 setze ich ein dickes Fragezeichen.

Wie groß ist denn die Warscheinlichkeit, dass Sie dagegen klagen?

Braasch: Da gibt es jetzt noch keine Prognose.

Bonz: Also ich dachte, die Umweltverbände hätten bereits im Sommer vergangenen Jahres ihren Frieden mit der Fahrrinnenanpassung gemacht...

Braasch (überrascht): Wieso das?

Bonz: Die Stadt hatte die Umweltverbände zu einem Informations- und Diskussionsgespräch über die geplante Maßnahme auf der Billwerder Insel eingeladen. Die Verbände haben ausnahmslos ihre Teilnahme abgesagt.

Braasch: Sie kennen aber auch die Begründung für die Absage ...

Bonz: Nein, wer sich dem Gespräch verweigert, ist entweder mit der Maßnahme einverstanden und verzichtet auf weitere Klagen, oder er führt anderes im Schilde.

Braasch: Das stimmt nicht. Das Gericht hat in seinem Urteil mehrere Mängel bei den Planungsunterlagen festgestellt und sie für rechtswidrig erklärt. Wir erwarten ein Gesamtkonzept, wie die Stadt und der Bund mit diesen Mängeln umgehen. Stattdessen erhielten wir eine Einladung zu einem Gespräch über die Ausgleichsmaßnahme Billwerder Insel. Solange wir keine Gesamtkonzeption kennen, macht es keinen Sinn Gespräche zu führen. Wir sind in der Folge nie wieder eingeladen worden. Das gehört auch zur Wahrheit. Im Übrigen haben wir immer gesagt, und sagen es noch, dass wir mit den Prognosen der Bundesanstalt für Wasserbau zu Strömungsänderungen nicht einverstanden sind. Darin werden wir von renommierten Wasserbauern unterstützt. Also werfen Sie uns hier bitte nicht Scheinheiligkeit vor!

Bonz: Das Gericht hat mehr als einmal deutlich gemacht, dass es das Gutachten der Bundesanstalt nicht in Zweifel zieht. Dass Sie sich bei einer so wichtigen Ausgleichsmaßnahme dem Gespräch verweigert haben, erweckt bei mir dass Gefühl, dass die Umweltverbände grundsätzlich gegen die Fahrrinnenanpassung sind.

Wird das die letzte Elbvertiefung sein?

Braasch: Es gibt doch bei der Hafenwirtschaft Überlegungen, dass die nächste Baggermaßnahme folgen sollte. Dass die immer größeren Schiffe auch künftig mit Restriktionen bei der Fahrt nach Hamburg rechnen müssen, man aber die Elbe nicht unendlich weiter vertiefen kann, sollte jedem klar sein. Das wäre dem Stromsystem nicht mehr zuzumuten, es stößt schon jetzt ohne die derzeit geplante Elbvertiefung an seine Grenzen. Nehmen sie nur die steigenden Sedimentablagerungen. Die sind doch jetzt kaum noch zu beherrschen und werden durch die Elbvertiefung weiter zunehmen.

Bonz: Erstens plant die Hafenwirtschaft derzeit keine weitere Elbvertiefung. Zweitens können wir unseren Kindern und Kindeskindern nicht jetzt schon vorschreiben, was in 20, 30 Jahren gut für sie ist. Drittens, man sollte nie nie sagen. Und viertens geht es bei der Fahrrinnenanpassung nicht nur um eine Vertiefung, sondern auch um eine Verbreiterung, um die Begegnungsverkehre zu erleichtern. Es wird aktuell aus ökologischen Gründen beispielsweise darüber diskutiert, dem Fluss wieder mehr Raum zu geben. Vielleicht wäre es sinnvoll, in diesem Zusammenhang auch noch einmal an der Fahrrinne zu baggern.

Herr Braasch, wann werden wir wissen, ob Sie gegen die neuen Pläne klagen?

Braasch: Die Unterlagen werden einen Monat ausgelegt, dann haben wir einen weiteren Monat, um dazu Stellung zu nehmen. Das sind die formalen Fristen. Am 4. Mai müssen wir uns äußern. Und wir werden die Zeit auch brauchen.

Stört es Sie nicht, dass Sie für ein Kraut, das vorher kaum jemand kannte, nun als Totengräber des Hamburger Wohlstands gesehen werden, weil Sie seit mehr als zehn Jahren die Entwicklung des Hafens behindern?

Braasch: Das ist nicht die Realität und darum geht es auch gar nicht. Wir behindern nicht die Entwicklung im Hafen, sondern wir wachen über die Einhaltung der naturschutzrechtlichen Vorschriften. Die ersten fünf Jahre Verfahrensverzögerungen haben sich die Stadt und der Bund als Vorhabensträger selbst zuzuschreiben. Die Unterlagen entsprachen nicht den europäischen Naturschutzvorgaben und waren einfach mangelhaft. Das haben alle maßgeblichen Akteure so gesehen. Dann setzten Fehler auf Fehler auf. 2012 hatten wir dann eine Planfeststellungsbeschluss der schon nicht mehr kongruent war, weil er so viele Änderungen und Ergänzungen beinhaltete. Dagegen haben wir geklagt und einen Baustopp erreicht. Dann gab es eine weitere Verzögerung, die uns auch nicht recht war, weil das Bundesverwaltungsgericht das Urteil des Europäischen Gerichtshofs zum Wasserrecht im Parallelverfahren Weservertiefung abwarten wollte. Auch das hat Zeit gekostet. Uns liegt nichts daran, Verfahren unnötig in die Länge zu ziehen.

Das beantwortet nicht die Frage. Noch einmal: Ist Ihnen der Schierlings-Wasserfenchel so wichtig, dass Sie auf das Wachstum des Hafens verzichten?

Braasch: Der Schierlings-Wasserfenchel ist tatsächlich eine bedrohte Art. Er steht aber für einen Lebensraum, der insgesamt geschädigt wird. Wir wollen den Hafen nicht ausknipsen, sondern waren immer offen für Alternativen. Beispielsweise haben wir uns für eine Kooperation der norddeutschen Häfen eingesetzt. Dem ist die Politik wegen ihres Kirchturmdenkens nicht gefolgt. Wir wollen ein Wirtschaften mit der Natur. Dass dann der Hafen vielleicht nicht fünf, sondern nur drei Prozent wächst, mag sein. Es geht uns aber nicht darum, den Wohlstand Hamburgs zu gefährden.

Bonz: Es geht doch schon gar nicht mehr um Wachstum, sondern ums Schrumpfen. Unsere Wettbewerber wachsen um bis zu zehn Prozent, nur der Hamburger Hafen schrumpft. Das ist die Realität. Und zur Hafenkooperation ist Folgendes zu sagen: Die Fraktion der Linken im EU-Parlament hatte ein Gutachten in Auftrag gegeben, mit dem Ergebnis, dass weder Hafenverwaltungen noch Terminals Ladung steuern können. Und Ihr Vorwurf, dass die Planungen zur Fahrrinnenanpassung von Anfang an fehlerhaft waren, kann auch nicht sein, 95 Prozent Ihrer Einwendungen hat das Bundesverwaltungsgericht zurückgewiesen.

Nichtsdestotrotz ist eine Verfahrensdauer von zehn Jahren niemandem mehr zu erklären.

Bonz: Während der Dauer des Verfahrens hat es immer wieder umweltrechtliche Änderungen gegeben, die Neuplanungen erforderlich machten. Das europäische und das deutsche Naturschutzrecht sind inzwischen so komplex, dass CDU und SPD in ihrem neuen Koalitionsvertrag eine Harmonisierung und Beschleunigung des europäischen mit dem deutschen Planungsrecht festgeschrieben haben.

Herr Braasch, gegen eine Beschleunigung des Planungsrechts dürften Sie nichts haben, oder?

Braasch: Die Beschleunigung hat aber ihre Grenzen. Die Umsetzung von Verwaltungsakten muss überprüfbar bleiben. Zu sagen, die Umweltverbände seien an den langen Planverfahren schuld, ist schlichtweg falsch. Alle Untersuchungen sagen, dass die Umweltverbände das Verbandsklagerecht sehr sparsam einsetzen. Schaut man sich die Urteile an, ist festzustellen, dass die Umweltverbände mit ihren Klagen überproportional erfolgreich sind. Sie sind also ein notwendiges Korrektiv weil viele Planungen von Projekten fehlerhaft sind. Wenn also die Planungsbüros, Verwaltungen und Gerichte personell so ausgestattet würden, dass das zugegebenermaßen komplizierte Umweltrecht bei Großprojekten von Anfang an ausreichend berücksichtigt wird, wäre die Verfahrensdauer nicht so lang.

Bonz: Ich wäre dafür, man macht es wie unsere Nachbarn Dänemark, Holland, Belgien, Frankreich, Italien und Spanien. Dort gehen die Klagen von Umweltverbänden nicht so in die Tiefe.

Sind die Umweltverbände denn bei dem Verfahren zur Elbvertiefung ausreichend eingebunden worden?

Bonz: Ich kann mich an kein europäisches Großverfahren erinnern, bei dem die Umweltverbände so umfassend am Verfahren beteiligt worden sind, wie bei der Fahrrinnenanpassung.

Braasch: Was die offizielle Beteiligung mit den Erörterungsterminen angeht, bin ich bei Ihnen, Herr Bonz. Frühzeitige Einbindung hat aber noch andere Facetten. Es gab im Vorfeld mehrere Gespräche mit uns Umweltverbänden. Aber diese waren immer mit der Bedingung verknüpft, dass eine Reduzierung des Projekts ausgeschlossen ist. Das ist keine ernst gemeinte Beteiligung.

Herr Bonz wirft Ihnen unterschwellig vor, es gehe Ihnen eher ums Prinzip.

Braasch: Nein es geht uns um die Sache. Wir halten die Elbvertiefung aus ökologischen Gründen nach wie vor für nicht vertretbar.

Dann werden Sie in jedem Fall klagen, um das Projekt weiter zu verzögern ...

Braasch: Wir klagen doch nicht, um etwas zu verzögern, sondern um den Naturschutzgesetzen Recht zu verschaffen.

Bonz: Sie werden also nie Ihren Frieden mit der Fahrrinnenanpassung machen, selbst wenn sie kommt.

Braasch: Ich mache dann meinen Frieden mit der Elbvertiefung, wenn alle unsere Befürchtungen, die wir aus fachlicher Sicht haben, nicht eintreten.

Wozu brauchen wir den Schierlings-Wasserfenchel? Warum ist der Ihnen so wichtig, Herr Braasch?

Braasch: Gegenfrage. Wozu brauchen wir den Pandabären? Wenn wir Artenschutz und Artenvielfalt ernst nehmen, und gegen die Abholzung von Regenwäldern protestieren, weil wir glauben dass diese Lebensräume eine wichtige Funktion haben, dann müssen wir in unserem Land die gleichen Maßstäbe anlegen. Aus Sicht des Artenschutzes hat der Schierlings-Wasserfenchel die gleiche Bedeutung wie der Pandabär. Es gibt nur noch ein paar Tausend davon. Der Schierlings-Wasserfenchel ist nicht so kuschelig und hat nicht so große Augen, aber von der ökologischen Bedeutung her ist er gleichwertig.

Herr Bonz, der Hafen wächst derzeit nicht, sondern verliert Ladung. Da könnte man doch zu der Meinung kommen, dass wir die Elbvertiefung gar nicht benötigen.

Bonz: Es geht darum, das verlorene Volumen zurückzugewinnen, und nicht noch weiter an Boden zu verlieren. Pro Anlauf kommen derzeit bis zu 2000 Container weniger nach Hamburg, weil wir die Fahrrinnenanpassung nicht haben. Die Konjunktur boomt, der Welthandel auch. Alle Häfen wachsen, nur wir schrumpfen.

Braasch: Da muss ich dagegenhalten. Ich zitiere aus dem Abendblatt. Da hat Logistikprofessor Jan Ninnemann gesagt, dass der Hamburger Hafen unter den Reedern als bürokratisch, kompliziert und teuer gilt. Das heißt, es gibt noch sehr viel mehr Gründe, warum das Ladungsaufkommen schwächelt.

Bonz: Warum gilt denn Hamburg als kompliziert und teuer? Weil Schiffe schon heute vor Cuxhaven ewig warten müssen, bis sie die Freigabe erhalten, die Elbe hinaufzufahren. Im Hafen muss der Ladevorgang mit den Gezeiten abgestimmt sein. Erreicht man die Tide nicht, muss das Schiff zu Warteplätzen verholt werden, weil der Nachfolger schon da ist. Das dauert weitere acht Stunden. Solche Prozeduren sind kompliziert und sie kosten die Reeder Tausende Euro zusätzlich, die sie in anderen Häfen nicht bezahlen müssen.

Braasch: Hamburg hat mit den 120
Kilometern Revierfahrt natürliche Restriktionen. Sie werden es auch mit der Elbvertiefung nicht schaffen, diese zu beseitigen. Die engen Zeitfenster werden sich auch nicht großartig öffnen und wir werden Rotterdam beim Wachstum nicht einholen können.

Bonz: Keiner glaubt, dass wir größer werden als Rotterdam. Wir sagen nur, dass wir wegen der fehlenden Fahrrinnenanpassung unnötig Ladung an die Konkurrenzhäfen verlieren.

Was glauben Sie, wer von Ihnen hat die Mehrheit der Hamburger hinter sich?

Bonz: Die Mehrheit im Bundestag ist für die Fahrrinnenanpassung – auch die Mehrheit der Bürgerschaft. Ich weiß, dass sogar einige Grüne dafür sind. Wenn es um ihren Hafen geht, ziehen die Hamburger immer an einem Strang. Deshalb glaube ich, dass die Mehrheit dafür ist.

Braasch: Wir haben viel Zustimmung für unsere Positionen erhalten. Fragt man die Hamburger plakativ, ob sie für den Erhalt ihres Hafens sind, sagen die natürlich ja. Aber wenn man ihnen erklärt, welche Gefahren sich mit der Elbvertiefung verbinden, sind sie eher besorgt. Ich glaube nicht, dass die Mehrheit so deutlich für die Elbvertiefung ist.