Hamburg. Verzögerungen bei der Elbvertiefung sind mit dafür verantwortlich, dass der Umschlag im Hafen stagniert, sagt Gunther Bonz.

Schwache Zahlen brachten den Hamburger Hafen in der vergangenen Woche in die Schlagzeilen. Der Seegüterumschlag ist in den ersten sechs Monaten des Halbjahres nicht gewachsen. Auch der Containerumschlag stagniert. Haben die Hafenunternehmen Fehler gemacht? Der Präsident des Unternehmensverbands Hafen Hamburg (UVHH), Gunther Bonz, nimmt im Abendblatt-Interview die Unternehmen in Schutz und spricht von einem guten Ergebnis. Gleichzeitig wirft er den Hafenbehörden erhebliche Versäumnisse beim Thema Hafenschlick vor, die sogar den Tourismus in Gefahr bringen.

Herr Bonz, der Umschlag im Hamburger Hafen wächst nicht. Warum kann er nicht von der allgemein guten Konjunktur profitieren?

Gunther Bonz: Ich sehe es anders. In Anbetracht der allgemeinen Rahmenbedingungen ist das Halbjahresergebnis gut.

Von welchen Rahmenbedingungen sprechen Sie?

Im Grunde sind es drei: erstens die fehlende Fahrrinnenanpassung der Elbe. Zweitens haben wir im Hafen wieder mit erheblichen Tiefgangsbeschränkungen wegen fehlender Baggerarbeiten der Hamburg Port Authority zu kämpfen. Drittens haben wir Nachteile gegenüber den Beneluxhäfen.

Gehen wir die Punkte durch. Bei dem Projekt „Elbvertiefung“ ist man dabei, die planerischen Fehler zu beheben. Sind die Behörden mit dem nötigen Nachdruck dabei?

Ja, ohne Zweifel. Den Planungsstellen müssen wir ein Lob zollen, die machen alles Menschenmögliche. Sie arbeiten auch in der Nacht und am Wochenende. Die Arbeit ist exzellent. Das Problem sind die schwierigen gesetzlichen Rahmenbedingungen in Deutschland mit Anforderungen, die es in Holland und Belgien so nicht gibt, die das Projekt erschwert haben. Diese sind ein klarer Wettbewerbsnachteil.

Sie sprachen das Problem mit dem Hafenschlick an. Ist das nicht eigentlich seit der Einigung mit Schleswig-Holstein gelöst?

Das dachten wir auch. Tatsache ist aber, dass wir seit Februar dieses Jahres Mindertiefen gerade auch im Umschlags­bereich der Containerterminals von bis zu drei Metern haben. Das kostet Hamburg Ladung. Die Formel ist ganz einfach: Ein Meter Mindertiefe bedeutet, dass das Schiff 1000 Standardcontainer weniger mitbringen darf. Und das betrifft etliche Schiffe seit Februar – nicht nur die ganz großen. Dem Hafenumschlag sind dadurch viele Tausend Container entgangen.

Sie machen die fehlenden Baggerarbeiten der Hafenbehörde HPA dafür verantwortlich. Aber die bemüht sich doch, das Schlickproblem zu lösen.

Ich gelte ja als besonders kritisch gegenüber der Hafenverwaltung, was ich gar nicht bin. Die Mitglieder unseres Unternehmensverbands sind der Auffassung, dass die HPA das Schlickproblem mit ihrer bisherigen Verhaltensweise nicht lösen kann. Es fehlt an einer langfristigen Strategie zum Umgang mit den Sedimentablagerungen. Die hätte schon vor sieben, acht Jahren entwickelt werden müssen. Es ist also viel Zeit verloren gegangen. Auch fehlen neue eigene Baggertechnologien, stattdessen hat man sich in die Hand ausländischer Baggerunternehmen begeben. Und man hat sich durch unnötige Abkommen mit der Umweltbehörde noch selber die Rute vor den Bauch gebunden, dass man zu bestimmten Jahreszeiten nur eingeschränkt Unterhaltsmaßnahmen durchführen kann. Die Folgen dieser Fehler spürt mittlerweile auch der Tourismus: So konnten im Februar an den Landungsbrücken auf der Innenseite einige Barkassen bei Ebbe nicht mehr ablegen. Es ist sogar dazu gekommen, dass Barkassen die zur Hafenrundfahrt mit Passagieren aufbrechen wollten, nicht wegkamen. Die Barkassenunternehmen im Hafenschifffahrtsverband haben Umsatzeinbußen, das schadet dem Tourismus.

Sie verweisen auf die Politik und die Hafenverwaltung. Müssen nicht die Unternehmen selbst mehr für ein Wachstum tun?

Die Ladung sucht sich immer den besten Weg mit den geringsten Widerständen. Abgesehen von den nautischen Problemen haben wir sehr gute Bedingungen: Wir haben mit die besten Umschlagterminals in der Welt, hochinnovativ. Ein Hamburger Containerterminal ist in den vergangenen Jahren von den asiatischen Reedern dreimal hintereinander zum besten Terminal Europas gekürt worden – das ist wie ein Gewinn der Champions League. Das HHLA-Terminal in Altenwerder gilt technisch immer noch als herausragend. Die Unternehmen investieren hohe Millionen­beträge in neue Technologien zur Beschleunigung des Umschlags, in die Hafenbahn und so fort. Anders als in den Beneluxhäfen gibt es bei uns auch keine streikenden Hafenarbeiter. Mit Tatkraft sind sie die notwendigen personellen Umstellungen wegen der immer größeren Schiffe angegangen. Hoher Dank an die Gewerkschaft und die Betriebsräte, dass sie diesen Weg mitgehen. Aber es bleibt dabei: Wenn die Schiffe wegen der nautischen Beschränkungen nicht mehr Ladung bringen können, kann kein Hafenunternehmen etwas dagegen tun. So einfach ist das.

Wird der Hafen wieder wachsen, wenn die Elbvertiefung kommt?

Davon bin nicht nur ich fest überzeugt. Es gibt aber noch ein weiteres Problem das ich erwähnen möchte. Die Hafenunternehmen sind über Jahre im Unklaren über ihre Mietverträge im Hafen gelassen worden und werden es teilweise noch immer.

Inwiefern?

Die Unternehmen sind ja nicht Eigentümer der Flächen im Hafen, sondern nur Mieter. Vor etwa drei Jahren hat die HPA offenbar intern entschieden, still und heimlich gegenüber den Unternehmen ein neues Mietvertragssystem einzuführen, was allgemeine Vertragsbedingungen angeht, aber auch die Mietstrukturen. Das ist so, als wenn Ihr Wohnungsvermieter Ihnen einen neuen und unsichereren Mietvertrag unterschieben will. Dieses Vorhaben, in das wir zunächst nicht eingebunden wurden, hat zu einem Vertrauensverlust und bis in die Belegschaften der Unternehmen hinein zu Verunsicherung geführt. Ohne das Eingreifen des Wirtschaftssenators und seines Staatsrats wäre dieses Problem nicht auf den richtigen Pfad geschoben worden.

Was hätten die Vertragsänderungen denn bedeutet?

Die HPA will erheblich an den Mietkonditionen drehen. Es sollten Entschädigungsansprüche bei Kündigung des Mietvertrags durch die HPA zulasten der Unternehmen verändert werden. In einem Fall war die HPA sogar plötzlich der Meinung, dass die vom Unternehmen über Jahrzehnte errichteten Gebäude der HPA gehören. Dieses führt dazu, dass Unternehmen ihre Investitionsentscheidungen überdenken. Wir stehen in der gesamten Industrie vor einem großen Technologiesprung, auch im Hafen. Unternehmen wollen den Umschlag noch smarter gestalten und dafür erhebliche Investitionen tätigen. Werden aber unsichere Mietverträge aufgerufen oder Verträge nicht zu gleichen Konditionen verlängert, behindert das Investitionen. In Rotterdam laufen Mietverträge teilweise über 90 Jahre. In Bremerhaven werden die Flächen den Unternehmen zur Erbpacht auf 99 Jahre überlassen. Eigentlich wäre ein solches System auch für Hamburg besser.

Es hat kürzlich eine Auseinandersetzung Ihres Verbands mit dem Senat über den ersten Preis beim Ideenwettbewerb für die künftige Nutzung von Steinwerder gegeben. Dort wollen Chinesen investieren. Warum wehrt sich der Hafen so vehement dagegen , sich für ausländische Investoren zu öffnen?

Das ist nicht richtig. Der Hafen ist offen. Es gibt zahlreiche Unternehmen mit ausländischer Beteiligung oder ausländischem Mutterkonzern im Hafen. Der Vorschlag für den Ideenwettbewerb zielt aber auf den Bau eines weiteren Vollcontainerterminals auf Steinwerder. Es gibt eine Festlegung im Hafenentwicklungsplan, die mit allen Beteiligten, Senat, Wirtschaft Bürgerschaft abgestimmt ist, über die künftigen Kapazitäten. Danach besteht Einigkeit darüber, dass wir mit dem derzeitigen Ausbau der vorhandenen Terminals genügend Containerumschlagskapazitäten im Hafen für die nächsten 20 Jahre haben. Es bedarf keines neuen Terminals. Das ist in dem Ideenwettbewerb missachtet worden. Darin liegt unsere Kritik. Zwei Zahlen sollen das verdeut­lichen: Wir haben in allen nordeuropä­ischen Häfen zwischen Le Havre und Hamburg zusammen ein jährliches Ladungsaufkommen zwischen 41 und 48 Millionen Containern. Wir haben in den Häfen aber jetzt schon Kapazitäten für den Umschlag von über 75 Millionen Containern. Wir müssen doch nicht diese Überkapazitäten noch weiter ausbauen. Das wäre für Hamburg fatal. Stattdessen sollten wir die knappen Hafenflächen für die Ansiedelung von Industrie und Gewerbe nutzen, um Arbeitsplätze zu schaffen.

Es bleibt aber festzuhalten, dass die deutschen Seehäfen gegenüber ihren ausländischen Konkurrenten im ersten Halbjahr an Marktanteilen verloren haben. Sind sie auch Opfer der neuen Reedereiallianzen geworden, die ihre Schiffe nun lieber nach Rotterdam schicken?

Nein. Zunächst muss gesagt werden, dass Rotterdam derzeit Umschlagsmengen zurückholt, die es im vergangenen Jahr eingebüßt hat. Klar ist aber, dass die bremischen Häfen wie Hamburg auch Tiefgangsprobleme haben, weil die Fahrrinnenanpassungen der Weser ausbleiben. Und schließlich gibt es noch einen weiteren Punkt, der den deutschen Häfen klare Wettbewerbsnachteile gegenüber der westlichen Konkurrenz bereitet, und das ist die Einfuhrumsatzsteuer. (Anmerkung der Redaktion: Anders als in Rotterdam müssen Unternehmen in Hamburg auch für Waren, die gleich weiterverschifft werden, Steuern bezahlen.) Seit Jahren fordern die Bundesländer eine Änderung. Es wird Zeit, dass sich das Bundesfinanzministerium bewegt.