Hamburg. Michel registriert deutlichen Besucherrückgang. Minus auch bei St. Petri. Kann Eintritt auf Plaza die Entwicklung stoppen?
Die Elbphilharmonie bricht alle Rekorde: In den 14 Monaten seit Eröffnung der Plaza Anfang November 2016 haben rund 4,5 Millionen Menschen die Aussichtsplattform besucht. Aus 37 Metern Höhe eröffnen sich den Besuchern faszinierende Blicke über die Stadt und auf den Hafen. Was viele Hamburger und Touristen besonders erfreut: Den Ausblick gibt es gratis, lediglich bei der Vorbestellung im Internet werden 2 Euro fällig.
Bereits im Mai hatte Elbphilharmonie-Intendant Christoph Lieben-Seutter deshalb eine Eintrittsgebühr für die beliebte Plaza ins Gespräch gebracht. „Wenn Hamburg dann 5 Euro Eintritt verlangt, hat die Stadt kein Subventionsthema mehr.“ Sie müsste die Elbphilharmonie nicht mehr mitfinanzieren. Zu entscheiden habe das allerdings die Stadt. „Die Frage ist: Wer soll den Betrieb der Elbphilharmonie bezahlen? Alle oder die, die sie besuchen?“, sagte er der „Zeit“.
Angespannte Finanzierung der Kirchen
Später ruderte Lieben-Seutter dann zurück. Dem Abendblatt sagte er vor wenigen Tagen zum Thema Plaza-Eintritt: „Es gibt gute Argumente dafür und dagegen. Ich bevorzuge den Status quo, weil er das Haus offener hält und die Menschen ohne Hemmschwelle die Elbphilharmonie schnuppern können.“ Fakt aber ist: Der kostenfreie Eintritt bleibt bis zum Sommer 2018 befristet, schon bald muss die Bürgerschaft also über eine Verlängerung befinden – oder eine Änderung der großzügigen Regelung beschließen.
Argumente für eine Reform der bisherigen Praxis kommen nun aus überraschender Richtung. Die Hamburger Hauptkirchen spüren die Konkurrenz durch das Konzerthaus an der Elbe deutlich. Und der neue Mitbewerber reißt Löcher in die ohnehin angespannte Finanzierung der Gebäude.
Michel besonders betroffen
Besonders betroffen vom neuen Wahrzeichen Elbphilharmonie ist das alte Wahrzeichen, der Michel. Während unverändert rund 1,5 Millionen Menschen im zurückliegenden Jahr das Gotteshaus besucht haben, muss der Turm deutliche Besuchereinbußen hinnehmen. „Seit der Eröffnung der Plaza sind unsere Besucherzahlen im Turm deutlich zurückgegangen“, sagt Alexander Röder. „Ich würde mir schon wünschen, dass die Plaza Geld kostet.“ Im vergangenen Jahr ging die Besucherzahl im Vergleich zum Vorjahr um zwölf Prozent zurück – nach einer alten Faustformel steigt knapp jeder zweite Michel-Besucher auch auf den Turm. Demnach geht der Einnahmeausfall bei 5 Euro pro Erwachsenen und 3,5o Euro für Kinder schnell in die Hunderttausende.
Rückgänge hat man auch an der Hauptkirche St. Petri gemessen. So sank die Zahl der Turmbesteigungen zuletzt, auch die Zahl der Besucher im Gotteshaus im vergangenen Jahr von 550.000 auf 530.000. „Dieser Rückgang ist aber vor allem auf den G-20-Gipfel zurückzuführen“, meint Gemeindepastorin Gunhild Warning.
Zählte das Besucherzentrum im August 56.000 Besucher, kamen im Juli lediglich 39.000 Menschen. „Der G-20-Gipfel hat alle in der Innenstadt viel Geld gekostet.“ Gerade als Hauptkirche ohne große eigene Gemeinde sei St. Petri auf Besucher, die oft zufällig beim Stadtbummel hereinkommen und einen Obulus geben, angewiesen.
Tropfen auf den heißen Stein
„Wir brauchen Spenden und Gelder aus der Turmbesteigung, auch wenn das Geld nur ein Tropfen auf den heißen Stein ist“, so Pastorin Warning. Sie will sich der Forderung nach einem Eintritt für die Elbphilharmonie-Plaza nicht direkt anschließen, betont aber: „Wenn die Stadt sich mit ihren Hauptkirchen brüstet, stellt sich schon die Frage, was sie zum Erhalt der Gebäude beitragen kann.“ Es wundere sie nicht, dass der Michel in der Wahrnehmung als Wahrzeichen direkt unter der Elbphilharmonie leide. „Viele Besucher haben nur Zeit für ein Wahrzeichen“, sagt Warning. Und eben nur für einen Panoramablick.
St. Petri hat mit 123 Metern den höchsten Aussichtsturm, St. Nikolai den am einfachsten zu besteigenden Trum. Ein gläserner Panoramalift fährt die Besucher für 5 Euro in 40 Sekunden auf die Aussichtsplattform in 76 Metern Höhe. An der Willy-Brandt-Straße spürt man noch keinen Elbphilharmonie- Effekt, weil der Turm von St. Nikolai bis Ende vergangenen Jahres eine Baustelle war und der spektakuläre Panoramablick erst seit Ende Juni wieder frei ist. Kamen in den guten Jahren wie 2011 über 110.000 Besucher, waren es zuletzt wegen der Baustelle deutlich weniger. „Seitdem das Gerüst weg ist, freuen wir uns aber über steigende Besucherzahlen. Im zweiten Halbjahr kamen über 45.000 Gäste, und wir starten sehr zuversichtlich in das Jahr 2018“, sagt Dörte Huß.
Sie ist Geschäftsführerin des Förderkreises Mahnmal St. Nikolai, der Turm und Gedenkstätte seit 30 Jahren pflegt und sie somit im Bewusstsein der Hamburger hält. „Wir bekommen keine Zuschüsse für unsere Arbeit“, sagt Huß. „Wir benötigen die Finanzierung durch unsere Eintrittsgelder für unsere Arbeit.“