Hamburg. Der Turm der Nikolaikirche war sechs Jahre lang eingerüstet. Jetzt sind die Arbeiten an dem Mahnmal fast beendet.

Seit Monaten wird das Mahnmal St. Nikolai „abgerüstet“. Weil immer mehr Gerüstteile demontiert werden, zeigt der 147 Meter hohe Turm, wie schön er nach der aufwen­digen Sanierung geworden ist. Die Steinmetze und Maurer hatten unter anderem Obernkirchner Sandstein aus Niedersachsen verwendet, der als „Mercedes“ unter den Sandsteinen gilt.

Das Gerüst an der Nikolaikirche wird abgebaut
Das Gerüst an der Nikolaikirche wird abgebaut © Andreas Laible | Andreas Laible

Von Etage 77 haben sich die Gerüstbauer jetzt auf die Etagen 19 bis 17 herabgearbeitet. Falko Droßmann (SPD), Bezirksamtsleiter in Hamburg-Mitte und Bauherr, freut sich, dass bis Mitte Oktober alle Teile abgebaut sind und die Sanierung der Ruine mit ihrem markanten Turm beendet ist. „Wir und das ganze Bauteam sind fasziniert und stolz, wie der Turm Stück für Stück freigelegt und als Mahnmal wieder weithin sichtbar wird“, sagt er.

Vor sechs Jahren hatten sich Steine aus der Fassade von Hamburgs höchstem Kirchturm gelöst, der ein Mahnmal gegen Krieg und Gewaltherrschaft ist. Sie waren auf den Gehweg gefallen. Um weitere Abbrüche zu verhindern, stellten Hamburg und der Bund 14,2 Millionen Euro zur Verfügung. Seit Herbst 2014 wurden beschädigte Steine ausgetauscht, neue Sandstein-Vierungen (Ersatzsücke) gesetzt, defekte Fugen erneuert, Eisenteile mit Korrosionsschutz versehen und das beschädigte Turmkreuz neu vergoldet. Jetzt strahlt das Christus-Kreuz weithin über die Stadt. „Es erfüllt mich mit echter Freude, dass das Hamburger Hauptkirchen-Quintett jetzt wieder mit goldenen Spitzen die Silhouette der Stadt krönt“, sagt Alk Friedrichsen, der als Architekt und Denkmalpfleger die Sanierung begleitet hat.

30 Kilometer Fugen wurden erneuert

Besonders die Vergoldung der Turmspitze sei eine der vielen Herausforderungen gewesen, sagt er. „Ganz oben wurde von den Gerüstbauern zwei Wochen lang jeden Tag aus Stangen und Planen ein ,Zimmer‘ hergestellt.“ Dorthin kletterten dann über Leitern zwei schwindelfreie Vergolderinnen, um das feine Blattgold aufzubringen. „Ohne diese Konstruktion wäre es in alle Winde verteilt worden“, so Friedrichsen.

Noch schwieriger waren die alltäglichen Reparaturen am Stein. 30 Kilometer Fugen mussten in Handarbeit mit speziellem Mörtel erneuert werden, der Wind und Wetter standhalten kann. Mehr noch: 12.000 Vierungen wurden ausgearbeitet, vermessen, nach dem Vorbild angefertigt und schließlich eingebaut. Zudem waren 10.000 Ziegel sowie die gelben Originalziegel auszutauschen.

„Nun“, erwartet der Denkmalpfleger, „kann der Turm wieder 20 bis 25 Jahre ohne größere Investitionen stehen.“ Es müsse nur in Zukunft sichergestellt werden, dass man regelmäßig ein Auge auf die Schwachstellen werfe, um kleinere Schäden zu erkennen.

Erleichert über das Ende der Bauarbeiten ist auch der Förderkreis Mahnmal St. Nikolai. „Wir sind Bürgermeister Scholz, dem Senat und der Bürgerschaft dankbar, dass sie in Zusammenarbeit mit dem Bund Gelder für die Sanierung des Mahnmals bereitgestellt haben“, sagt Klaus Francke, Vorsitzender des Förderkreises. Wie Sorina Weiland, Sprecherin des Bezirksamts Mitte, betont, sei der Kostenrahmen dabei eingehalten worden.

Der Turm der früheren Hauptkirche St. Nikolai war bei seiner Fertigstellung im Jahr 1874 mit der exakten Höhe von 147,3 Metern das höchste Gebäude der Welt. Heute ist er weltweit der fünfthöchste Kirchturm – unter anderem nach dem Ulmer Münster (161,53 Meter), das auf Platz eins steht.

Ruine sollte auch gesprengt werden – das scheiterte

Während der angloamerikanischen Luftangriffe auf Hamburg im Jahr 1943 diente der Turm den Bomberpiloten als Orientierungspunkt. Das Kirchenschiff selbst wurde zerstört. Nach Kriegsende bestand in der Hansestadt nur ein geringes Interesse daran, das Gotteshaus wieder aufzubauen. Stattdessen wurden viele Steine aus der Nikolaikirche 1951 ihrem Zweck entfremdet und zur Deichbefestigung in der Haseldorfer Marsch genutzt. Mit mehreren Sprengungen sollte nach dem Willen der Stadtväter auch noch die Ruine gänzlich beseitigt werden. Doch sie hielt stand und ist seitdem ein mahnendes Zeichen gegen Faschismus und Krieg. Gezeigt wird in der Krypta eine Dauerausstellung über die Ursachen und Folgen des Luftkrieges.

Der Förderkreis Mahnmal St. Nikolai rechnet damit, dass nach der Sanierung jährlich wieder rund 100.000 Menschen die Kirchenruine besuchen. Die Aussichtsplattform in 76 Metern Höhe könne bereits jetzt uneingeschränkt betreten werden, sagt Klaus Francke.