Hamburg. Andy Grote verteidigt Entscheidung, Stadtteilzentrum nicht zu durchsuchen. Im Fokus der Behörden: Linksextremist Halil S.

Nach der bundesweiten Großrazzia gegen die linke Szene am Dienstag hat sich CDU-Fraktionschef André Trepoll erstaunt darüber gezeigt, dass die Polizei am Dienstag nicht auch gegen die Rote Flora vorgegangen war. „Ich bin verwundert, dass die Rote Flora als Hotspot des Linksextremismus in Hamburg nicht durchsucht wurde“, sagte Trepoll am Mittwoch. Schließlich habe auch Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) das linksautonome Kulturzentrum im Schanzenviertel als „Dreh- und Angelpunkt für die G-20-Krawalle“ ausgemacht. „Rund fünf Monate danach sind weiterhin keinerlei Konsequenzen für die Rote Flora erkennbar“, sagte Trepoll. „Alles ist so geblieben, wie es war.“ Der CDU-Politiker forderte den Bürgermeister auf, „die Aufklärung der Straftaten der Rotfloristen“ nicht allein dem G-20-Sonderausschuss zu überlassen.

Mit „Gerichtsbeschlüssen abgesichert“

Innensenator Andy Grote (SPD) verteidigte die Entscheidung, die Rote Flora von der Razzia auszunehmen. Die Polizei führe „keine symbolischen Durchsuchungen“ durch, „sondern nur solche, die Teil konkreter Ermittlungsverfahren sind“, sagte Grote dem Sender NDR 90,3. Die Aktion am Dienstag hatte sich konkret gegen Beschuldigte rund um die Geschehnisse an der Straße Rondenbarg im Stadtteil Bahrenfeld gerichtet, so Grote. „Es wohnte keiner der Beschuldigten in der Roten Flora.“ Der Innensenator wies Zweifel an der Rechtmäßigkeit, wie von der Linksfraktion geäußert, zurück. Die Rechtsgrundlage der Razzien sei „nicht fragwürdig, sondern Teil von Ermittlungsverfahren und mit Gerichtsbeschlüssen abgesichert“, sagte Grote. Insgesamt hatte die Polizei bei der Razzia 25 Durchsuchungsbeschlüsse vollstreckt.

Halil S. ist einer der führenden Köpfe

Laut Polizeipräsident Ralf Martin Meyer ist es der Polizei mit der Großrazzia in acht Bundesländern gelungen, nah an den Kern der linksextremen Szene zu kommen. Eine ganz zentrale Rolle dürfte dabei die Durchsuchung in Hamburg gespielt haben. Sie richtete sich gegen Halil S., einen der führenden Köpfe der linksextremen Szene in Hamburg. Der 32-Jährige war auch am Abend nach der Razzia in führender Rolle bei einer Spontandemo mit rund 250 Teilnehmern im Schanzenviertel dabei, die sich gegen den Polizeieinsatz richtete.

Demos in Sternschanze nach G20-Razzia:

Demonstration in der Sternschanze nach G20-Razzia

250 Demonstranten sind durch die Sternschanze gezogen
250 Demonstranten sind durch die Sternschanze gezogen © Michael Arning
Dem vorangegangen sind Razzien der Polizei in acht Bundesländern im Zuge der heftigen Krawalle während des G20-Gipfels im Juli
Dem vorangegangen sind Razzien der Polizei in acht Bundesländern im Zuge der heftigen Krawalle während des G20-Gipfels im Juli © Michael Arning
 Die Polizei war mit rund zwei Hundertschaften im Einsatz
Die Polizei war mit rund zwei Hundertschaften im Einsatz © Michael Arning
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Der "Rote Aufbau Hamburg", der auch zu den Zielen der Polizeiaktion vom Morgen gehörte, hatte zu der Versammlung aufgerufen © Michael Arning
Der Zug startete am Grünen Jäger und zog durch das Viertel - hier am Neuen Pferdemarkt
Der Zug startete am Grünen Jäger und zog durch das Viertel - hier am Neuen Pferdemarkt © Michael Arning
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Der Langzeitstudent, der als das „Gesicht des Roten Aufbaus Hamburg“ bezeichnet wird, ist seit Jahrzehnten in der Szene aktiv. Immer wieder fungiert er als Sprecher, zumeist unter dem Pseudonym „Deniz Ergün“. Oft ist er auch Anmelder von Demonstrationen. Während des G-20-Gipfels trat er als Anmelder der Demonstration „G 20 entern – Kapitalismus versenken“ auf, die neben der „Welcome to Hell“-Demo als eine der beiden mit hohem Gewaltpotenzial galt. Auch am Dienstagabend bot sich Halil S. der Polizei als Anmelder des Protestmarsches an. Ein größeres Polizeiaufgebot begleitete die Demonstranten, bis sich der Aufmarsch gegen 21.21 Uhr auflöste, ohne dass es zu Zwischenfällen gekommen war.

Polizei: Razzia vorher nicht durchgesickert

Von Interesse ist für die Ermittler der Soko „Schwarzer Block“ die Rolle von Halil S. im Zusammenhang mit dem Camp am Volkspark während des G-20-Gipfels im Juli. Von dort war der Schwarze Block, den Soko-Chef Jan Hieber als einen „in seiner Gesamtheit gewalttätig agierenden Mob“ bezeichnete, losgezogen. Halil S. war auch hier dabei. Er gehört zu den identifizierten Personen, gegen die bereits wegen besonders schweren Landfriedensbruchs ermittelt wird.

Leitartikel: Vertrauen zurückgewinnen

Der Student soll auch das Camp, in dem sich nationale und internationale Linksextremisten tummelten, mitorganisiert haben. An dem Tag, als am Rondenbarg in Bahrenfeld Steine auf Polizisten flogen, dürfte Halil S., so die Einschätzung der Ermittler, eine maßgebliche Rolle unter den in der Masse ortsfremden Krawallmachern gespielt haben. Aufschluss erhoffen sich die Ermittler aus dem Inhalt zweier Papiertüten, in denen nach der Razzia die Beweismittel aus der Wohnung von Halil S. in einem eher biederen Mehrfamilienhaus in Stellingen abtransportiert wurden. Darin, so verriet er der linken Tageszeitung „Junge Welt“, waren mehrere Laptops, Handys, USB-Sticks und persönliche Aufzeichnungen.

Hinweise in den sozialen Netzwerken

Die FDP-Bürgerschaftsfraktion zeigte sich verwundert darüber, dass die Razzia erst fünf Monate nach den Ausschreitungen stattfand. „Es steht zu hoffen, dass die Auswertung des Bildmaterials aus Überwachungskameras und privaten Aufnahmen zur Identifizierung der Gewalt­täter beiträgt“, sagte FDP-Innenexperte Carl Jarchow. Die AfD-Fraktion forderte ein schärferes Vorgehen gegen Linksex­tremismus.

Dass Informationen über die Polizeiaktion, wie mehrere Medien berichtet hatten, schon im Voraus durchgesickert waren und die Szene gewappnet war, glaubt Soko-Chef Hieber nicht. Zwar hatte es Hinweise in den sozialen Netzwerken gegeben, die vor einer Razzia bei G-20-Protestlern warnten. Ein Tweet hatte sich aber auf Bremen bezogen, wo keine Durchsuchung stattgefunden hatte. Auch ein falsches Datum wurde dabei genannt. Die Aufklärung der Ereignisse rund um den G-20-Gipfel wird in der nächsten Sitzung des Sonderausschusses in der Bürgerschaft fortgesetzt. Am 21. De­zember wird unter anderen Hans-Georg Maaßen vom Bundesamt für Verfassungsschutz von den Abgeordneten im Rathaus befragt.