Hamburg. CDU: Konsequenzen aus Tod von Chantal nur unvollständig umgesetzt. Morgen Lage der Pflegekinder Thema im Familienausschuss.

Fast sechs Jahre nach dem Tod der elfjährigen Chantal in einer Pflegefamilie in Wilhelmsburg setzt Hamburg die vereinbarten Konsequenzen noch immer nicht vollständig um. So werden bei mehr als jedem dritten Pflegekind vorgegebene Kontrollen nicht eingehalten. Die CDU spricht von einem Versagen der Sozialbehörde.

Das Mädchen Chantal war 2012 an einer Methadon-Überdosis gestorben. Die Behörden hatten die drogenabhängige Pflegefamilie kaum kontrolliert und Missstände ignoriert. Im Zuge der Aufklärung des Falls war der Leiter des Bezirksamts Mitte, Markus Schreiber (SPD), zurückgetreten – und der Senat hatte strengere Kontrollvorgaben gemacht. So soll es seither mindestens zweimal pro Jahr sogenannte Hilfeplangespräche geben, bei denen alle Beteiligten (Eltern, Pflegeeltern, Vertreter der zuständigen Träger, Lehrer etc.) zusammenkommen. Außerdem sollen die zuständigen Stellen zweimal jährlich einen Bericht zum Verlauf der Pflege verfassen.

In 459 Fällen keine Hilfeplangespräche

Laut einer Senatsanwort auf eine Große Anfrage des CDU-Bürgerschaftsabgeordneten Philipp Heißner wurden im vergangenen Jahr in 459 Fällen allerdings keine zwei Hilfeplangespräche organisiert. Zum Vergleich: Insgesamt leben in Hamburg 1261 Pflegekinder (Stand März 2017).

Besonders schlecht steht es um die Kontrollen von Pflegefamilien in den Bezirken Mitte (107 Verstöße gegen Vorgaben zu Hilfeplangesprächen), Harburg (86) und Wandsbek (70). Bei den Vorgaben zur Erstellung von Berichten ist die Situation ähnlich schlecht. Laut Senatsantwort wurden in 407 Fällen nicht die verpflichtenden zwei Berichte pro Jahr erstellt.

„Das Management der Sozialbehörde hat wieder einmal versagt“, sagt CDU-Familienpolitiker Heißner. Es sei ein „Armutszeugnis“ für Sozialsenatorin Melanie Leonhard (SPD), „dass sie die Einhaltung geltender Regelungen einfach nicht durchsetzen kann“. Die Vorschriften seien eingeführt worden, um nach den Misshandlungsfällen in Hamburg den Schutz der Kinder und die Unterstützung für Pflegefamilien zu verbessern. „Es ist unfassbar, dass diese Regeln nicht umgesetzt werden.“

"Kein Verstecken hinter Zuständigkeiten"

Die Sozialbehörde verweist darauf, dass sie zwar die Fachaufsicht führe – aber nicht für die Umsetzung der Vor­gaben verantwortlich sei. „Die Durchsetzung der fachlichen Vorgaben liegt bei der Leitung des Jugendamts – wie in allen anderen Bundesländern Deutschlands auch“, sagte Sozialbehördensprecher Marcel Schweitzer dem Abendblatt. Die Dienstaufsicht über die Hamburger Mitarbeiter des zuständigen Allgemeinen Sozialen Dienstes (ASD) liege „im jeweiligen Bezirk, und die Finanzbehörde hat die Dienstaufsicht über die Bezirke“, so Schweitzer.

Allerdings unterstützte die Behörde den ASD durch zahlreiche Maßnahmen. So sei ein Personalbemessungssystem eingeführt worden, der ASD sei um 75 Stellen verstärkt und bei der Personalakquise unterstützt worden. Außerdem gebe es viele neue Angebote zu Fort- und Weiterbildung, ein Qualitätsmanagementsystem und ein regelmäßiges Controlling, so der Behördensprecher. CDU-Mann Heißner dagegen fordert angesichts der vielen Verstöße gegen die fachlichen Vorgaben: „Es darf kein Verstecken hinter Zuständigkeiten mehr geben.“

Der Familienausschuss befasst sich am morgigen Dienstag in öffentlicher Sitzung mit der aktuellen Situation der Pflegekinderhilfe in Hamburg – ab 17 Uhr im Sitzungssaal 1 an der Schmiedestraße 2.