Hamburg. Der Tod des kleinen Tayler hat Hamburg erschüttert. Linke, SPD und Grüne wollen Gremium einrichten, CDU ist dagegen.
Der Tod des kleinen Tayler hat Hamburg erschüttert – wie zuvor schon die Fälle Chantal und Yagmur. Nun soll die Bürgerschaft sich nach dem Willen der Linkspartei, der SPD und der Grünen erneut in einem parlamentarischen Gremium mit der Jugendhilfe beschäftigen. Derzeit laufen Verhandlungen über das Zustandekommen einer sogenannten Enquete-Kommission – mit dem Ziel, das Kindeswohl in Hamburg zu verbessern.
Ein erstes Treffen der Vorsitzenden der drei Fraktionen sowie deren familienpolitischen Sprechern hat es bereits gegeben. Sabine Boeddinghaus, die bei den Linken beide Ämter bekleidet, hatte den Anstoß dazu gegeben. „Es bringt nichts, nach jedem Todesfall die Jugendamtsmitarbeiter anzugreifen und den Rücktritt von Senatoren und Bezirksamtsleitern zu fordern“, sagt Boeddinghaus. Dieses Vorgehen habe in den vergangenen Jahren, in denen Chantal (2012), Yagmur (2013) und zuletzt Tayler durch Vernachlässigung und Gewalt ums Leben gekommen sind, nichts verändert. „Es muss nun ganz grundsätzlich untersucht werden, wie es zu solchen Entwicklungen kommen kann.“
Anders als Sonder- und Parlamentarische Untersuchungsausschüsse (PUA) können Enquete-Kommissionen tatsächlich das Jugendhilfesystem allgemeiner bewerten und Verbesserungen empfehlen. Hier beraten unabhängige Experten gemeinsam mit Abgeordneten aller Fraktionen über Ursachen, Probleme und mögliche Lösungsstrategien. Ausschüsse befassen sich dagegen in der Regel mit dem Einzelfall.
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Die Linken hatten sich bereits in der vergangenen Legislaturperiode im Zusammenhang mit dem Untersuchungsausschuss zum gewaltsamen Tod Yagmurs für die Einrichtung der Enquete-Kommission stark gemacht. Zunächst waren sie sich mit den Grünen und der SPD einig. Die Kommission kam aber nicht zustande, weil die Grünen im letzten Moment umschwenkten und sich der CDU-Forderung nach einem PUA anschlossen.
Bereits ein Fünftel der Bürgerschaftsabgeordneten genügt, um eine Enquete-Kommission einzusetzen. Deren Empfehlungen haben aber nur dann eine Chance, tatsächlich durchgesetzt zu werden, wenn die Einsetzung des Gremiums von der Mehrheit des Parlaments getragen wird. Dem Vernehmen nach sieht auch Sozialsenatorin Melanie Leonhard (SPD) eine Enquete-Kommission als Chance. Sie hatte sich schon früher als Abgeordnete im Fall Yagmur dafür stark gemacht.
Im weiteren Verlauf der Verhandlungen geht es nun darum, das Ziel der Kommission festzulegen. Für Boeddinghaus stehen die Stärkung der Kinderrechte, das Arbeitsaufkommen der Jugendamtsmitarbeiter sowie Familienarmut im Mittelpunkt. Anna Gallina, Familienpolitikerin der Grünen, drängt darauf, sich auf wenige Punkte zu fokussieren: „Wir sollten nicht zu sehr in die Breite gehen, damit wir zu Ergebnissen kommen.“ Für sie sei die zentrale Frage, weshalb Jugendämter immer wieder gegen Regeln im Pflegekinderwesen verstoßen.
Wie berichtet, haben Bezirksämter vergangenes Jahr im Zusammenhang mit den 1289 Pflegekindern in 646 Fällen die vorgeschriebenen Hilfepläne nicht erstellt, die jährlich zwei Hilfeplangespräche nicht geführt oder Berichte nicht geschrieben. Das geht aus einer Senatsantwort auf eine Große Anfrage des CDU-Familienexperten Philipp Heißner hervor. Der lehnt die Einberufung einer Enquete-Kommission vehement ab. „Es haben sich bereits mehrere Ausschüsse mit den tragischen Ereignissen beschäftigt und Ergebnisse vorgelegt. Man muss jetzt die guten Vorschriften, die dabei entwickelt wurden, einfach nur anwenden.“ Aus seiner Sicht besteht die Gefahr, dass notwendige Maßnahmen im Pflegekinderwesen während der Arbeit der Kommission verschleppt werden würden. Statt sich nun auf einen langwierigen Prozess einzulassen, müsse das „Umsetzungsproblem mit den bestehenden Regeln“ gelöst werden.
Uwe Lohmann, familienpolitischer Sprecher der SPD, sieht das anders. Er verteidigt die Enquete-Pläne. „Der Fall Tayler hat doch gezeigt, dass man sich noch einmal mit den Regeln befassen muss.“ So sollten Experten sich mit dem Umgang mit Pflegefamilien sowie den Vorschriften zur Rückführung von Pflegekindern in ihre Herkunftsfamilien befassen. Das Ziel ist, bis zur Sommerpause über die Enquete-Kommission zu entscheiden. Sie könnte dann im Herbst ihre Arbeit aufnehmen. Geplant ist eine Laufzeit von zwei Jahren.