Hamburg. Steuerschätzung stellt erneut hohe Mehreinnahmen in Aussicht. Hamburger Senat denkt über größere Ausgaben nach.

Es war nur ein einziger, zurückhaltend gesprochener Satz, aber er sagt eine Menge aus über die Stadt Hamburg. „Größer als die letzten drei Jahre“, sagte Finanzsenator Peter Tschentscher (SPD) auf die Frage, wie hoch denn der Haushaltsüberschuss in diesem Jahr ausfallen werde. Mit anderen Worten: Nachdem die Stadt bereits 2014 bis 2016 Überschüsse von bis zu 423 Millionen Euro erzielt hatte, wird es in diesem Jahr noch mehr.

In Anbetracht der Vorsicht, die Tschentscher traditionell bei solchen Prognosen walten lässt, könnte das Plus sogar bei über einer halben Milliarde Euro liegen. Zur Einordnung: Es ist keine zehn Jahre her, dass der Haushalt infolge der Finanzkrise mit fast einer Milliarde Euro im Minus war und entsprechend durch Kredite ausgeglichen werden musste.

Kommentar: Nicht die Zeit für Wunschzettel

Ein Ende dieser positiven Entwicklung ist nicht abzusehen. Auch im Rahmen der November-Steuerschätzung, die der Finanzsenator am Dienstag im Rathaus vorstellte, wurden die Erwartungen für dieses und die folgenden vier Jahre erneut um insgesamt 700 Millionen Euro nach oben korrigiert. Konkret werden für dieses Jahr nun Steuereinnahmen in Höhe von 11,285 Milliarden Euro erwartet – 164 Millionen mehr als noch im Mai geschätzt­. Im kommenden Jahr sollen es 11,415 Milliarden sein (plus 92 Mil­lionen), 2019 dann 11,806 Milliarden (plus 58), im Jahr 2020 würde mit 12,302 Milliarden Euro (plus 168) erstmals die Zwölf-Milliarden-Euro-Marke geknackt, und 2021 sollen die Einnahmen dann sogar auf 12,752 Milliarden Euro (plus 215 Millionen) ansteigen.

Tschentscher begründete die Entwicklung zum einen mit dem gleichen Satz, den er bei nahezu jeder Steuerschätzung seit seinem Amtsantritt 2011 verwendet: „Grundlage für den erfreulichen Anstieg der Steuererträge ist eine weiterhin stabile konjunkturelle Entwicklung.“ Zum anderen machte er aber auch erstmals deutlich, dass es eben nicht nur die brummende Wirtschaft ist, die die Kassen der Stadt klingeln lässt, sondern auch die wachsende Stadt.

Verbesserung der Wirtschafts- und Ertragslage

Der Senat beobachte „eine strukturelle Verbesserung der Wirtschafts- und Ertragslage, die auf eine wachsende Zahl an Einwohnern, Betrieben und Arbeitsplätzen zurückzuführen ist“, sagte Tschentscher. Daher denke er über eine weitere Anpassung der Finanzplanung nach, sprich: höhere Ausgaben. Konkret bedeutet das: Weil der Senat nicht die optimistischen Steuerschätzungen als Grundlage für seine Haushalte nimmt, sondern aus den realen Einnahmen der vergangenen 21 Jahre ableitet, wie viel er in Zukunft ausgeben darf, ist mittlerweile eine gigantische Lücke entstanden, im positiven Sinn: Die von den Steuerschätzern vorausgesagten Einnahmen für 2017 bis 2020 liegen insgesamt um fast vier Milliarden Euro über der Summe, die der Senat eingeplant hat. SPD-Haushaltsexperte Jan Quast unterstützt daher eine Steigerung der Ausgaben: „Mit der wachsenden Bevölkerung steigen auch die Anforderungen an die öffentliche Infrastruktur, an Quantität und Qualität der städtischen Leistungen.“

Wie berichtet, hat der Senat kürzlich beschlossen, das Finanzrahmen­gesetz zu ändern, das quasi den Ausgaberahmen für den Haushalt definiert. Erst diese Erhöhung um rund 200 Millionen Euro pro Jahr, die noch von der Bürgerschaft beschlossen werden muss, ermöglicht es dem Senat überhaupt, die Mehreinnahmen wenigstens zum Teil auszugeben. So war es plötzlich doch möglich, auf die umstrittene Sauberkeitsgebühr zu verzichten.

Noch mehr Geld für Kitas ist „undenkbar“

Der Finanzsenator warnte aber eindringlich vor überbordenden Wünschen und verwies darauf, dass der Etat kaufmännisch betrachtet – also inklusive Abschreibungen und Rückstellungen – immer noch tiefrot sei. Angesprochen auf die Volksinitiative „Mehr Hände für Hamburger Kitas“, deren Forderungen nach mehr Personal laut Senatsberechnungen bis zu 400 Millionen Euro jährlich zusätzlich kosten würden, betonte Tschentscher, die Kitaausgaben der Stadt würden ohnehin bald bei einer Milliarde Euro im Jahr liegen. Alles darüber hinaus sei für ihn „undenkbar“.

CDU, FDP und AfD nannten die Steuerschätzung erfreulich, mahnten aber, sich davon nicht verführen zu lassen. Als Konzern habe die Stadt einen Fehlbetrag beim Eigenkapital von 23 Milliarden Euro und steigende Schulden, sagte Thilo Kleibauer (CDU) und betonte: „Hier muss Hamburg weiter Vorsorge treffen, um bei höheren Zinsen oder konjunkturellen Einbußen keine Probleme zu bekommen.“

Hackbusch fordertet höhere Ausgaben

Jennyfer Dutschke (FDP) forderte eine größere Schuldentilgung und sagte: Das Steuerplus dürfe „nicht über weiterbestehende große Risiken hinwegtäuschen, etwa die auf die Stadt zukommenden Milliardenbelastungen aus der HSH-Nordbank-Krise“. Andrea Oelschläger (AfD) sagte: „Die Zahlen lesen sich gut, doch das strukturelle Defizit der Hansestadt mit den hohen zukünftigen Belastungen wie beispielsweise Pensionen trüben das Bild.“ Norbert Hackbusch forderte hingegen höhere Ausgaben: „Gut haushalten bedeutet nicht nur, das Geld zusammenzuhalten, sondern klug zu investieren, in Kitas und Stadtteilschulen zum Beispiel.“

Andreas Breitner, Direktor des Verbands norddeutscher Wohnungsunternehmen (VNW), plädierte dafür, einen Teil der Steuermehreinnahmen für die Senkung der Baukosten bezahlbarer Wohnungen zu verwenden: „Die Stadt könnte beispielsweise Grundstücke günstiger an jene verkaufen, die bezahlbare Wohnungen errichten.“