Hamburg. In der Werft soll ein 100 Meter langes Schiff für eine Privatperson gebaut werden. Die Anforderungen sind besondere.
Der Markt für den Bau von Megayachten ist klein. Nur rund 20 solcher Luxus-Kreuzer ab einer Länge von 80 Metern werden weltweit jährlich gebaut. Und wer das Geld hat, 100 Millionen Euro oder mehr in den Bau einer Superyacht zu investieren, der will etwas ganz Besonderes. In der Vergangenheit überboten sich Ölscheichs und russische Oligarchen bei der Frage, wer das größte private Schiff sein eigen nennen kann. Jetzt steht ein anderer Wettbewerb im Raum: Wer kommt am weitesten?
Zunehmend sind Schiffbauten gefragt, die nicht nur in den Häfen von Saint-Tropez, Marbella oder Monte Carlo bewundert werden wollen, sondern die expeditionsfähig sind, also geeignet, um in Arktis, Antarktis oder in abgelegene Flüsse von Regenwäldern vorzudringen. „Explorer Vessels“ heißen diese Megayachten. Und mitten in Hamburg bei der traditionsreichen Werft Blohm + Voss wird ein solches Schiff jetzt gebaut.
Blohm + Voss teilt sich den Auftrag
Der neue Eigner des Schiffbaubetriebs, die Bremer Lürssen Gruppe, hat den Auftrag für eine 100 Meter lange Spezialyacht an Land gezogen, wie das Unternehmen dem Abendblatt auf Nachfrage bestätigte. Den Auftrag teilt sich Blohm + Voss mit der Kleven-Werft in Norwegen, die vor zwei Jahren die für Eisfahrten ausgestattete Superyacht „Ulyssess“ für einen neuseeländischen Milliardär herstellte. Stahlrumpf und Aufbauten werden bei der Werft auf der Insel Dimnøya zwischen Bergen und Trondheim in Westnorwegen gebaut. Dann schwimmt die Karkasse (Schiffsrumpf) nach Hamburg. Hier erfolgt die Ausrüstung der Yacht sowie die Ablieferung an den Kunden.
Wer die Privatperson ist, hält Lürssen unter der Decke. Und was sie für diese Spezialyacht bezahlen muss, ist auch geheim. Peter Lürßen, der die Lürssen Gruppe zusammen mit seinem Vetter Friedrich Lürßen führt, sagte aber dem Abendblatt: „Wir werden unsere Fähigkeiten sowie die der norwegischen Werft gezielt miteinander kombinieren.“
Peter Lürßen hat im Yachtbau noch einiges vor
Was das heißt? „Mit dem Schiffbauunternehmen Kleven haben wir einen Kooperationspartner gefunden, dessen schiffbauliche Erfahrungen, etwa im Bereich des LNG- (verflüssigtes Erdgas) und E-Antriebs, unsere Fähigkeiten in der High-End-Ausrüstung optimal ergänzen. Dadurch sind wir imstande, ein neues Produkt zu entwickeln und erfolgreich am Markt zu platzieren“, so Lürßen. Baustart soll im nächsten Jahr sein.
Für Blohm + Voss ist dieser Auftrag eine Riesensache. Es ist das erste Mal seit fünf Jahren, dass die Werft, die zuletzt ins Schlingern geraten war, einen neuen Ausrüstungsvertrag im zivilen Schiffbau erhält. Die Arbeiten an dem Schiff werden länger als ein Jahr dauern.
Lürßen hat aber noch mehr vor. Er will nicht nur das eine Schiff bauen, sondern eine ganze Produktlinie solcher Explorer Vessels aufbauen. Wird diese zum Erfolg, wäre der Erhalt von Blohm + Voss in Hamburg auf Jahrzehnte gesichert. „Die finalen Ausrüstungsarbeiten der nun mit dem ersten Explorer Vessel gestarteten Produktlinie werden durch uns gemeinsam mit der bei Blohm + Voss neu gegründeten Refit-Abteilung verantwortet und am Hamburger Werftstandort durchgeführt“, sagte Lürßen. „Wir sind zuversichtlich, mit diesem innovativen Schiffstyp weitere Kunden von unserem Produkt zu überzeugen und einen weiteren Baustein zur Sicherung unseres Hamburger Werftstandorts zu leisten.“
„Wir sind stolz dieses erste Ergebnis einer Kooperation zwischen Lürssen und Kleven bekannt zu geben“, sagte der Vorstandschef der norwegischen Werft, Ståle Rassmussen. „Mit ihrer 140-jährigen Geschichte im Bau von Luxusyachten ist Lürssen an Wissen und Erfahrung konkurrenzlos. Wir sind stolz, dass sie uns als Langzeitpartner gewählt haben.“ Er hoffe, dass es sich bei dem Auftrag um den ersten von vielen für solche Schiffe handelt, sagte Rassmussen.
Jahrelang hatte Blohm + Voss um einen Neubauauftrag im Yachtbereich gekämpft. Man sei kurz vor Vertragsabschluss, lautete die Devise, als der britische Finanzinvestor Star Capital Partners Eigentümer der Werft war. Zählbares kam dabei nicht zustande. Erst seit der Übernahme der Hamburger Traditionswerft durch die Bremer Lürssen Gruppe geht es wieder bergauf. Der Preis, den die Werft dafür zahlen muss, ist hoch. 300 feste Arbeitsplätze werden in diesem und im kommenden Jahr abgebaut. Leiharbeiter müssen zusätzlich gehen und der Rest muss Einschnitte beim Urlaubs- und Weihnachtsgeld hinnehmen. Zudem soll das Produktionsgelände der einstmals stolzen Werft verkleinert werden.
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