Hamburg. Nach kräftigem Jobabbau schreitet die Sanierung der Traditionswerft voran. Eigentümer Lürssen investiert
Der Umbau der Hamburger Traditionswerft Blohm+Voss schreitet voran. Nach der Übernahme durch das Bremer Familienunternehmen Lürssen Ende vergangenen Jahres wurde bekannt, dass der Betrieb deutlich heruntergewirtschaftet war. Schon wurde über eine Schließung spekuliert. Mittlerweile sind die Zukunftsaussichten wieder besser. „Der Anbindungsprozess, den wir bereits kurz nach der Übernahme durch Lürssen gestartet haben, ist mittlerweile auf zahlreichen Ebenen spürbar und wird von den Mitarbeitern von Blohm+Voss zusehends als dringend notwendige Maßnahme aktiv unterstützt“, sagt der Geschäftsführer von Blohm+Voss, Dieter Dehlke, dem Abendblatt.
Noch vor wenigen Monaten sah das anders aus. Zu Hunderten zogen wütende Werftarbeiter im April in einem Protestmarsch durch den Alten Elbtunnel bis vors Rathaus. „Wir haben seit Jahren darauf hingewiesen, dass sich etwas ändern muss. Nun ist der Schlamassel da, und die Kollegen müssen ihn ausbaden“, rief der Betriebsratschef Murat Acerüzümoglu damals.
Im Februar kündigte Lürssen den Abbau von 300 Stellen an
Was war passiert? Nach einer ersten Bestandsaufnahme hatten die neuen Eigner festgestellt, dass ihr Vorgänger, die britische Investmentfirma Star Capital Partners, die einstige Vorzeigewerft ziemlich vernachlässigt hatte. Die Industrieanlagen und Produktionsprozesse waren veraltet, Bauaufträge fehlten, Lürssen sprach von einem „kritischen Zustand“. Der Fortbestand des einstigen Herzstücks der Hamburger Industrie stand auf der Kippe.
Lürssen reagierte mit tiefen Einschnitten bei der Belegschaft. Ein Drittel der 900 Beschäftigten soll gehen, 150 in diesem und 150 im kommenden Jahr. Die verbleibenden Mitarbeiter mussten Lohneinbußen hinnehmen. „Um Blohm+Voss als Werftstandort zu erhalten und für die Zukunft bestmöglich aufzustellen, werden wir uns, wie angekündigt, bis Mitte kommenden Jahres von rund 300 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern getrennt haben“, sagt Dehlke. Dabei wird die zweite Kündigungswelle 2018 geringer ausfallen: „Die Personalanpassungen, die wir im Rahmen eines Freiwilligenprogramms, einer Transfergesellschaft und eines Sozialplans mit dem Betriebsrat und der Gewerkschaft vereinbart haben, sind bereits zum größten Teil im August dieses Jahres umgesetzt worden. Wir konnten dabei sozialverträgliche Lösungen erzielen und die Zahl der betriebsbedingten Kündigungen auf ein Minimum beschränken.“
Tatsächlich habe es nur eine Handvoll betriebsbedingter Kündigungen gegeben, bestätigte Emanuel Glass, zweiter Bevollmächtigter der IG Metall Hamburg. Er verhandelte mit Lürssen über die Einschnitte. „Viele Kollegen, sogar mehr als vorgesehen, haben freiwillig die Abfindung genommen, so- dass im kommenden Jahr nur noch 130 bis 140 anstatt 150 gehen müssen.“
Nicht nur die Belegschaft, auch die Werft insgesamt muss schrumpfen: „Zur Effizienzsteigerung und unter Berücksichtigung der aktuellen und absehbaren Auftragslage haben wir für den Standort unter anderem ein neues Flächenkonzept entwickelt. Dieses sieht zum Beispiel eine konsequenter am Materialfluss ausgerichtete Fertigung vor – mit weniger Schnittstellen, konzentrierter auf kleinerem Raum und mit verkleinerten Lagerflächen“, sagte Geschäftsführer Dehlke. Pläne zur Reduzierung der Gesamtfläche bestünden derzeit aber ausdrücklich nicht, betonte er.
Die IG Metall befürwortet das: „Man sieht, dass hier etwas geschieht. Derzeit werden die Waschräume verlegt und neu gebaut“, sagte Glass. „Lürssen hat, im Gegensatz zu den alten Eigentümern, einen Plan mit der Werft. Dieser steht nicht immer im Einklang mit unseren Vorstellungen, aber immerhin haben sie einen Plan und investieren Geld.“
Die Auftragslage hat sich laut Geschäftsführung gebessert
Und vor allem bemühe sich der neue Eigentümer, das hinzubekommen, was die Vorgänger immer weniger schafften: neue Aufträge zu generieren. So habe sich die Auftragslage gebessert, sagte Dehlke: Die Wirkung der zahlreichen Veränderungen sei in den vergangenen Wochen auch von den Landungsbrücken aus deutlich sichtbar gewesen. „Wir haben signifikante Reparatur- und Refit-Aufträge abgewickelt – unter anderem für Hapag-Lloyd und die Deutsche Marine.“ So lagen jüngst die Kreuzfahrtschiffe MS „Europa“ und MS „Europa 2“ in den Docks.
Was weiterhin fehle, sei eine Grundauslastung durch einen Neubauauftrag, bemängeln indes die Arbeitnehmervertreter. Hoffnung legen sie in die Bestellung der Bundeswehr von fünf neuen Korvetten. Diese sollen von einem Konsortium deutscher Werften gebaut werden. „Lürssen hat einen beträchtlichen Anteil daran, und wir hoffen, dass Blohm+Voss davon mit großen Arbeitspaketen profitieren wird“, sagte Glass. Noch habe sich das Unternehmen nicht dazu geäußert, wie viel vom Korvettenbau nach Hamburg vergeben wird. Die Auslieferung der Bundeswehrschiffe ist von 2022 an geplant.