Hamburg. Die Bürgerschaft erlebte einen heftigen Schlagabtausch über innere Sicherheit – bis das Parlament am Ende doch etwas zu lachen hatte.

Ist die Innere Sicherheit in Hamburg nicht mehr gewährleistet? Oder leben die Hamburger im Gegenteil so sicher wie seit Jahren nicht mehr? Diese zwei grundverschiedenen Sichtweisen sind am Mittwoch in der Bürgerschaft aufeinandergeprallt und haben zu einem heftigen Schlagabtausch geführt, für den sogar die Aktuelle Stunde verlängert wurde.

„Strafvollzug und Polizei am Limit“ – schon mit der Wahl des Themas machte die CDU ihre Position klar. Auslöser dafür waren zwei Nachrichten aus den vergangenen Tagen: Zum einen hatte der Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) massiv eine Überlastung der Kripo beklagt, und der rot-grüne Senat musste auf Nachfrage der CDU einräumen, dass tatsächlich 8000 Fälle derzeit zurückgestellt seien und nicht bearbeitet würden.

Zum anderen hatte ebenfalls die CDU durch eine Große Anfrage an den Senat herausgefunden, dass die Zahl der Justizvollzugsbeamten in den sechs Hamburger Gefängnissen in den vergangenen zwei Jahren von 894 auf 867 gesunken ist, während die Zahl der Gefangenen im gleichen Zeitraum von 1548 auf 1957 gestiegen ist.

Zahl der Straftaten insgesamt rückläufig

Dennis Gladiator (CDU) griff Innensenator Andy Grote (SPD) vor allem dafür an, dass der die Äußerungen des BDK-Chefs als „verantwortungslos“ kritisiert hatte. „Dem Innensenator sind die Nerven durchgegangen und er hat den Vorsitzenden des BDK wüst beschimpft, da fehlen mir die Worte.“ Gladiator verwies auf 200 unbesetzte Stellen und eine Million Überstunden bei der Polizei und forderte von Grote: „Verstärken Sie die Polizei, sorgen Sie für mehr Sicherheit.“

Sören Schumacher (SPD) konterte mit einem Verweis auf die jüngste Kriminalstatistik, die ebenfalls für Aufsehen gesorgt hatte: Die Zahl der Straftaten sei insgesamt stark rückläufig, die der Einbrüche um 27 Prozent zurückgegangen und die der Gewaltdelikte auf einem Zehn-Jahres-Tief. „Das Risiko, in Hamburg Opfer einer Straftat zur werden, ist so niedrig wie seit 15 Jahren nicht mehr“, betonte Schumacher.

Immerhin: Sowohl Regierung als auch Opposition räumten ein, dass die Sicherheitsbehörden im vergangenen Jahr mit diversen Großereignissen wie dem OSZE- und dem G20-Gipfel zusätzlich belastet waren und dass die Sonderkommissionen zur Bekämpfung von Einbruchskriminalität, Rockerbanden und Autoposern gute Arbeit leisteten.

„Wir gehen durch eine harte Zeit“, sagte Innensenator Grote. Die Großereignisse und ihre Aufarbeitung würden „erhebliche Personalressourcen“ binden, was an anderer Stelle zu Engpässen führe. 8000 zurückgestellte Fälle seien zwar „ärgerlich“, aber nicht ungewöhnlich, sagte Grote. Angesichts der hohen Gesamtzahl sei das ein Bearbeitungsstau von einer Woche. „Wer da noch behauptet, die Stadt werde unsicherer, weiß nicht, wovon er spricht.“

Kritik an Personalmangel in den Gefängnissen

Anna von Treuenfels-Frowein (FDP) regte sich dennoch auf: „Während jeder Bürger im Handumdrehen für falsches Parken einen Strafzettel bekommt, werden andere Straftaten gar nicht mehr bearbeitet.“ Antje Möller (Grüne) verteidigte die Prioritätensetzung der Polizei hingegen als effizient und Folge einer „sorgfältigen Abwägung“. Auf einen Zwischenruf der CDU, das sei doch keine Lösung, antwortete Möller: „Natürlich ist das die Lösung.“ Immer nur mehr Personal zu fordern, sei hingegen Aktionismus.

Richard Seelmaecker (CDU) griff Justizsenator Till Steffen (Grüne) wegen der Lage in den Gefängnissen an. Der Personalmangel sei „gefährlich“ und führe dazu, dass Häftlinge schlechter betreut würden, nicht an die frische Luft kämen und keinen Sport mehr machen könnten. Über das von Steffen geplante Resozialisierungsgesetz brauche man daher gar nicht mehr zu reden.

Der Justizsenator keilte in markigen Worten zurück. Seelmaecker erwecke immer wieder den Eindruck, im Justizbereich sei alles schrecklich, ignoriere Verbesserungen und mache keine eigenen Vorschläge. „Das Stück heißt ,Die Ideenlosigkeit des Richard Seelmaecker’. In prominenter Nebenrolle: Anna-Elisabeth von Treuenfels-Frowein“, spottete Steffen in Richtung von CDU und FDP. Er räumte zwar ein, dass Haftplätze derzeit knapp seien, aber daher werde ja jedes Jahr mehr Personal eingestellt als es Abgänge gebe. „Und so wird es auch weitergehen.“

Die gescholtene FDP-Politikerin revanchierte sich umgehend: „Das glaubt Ihnen doch keiner“, sagte Treuenfels-Frowein zu Steffens Ausführungen. „Sie stellen sich hier hin mit all’ Ihrer Redegewandtheit und Ihren blauen Augen und sagen ,Wir machen einen modernen Strafvollzug’ – hahaha.“ Das war so unterhaltsam, dass fast das ganze Parlament lachte. Kommt bei dem Thema auch nicht alle Tage vor.