Hamburg/Norderstedt. Die Kosten für die Modernisierung des Gefängnisses haben sich verdoppelt. Die Nachforderung: 17,41 Millionen Euro.
Die Preissteigerung ist kein Pappenstiel, sondern eine Kostenexplosion: Sanierung, Umbau und Erweiterung der Hamburger Justizvollzugsanstalt (JVA) Glasmoor in Norderstedt werden statt mit 16,94 Millionen Euro, wie 2012 angenommen, nach neuesten Berechnungen mit 33,46 Millionen Euro zu Buch schlagen – das ist ein Ausgabenplus von rund 100 Prozent. Auf dem Gelände am nördlichen Stadtrand Hamburgs soll ein neues Hafthaus mit 108 Haftplätzen gebaut und das bestehende Hafthaus I so umgebaut und modernisiert werden, dass die Mehrfachbelegung (bis zu acht Gefangene) in Sälen abgeschafft wird. Die Zahl der Haftplätze für „erwachsene männliche Strafgefangene“ im offenen Vollzug der JVA Glasmoor soll von 190 auf 231 erhöht werden.
Als die erheblichen Mehrausgaben vor knapp einem Jahr bekannt wurden und die Justizbehörde sich an eine Überarbeitung der Pläne machte, war die Aufregung zwar einerseits groß, aber dennoch beschloss die Bürgerschaft Anfang 2017 einstimmig, die Planungen mit der erheblichen Verteuerung fortzusetzen. Die fraktionsübergreifende Einigkeit kam auch deswegen zustande, weil in der entsprechenden Mitteilung des Senats an die Bürgerschaft Klartext geschrieben wurde.
Hamburg hat sechs Haftanstalten
„Die Anfang 2012 vorgelegte Realisierungsstudie mit einem Preisstand von 2011 war unvollständig und fehlerhaft“, heißt es ungewöhnlich deutlich in der Drucksache. Die Kosten für die technische Gebäudeausrüstung (Heizung, Sanitär, Elektro- und Sicherungstechnik, die Red.) seien zu gering kalkuliert worden. Vor allem seien aber die Grundsätze des kostenstabilen Bauens, die in Hamburg seit dem finanziellen Desaster beim Bau der Elbphilharmonie verpflichtend sind, nicht berücksichtigt worden, „sodass weder Kostenvarianz noch Preissteigerungen einbezogen wurden“.
Fairerweise muss hinzugefügt werden, dass die Richtlinien, die der SPD-Senat 2012 eingeführt hat, erst nach den ersten Planungen für die JVA Glasmoor wirksam wurden. Durchkreuzt wurde zudem der ursprüngliche Plan, die vorhandene historische Straße zum Gefängnis als Baustraße zu benutzen und anschließend wieder herzurichten. Aus Naturschutzgründen muss nun stattdessen eine neue Straße gebaut werden, für die Hamburg Flächen aufkaufen muss – alles in allem ebenfalls ein erheblicher Kostenfaktor.
Politisch pikantes Erbe
Politisch durchaus pikant ist, dass Justizsenator Till Steffen (Grüne) – seit 2015 im Amt – die Kostensteigerung von seiner Vorgängerin Jana Schiedek (SPD) gewissermaßen geerbt hat. Steffen setzte sich aber im neuen rot-grünen Senat für die Fortführung der Bauarbeiten trotz der Kostensteigerung ein, nicht zuletzt auch, weil der offene Vollzug ein wichtiges Element des Strafvollzugs ist. „Resozialisierung ist der beste Opferschutz. Der offene Vollzug ist ein elementarer Teil der Wiedereingliederung in ein straffreies Leben“, sagte Steffen damals.
Kalkulierte Preissteigerungen
Nach dem Grundsatzbeschluss von Senat und Bürgerschaft Anfang des Jahres geht es jetzt ums Geld. Die Justizbehörde hat errechnet, dass sich die Kosten noch einmal vergleichsweise geringfügig um 311.000 Euro erhöhen werden. Verantwortlich sind dafür in erster Linie kalkulierte Preissteigerungen in den nächsten Jahren. In der Drucksache der Justizbehörde, die jetzt in die Abstimmung zwischen den Behörden geht und dem Abendblatt vorliegt, wird nun insgesamt ein Mehrbedarf von 17,41 Millionen Euro im Bereich der Investitionen angegeben. Eingerechnet ist eine Kostensteigerung um 263.000 Euro beim fertiggestellten Um- und Ausbau eines Hafthauses auf dem Gelände der JVA Billwerder, in dem der Frauenvollzug untergebracht ist. Die Bürgerschaft wird nach dem Beschluss des Senats voraussichtlich Ende des Jahres über die Nachforderung entscheiden.
Wenn alles nach Plan läuft, dann wird in der JVA Glasmoor das neue Hafthaus III, in dem auch die Küche untergebracht werden soll, in den Jahren 2018 und 2019 errichtet. Anschließend, von 2019 bis 2022, folgen die Sanierung und der Umbau des Hafthauses I. Die relativ langen Bauzeiten ergeben sich, weil Bau und Sanierung nicht parallel durchgeführt werden können, um den laufenden Haftbetrieb nicht zu beeinträchtigen. Andernfalls müssten einzelne Abteilungen geschlossen werden, was wegen der starken Inanspruchnahme der Haftplätze nicht möglich wäre. Ende Juli war die JVA Glasmoor zu 100 Prozent belegt.
Gefängnis wurde 1922 eröffnet
Das Gefängnis wurde 1922 eröffnet. Der denkmalgeschützte zentrale Backsteinbau mit dem markanten, 22 Meter hohen Uhrturm wurde in einem ersten Bauabschnitt bereits saniert. Die 1928 fertiggestellte Anlage geht auf einen Entwurf des damaligen Oberbaudirektors Fritz Schumacher zurück. Steffen hatte 2009 während seiner ersten Amtszeit die Schließung der JVA wegen damals zu geringer Gefangenenzahlen und eine Verlagerung des offenen Vollzugs nach Fuhlsbüttel verkündet. Steffens Nachfolgerin Schiedek hatte den Plan rückgängig gemacht und sich statt dessen für den Ausbau entschieden, der jetzt vollzogen wird.