Hamburg. Autovermieter Andreas Maske importiert Fahrzeuge und gibt sie an ökobewusste Kunden weiter. Die erste Lieferung kommt im November.

Kein Brummen, kein Klappern, kein Vibrieren. Einfach nur Stille. Andreas Maske dreht den Schlüssel im Zündschloss. Nach einem kurzen Moment erscheint ein „Ready“ in grüner Leuchtschrift im Display. Bereit zum Fahren. Er legt den Automatikknüppel von P (Parken) auf D (Drive) und gibt Gas. Sekundenschnell beschleunigt der silbergraue Lieferwagen „Maxus“ auf Tempo 50, saust ohne Schalten über den Asphalt. Abgasfrei und leise. Ein völlig neues Fahrgefühl.

Neuer Umweltprämien-Rekord

Was E-Auto-Fahrer längst schätzen, zieht jetzt auch in den Lieferverkehr ein: Kleintransporter mit Elektromotoren. Allerdings nicht „Made in Germany“, sondern „Made in China“. „Die deutsche Autoindustrie hat das Segment für Elektro-Lieferfahrzeuge für Geschäftsleute total verschlafen“, berichtet der Inhaber und Geschäftsführer der Auto-Langzeitvermietung Maske. Gern hätte der Hamburger auf heimisches Know-how gesetzt.

„Niemand konnte mir ein Angebot machen“

Doch als der Geschäftsmann vor drei Jahren auf die Suche nach batteriebetriebenen Transportern für seine Kunden ging, stieß er bei den großen deutschen Autoherstellern – wie Daimler und Volkswagen – nur auf Schulterzucken, erzählt der 58-Jährige: „Niemand konnte mir ein Angebot machen. Erste Modelle waren frühestens 2019 zu erwarten, so die Ansage.“ Maske erging es damit ähnlich wie der Deutschen Post, die mangels Angeboten ein eigenes Zustellauto – den Streetscooter – entwickelte.

Sein Pioniergeist ließ Maske jedoch nicht verzagen. Angesichts der Klimadiskussion, hoher Feinstaub-Belastungen und drohender Fahrverbote suchte der Familienunternehmer nach Alternativen. Fündig wurde er im fernen China. Beim größten chinesischen Autobauer SAIC (Shanghai Automotive Industry Corporation), der auch Kooperationspartner von VW ist und dessen Europazentrale in Luxemburg sitzt, erhält Maske für drei Jahre die Vertriebsrechte für einen E-Transporter für Deutschland und Österreich.

200 Autos hat Maske für dieses Jahr bestellt

Das Modell Maxus ist 5,70 Meter lang, hat Platz für rund zehn Kubikmeter Last. Es beschleunigt in 24 Sekunden auf Tempo 100 – die Maximalgeschwindigkeit. Seine Batterie reicht 200 Kilometer, beladen 160 Kilometer. „Das genügt vielen Gewerbetreibenden für Transporte in der Innenstadt. Nachts kommen die Wagen auf den Firmenhöfen an die Steckdosen und sind am nächsten Tag wieder einsatzbereit.“ Ladedauer je nach Stromversorgung: zwei (bei Gleichstrom) bis sechs Stunden (Wechselstrom).

200 Autos hat Maske für dieses Jahr bestellt, die Mitte November mit dem Schiff ankommen. Für das nächste Jahr sind weitere 2000 Fahrzeuge geordert. Es gibt schon zahlreiche Vorbestellungen. „Die meisten Kunden wollen die Fahrzeuge zunächst nur mieten.“ Darunter sind Mittelständler, Großbäckereien, Friedhofsgärtner und Paketzusteller. „Noch herrscht Skepsis wegen der Batterieleistung“, erzählt Maske.

„Alles ist solide gebaut“

Ihm selbst ist dabei nicht bange. Bevor Maske dem Vertrag mit den Chinesen zugestimmt hat, haben seine Monteure einen Transporter in seine Einzelteile zerlegt und geprüft – von Bremsen über Reifen bis zum Motor. Zunächst waren seine Mechaniker misstrauisch, ob China mehr kann als Billigwaren. Doch nach der Inspektion waren alle überzeugt, so Maske: „Der Transporter ist vielleicht nicht sexy, was er auch nicht sein muss – aber dafür zuverlässig. Alles ist solide gebaut.“

Maskes Fuhrpark umfasst rund 8000 Autos – von Liefer- und Kühlfahrzeugen bis zu Pkw. Vermietet werden sie bundesweit auf zehn Standorten – unter anderem in Hamburg, Berlin, Köln und Leipzig – sowie in Wien. Firmensitz ist im niedersächsischen Bockel. Maske beschäftigt 200 Mitarbeiter und beziffert den Umsatz auf 80 Millionen Euro. Kunden sind zumeist Handwerker, Pflege- oder Paketdienste. Im Hamburger Hafen fahren rund 1000 seiner Fahrzeuge bei der HHLA und für das Brandschutz-Unternehmen Minimax. Maske selbst wohnt in Hamburg.

Sehr hohe Anschaffungskosten

Wer sich für einen E-Transporter entscheidet, muss derzeit allerdings noch tiefer in die Tasche greifen. Die Anschaffung eines Maxus ist mit rund 55.000 Euro fast doppelt so teuer wie ein vergleichbares Fahrzeug mit Verbrennungsmotor. Günstiger sind dagegen Reparaturen und die Kosten für den Stromverbrauch. So ist die Wartung etwa 70 Prozent billiger, rechnet Maske vor. „Unterm Strich kostet ein E-Transporter inklusive Betrieb etwa 15 Prozent mehr als herkömmliche Wagen. Das liegt an den derzeit sehr hohen Anschaffungskosten, insbesondere für die Batterie.“

Für viele Unternehmen lohnt sich die Investition dennoch. Es hilft dem Firmenimage, unterstreicht Umweltbewusstsein und Modernität. Zudem gibt es beim Kauf 2000 Euro staatliche Elek­troauto-Prämie. Mit zunehmender Konkurrenz werden die Fahrzeuge aber noch attraktiver, ist Maske überzeugt. „Spätestens 2019 und 2020 wird sich vieles tun, wenn auch deutsche Anbieter mit E-Transportern an den Markt kommen. Dann sinken die Preise.“ Aktuell ist die Konkurrenz überschaubar – beziehungsweise kaum vorhanden.

Fast unfreiwillig zu einem großen Anbieter entwickelt sich die Deutsche Post mit ihrem Streetscooter, allerdings mit geringerer Ladefläche und einer Reichweite von nur 80 Kilometern. 3400 Autos hat die Post nach eigenen Angaben bereits in der Zustellung im Einsatz. Seit Kurzem verkauft sie die Wagen auch an Dritte. Künftig sollen jährlich bis zu 20.000 Autos produziert werden. Der US-Autobauer Tesla hat unterdessen die Vorstellung seines E-Lastwagens zunächst verschoben.

Die Preise werden aber auch sinken, weil die Motoren leichter zu konstruieren sind. „Während für einen Dieselmotor rund 1700 Teile gebraucht werden, sind für einen E-Motor nur 17 Teile notwendig“, so Maske. „Man braucht keinen Tank, keine Schläuche. Dies muss sich einfach langfristig in günstigeren Preisen niederschlagen.“ Allerdings – so fürchten nicht nur Politik und Gewerkschaften – wird dies zu einem enormen Jobabbau führen.

Von China lernen

Nach einer Studie des Ifo-Instituts könnte die Hälfte der rund 900.000 Stellen in der deutschen Autoindustrie wegfallen, wenn ab 2030 keine Verbrennungsmotoren mehr zugelassen wären. Doch bevor E-Mobilität zum Erfolgsmodell in Deutschland werden kann, ist noch vieles zu tun. „Noch gibt es zu wenig Ladestationen, und der Strom ist noch zu teuer“, meint Maske. Zudem fehlen einheitliche Ladestecker und Abrechnungsstandards.

Lernen kann Deutschland hier von China. „China ist bei der Umsetzung von E-Mobilität in der Welt führend. In dem Land der Mitte fahren die meisten E-Roller, E-Autos und E-Transporter“, sagte Ferdinand Dudenhöffer, Leiter des Car-Centers an der Universität Duisburg-Essen. Und dieser Trend werde sich 2019 beschleunigen, wenn das Land eine Pflichtquote einführt. „Dann kommen jährlich rund 2,5 Millionen E-Autos pro Jahr auf die Straße.“ China sei zugleich auch für Deutschland Schrittmacher der E-Mobilität. „Ohne China und Tesla würden die Deutschen weiter nur Diesel und Benziner bauen“, sagt Dudenhöffer.

Nur eine Frage der Zeit

Für Maske ist der Durchbruch nur eine Frage der Zeit. „Wenn man einmal E-Auto gefahren ist, so ist das wie ein Virus.“ Maske ist längst infiziert, fährt auch privat ein E-Auto. Ihn fasziniert vor allem die Beschleunigung: „Beim Anfahren lassen die E-Fahrzeuge so manchen Porsche hinter sich.“