Hamburg. In der Stadt gibt es deutlich weniger E-Autos und Ladestationen als geplant. Hamburger Netzbetreiber soll Infrastruktur ausbauen.
Die Lücke zwischen Anspruch und Realität ist groß: Schon bis Mitte 2016 sollte es in Hamburg knapp 600 Ladepunkte für Elektroautos geben. Das hatte der Senat im August 2014 in einem Masterplan festgeschrieben. Doch bis heute sind es erst gut 300. Fast alle von ihnen betreibt das städtische Unternehmen Stromnetz Hamburg (SNH). „Wir haben unseren Anteil von 50 Prozent an der im Masterplan genannten Zahl schon im vorigen Jahr realisiert“, sagt Thomas Volk, Technischer Geschäftsführer der Firma, „aber andere Betreiber, mit denen man damals gerechnet hatte, sind ausgeblieben.“
12 Ladestationen in der Woche
Aus diesem Grund habe die Stadt das Unternehmen beauftragt, bis Ende Oktober auch die restlichen Ladestationen, die zur Erfüllung des Ziels nötig sind, noch zu errichten. „Wir stellen bis zu zwölf Ladepunkte pro Woche fertig“, sagt Volk.
Kommentar: Schluss mit dem Stückwerk
Für Stefan Zisler, Experte für Elektromobilität bei SNH, ist der Grund für das bislang weitgehend ausgebliebene Interesse privater Stromtankstellen-Betreiber offensichtlich: „Auch der Fahrzeughochlauf liegt um mindestens ein Jahr hinter früheren Prognosen zurück.“ Tatsächlich sind in Hamburg nach Angaben des Unternehmens derzeit erst etwa 2000 rein elektrisch angetriebene Autos unterwegs, was einem Marktanteil von weniger als 0,3 Prozent entspricht. Dabei kamen 2016 lediglich 358 solcher Fahrzeuge hinzu.
Weniger E-Autos als gedacht
„Mit dem Masterplan wollte der Senat eine Lösung für das Henne-Ei-Problem der Elektromobilität finden“, sagt Zisler: Die verbreitete Befürchtung, keine Stromtankstelle zu finden, sollte ausgeräumt werden, damit ein bedeutender Hinderungsgrund für den Kauf batteriebetriebener Pkw wegfällt. „Der Hamburger Masterplan beruhte auf Planzahlen aus dem Jahr 2013, als auch die Bundesregierung noch an dem Ziel festhielt, dass bis 2020 eine Million Elektroautos in Deutschland fahren sollen.“
Zwar glaubt daran niemand mehr. Nach Einschätzung von Volk geht es aber nur um eine Verschiebung auf der Zeitachse: „Wir gehen fest davon aus, dass die Elektromobilität vor dem Durchbruch steht.“ Vor diesem Hintergrund hat der städtische Netzbetreiber eine Studie zu den Auswirkungen dieser Antriebstechnologie auf das Hamburger Stromnetz bei der Helmut-Schmidt-Universität in Auftrag gegeben. Demnach erwarten die Experten rund 100.000 Elektro-Pkw in Hamburg im Jahr 2030.
Hoher Stromverbrauch in Hamburg
Hinzu kommt die Elektrifizierung des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV), der ab 2020 ungefähr 1600 E-Busse beschaffen wird, sowie der Neubau der U 5 im kommenden Jahrzehnt. Für die batteriebetriebenen Pkw veranschlagt man einen zusätzlichen Energiebedarf von etwa 0,5 Terawattstunden pro Jahr (TWh/a), die Busse verursachen einen Strom-Mehrbedarf von voraussichtlich gut 0,1 TWh/a. Zum Vergleich: Aktuell liegt der Gesamtverbrauch Hamburgs bei 12,4 TWh pro Jahr. „Für eine Stadt ist das ein sehr hoher Wert“, sagt Volk: „Berlin hat doppelt so viele Einwohner, benötigt mit 13,8 Terawattstunden pro Jahr aber nur wenig mehr Strom als Hamburg.“ Der Grund für den hohen Verbrauch in der Hansestadt liegt in der Präsenz von großen Industriebetrieben; ein Drittel des Hamburger Strombedarfs geht auf das Konto von nur zehn der insgesamt 1.130.000 Netzkunden.
Stromnetz ist veraltet
Wie die Verbrauchszahlen aus der Studie zeigen, hält sich der zusätzliche Stromverbrauch durch die Elektromobilität in Grenzen – eine Prognose, die sich mit anderen Schätzungen eines bundesweiten Mehrbedarfs im niedrigen einstelligen Prozentbereich bis zum Jahr 2030 decken. Für die Energieerzeugung ist SNH allerdings auch nicht zuständig, sondern für die Verteilung des von mehr als 400 Lieferanten kommenden Stroms auf die Verbraucher in der Stadt. Wie sich aus der Studie ergibt, müssen jedoch vier von insgesamt 53 Umspannwerken angesichts der erwarteten Anforderungen ertüchtigt werden.
Ohnehin sollen sich die jährlichen Investitionen von bisher 80 Millionen Euro nun mindestens verdoppeln: „Innerhalb der nächsten fünf Jahre werden wir eine Milliarde Euro investieren“, sagt Volk. Dabei ist die Elektromobilität ein wichtiger Treiber, aber nicht der Einzige: „Große Teile des Netzes stammen noch aus den 60er- und 70er-Jahren und müssen modernisiert werden.“
Ein Ladepunkt kostet knapp 10.000 Euro
Die Ausgaben für die zusätzlichen E-Auto-Ladesäulen nehmen sich dagegen eher bescheiden aus. Inklusive Anschluss an das Stromnetz kostet ein solcher Ladepunkt knapp 10.000 Euro. Gleichstrom-Schnell-Ladeeinrichtungen, die eine Aufladung in 30 bis 40 Minuten ermöglichen, sind mit rund 40.000 Euro aber erheblich teurer. An der Entwicklung dieser Säulen, von denen im Rahmen des Masterplans bis zu 70 in Hamburg entstehen werden, war SNH beteiligt.
Vor allem aber hat das Unternehmen eine Software entwickelt, die E-Auto-Fahrern ein „spontanes Laden“ ohne vorherige Vertragsbindung ermöglicht. Das geht per Smartphone-App oder per SMS. Daneben sind 100.000 Chipkarten – auch solche, die von Vertragspartnern außerhalb Hamburgs ausgegeben wurden – im System freigeschaltet. Bei insgesamt etwa 4000 Ladevorgängen pro Monat entfallen nach Angaben von SNH immerhin etwa 200 auf Spontannutzer.
Hamburg als Vorreiter
Inzwischen haben schon mehrere Ladennetzbetreiber anderer Städte das System von Stromnetz Hamburg übernommen. „Wir sind stolz darauf, dass sich das Hamburger Modell mit dem einfachen Zugang zu den Ladesäulen in Deutschland verbreitet“, sagt Volk. Zudem erwacht offenbar in Hamburg das Interesse privater Betriebe, ebenfalls Ladepunkte zu errichten, wie Zisler beobachtet: „Jeden Tag rufen uns mehrere Firmenkunden an und auch die Wohnungsbaugesellschaften melden sich jetzt vermehrt.“