Hamburg. Die Kassenärztliche Vereinigung will die Versorgung der Patienten neu organisieren. Das müssen Patienten jetzt wissen.
Das neue Notdienst-Konzept der Kassenärztlichen Vereinigung Hamburg wird die Versorgung der Hamburger und vieler Patienten aus dem Umland auf völlig neue Füße stellen. Das Abendblatt beantwortet die wichtigsten Fragen.
Warum gehen so viele Patienten sofort in die Notaufnahme der Krankenhäuser?
Weil es so einfach ist. In Hamburg gibt es 23 Kliniken mit der Lizenz für Notaufnahmen, aber nur zwei Notfallpraxen der niedergelassenen Ärzte: in Farmsen (Berner Heerweg 124) und auf St. Pauli (Stresemannstraße 54). Vielen Patienten fehlt ein ausgebildetes Körpergefühl, wie Ärzte sagen. Eine Diagnose von „Dr. Google“ verschlimmert mitunter das Gefühl, akut erkrankt zu sein. Nach einer UKE-Studie glaubt etwa jeder dritte Patient in der Notaufnahme, dass er gar kein Notfall ist.
Was passiert beim Anruf unter der 116 117?
Von Jahresbeginn 2018 an können Patienten mit medizinischen Notfällen die europaweit einheitliche Nummer 116 117 wählen. Ein Servicemitarbeiter kann bei Bedarf den Rettungswagen rufen oder innerhalb kürzester Zeit mit einem Hausarzt verbinden (auch Rückruf). Der Hausarzt befragt den Patienten und entscheidet: Notarzt der KV zum Hausbesuch schicken,
Leitartikel: Der neue Arztnotruf
Patienten in die Notfallpraxis der KV lotsen oder Termin beim Facharzt im Hamburger Stadtgebiet am nächsten Tag besorgen. Dabei spielt es keine Rolle, ob jemand privat oder gesetzlich versichert ist.
Ersetzt der Terminservice von 116 117 die Terminservicestelle?
Nein. Die im vergangenen Jahr eingeführten Terminservicestellen der KV vermitteln Termine zum Beispiel beim Orthopäden oder Kardiologen, wenn der Patient bei dem Arzt, den er angefragt hat, erst später eine Untersuchung bekommen könnte. Der neue Notfall-Dienst soll auch nur für akute Erkrankungen gelten.
Welche Ärzte habe ich am Telefon?
Die KV setzt auf freiwilliger Basis größtenteils Allgemeinmediziner ein. Bezahlt werden sie aus dem Honorartopf der Niedergelassenen. Die KV will mit den Krankenkassen verhandeln, damit sie für den Service mehr Geld bekommt.
Was sagen die Krankenkassen?
Die Barmer begrüßt das neue Konzept und dass die 116 117 bekannter gemacht werden soll, wie Landesgeschäftsführer Frank Liedtke sagte. Maren Puttfarcken von der Techniker sagte: „Aus unserer Sicht sollten auch an Krankenhäusern mit Notaufnahmen Portalpraxen eingerichtet werden.“
Was bedeuten Portalpraxen?
Das sind Hausarztpraxen von Niedergelassenen an Krankenhäusern. Hier checken Allgemeinmediziner, wer sofort ins Krankenhaus sollte und wer zum Facharzt in die Praxis. Eine ähnliche Einrichtung gibt es bereits am Marienkrankenhaus. Ab Oktober betreibt die KV eine Portalpraxis am AK Harburg, 2018 eröffnet eine am UKE. Am Bundeswehrkrankenhaus soll 2020 eine Portalpraxis eingerichtet werden, die die Notfallpraxis in Farmsen ablöst.
Wie viele Patienten wollen die niedergelassenen Ärzte von den Notaufnahmen in die Praxen lenken?
60.000 nach Auskunft der KV – allerdings wird dieser Jahresdurchschnittswert bestenfalls in einigen Jahren erreicht. Auch die KV weiß nicht, wie die Patienten den Arztruf annehmen werden. Man habe sich gewünscht, dass Portalpraxen an einigen Krankenhäusern eingerichtet werden und andere Notaufnahmen von Kliniken dann geschlossen würden, so der KV-Vorsitzende Walter Plassmann. Das habe die Politik nicht gewollt.
Was sagt der Hamburger Senat?
Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks (SPD) sagte dem Abendblatt: „Die Statistiken zeigen uns, dass viele Menschen mit ihren gesundheitlichen Problemen in die Notaufnahme der Krankenhäuser gehen, obwohl Sie mit ihren Anliegen in einer Arztpraxis besser aufgehoben wären. Diesem Trend müssen wir etwas entgegensetzen – das abgestufte Konzept des Notfalldiensts der KV ist ein großer Schritt nach vorne auf diesem Weg.“ Sie hätte die geplante Notfallpraxis für den Hamburger Osten lieber in Bergedorf als in Reinbek gesehen. Die Notaufnahme in Bergedorf bleibe unverändert bestehen.