Hamburg. Während der Rave-Demo “Lieber tanz' ich als G20“ hatte ein Schweizer zwei Flaschen auf Polizisten geworfen, nun wurde er verurteilt.

Nachdenklich wirkt er und kleinlaut. Da ist so gar nichts, was an einen Randalierer und Gewalttäter erinnern würde. Doch Rafael G. war definitiv dabei, als im Zusammenhang mit dem G20-Gipfel gegen Polizisten vorgegangen wurde. Der 29-Jährige hat selber zwei Flaschen gegen Beamte geworfen, das räumt der Angeklagte im Prozess vor dem Amtsgericht auch ein. Er sei indes „nicht als Gewalttourist, sondern als politischer Weltbürger“ nach Hamburg gekommen, „nicht, um Randale zu machen. Ich wollte friedlich demonstrieren“, beteuert der Schweizer.

Die Staatsanwaltschaft wirft dem 29-Jährigen vor, in der Nacht vom 5. auf den 6. Juli nach einer Demonstration unter dem Motto „Lieber tanz ich als G20“ im alkoholisierten Zustand zwei Flaschen auf Polizisten geworfen zu haben. Von dem ersten „zielgerichteten Wurf“ sei nur deshalb niemand verletzt worden, weil ein Polizist den anvisierten Kollegen zur Seite zog, heißt es in der Anklage. Eine zweite von dem 29-Jährigen geworfene Flasche sei vor den Füßen eines Beamten zerschellt. Ferner ist Rafael G. angeklagt, wenig später bei einer Auseinandersetzung unter Passanten einen Mann geschlagen zu haben.

Angeklagter spricht von "einem Moment der Kopflosigkeit"

In jener Nacht sei er plötzlich in eine Situation gekommen, heißt es in der Erklärung des Angeklagten, in der er sich von der Stimmung habe mitreißen lassen und „in der man einen großen Fehler begeht“. Bei den Polizisten habe er „hinter den Visieren der Schutzausrüstung nicht mehr den Menschen gesehen.“ Er habe „in einem Moment der Kopflosigkeit zwei Flaschen geworfen“. Die erste Flasche sei ihm in die Hand gedrückt worden, daraufhin habe er sie geschmissen. „Nach diesem ersten Wurf war ich über mich erschrocken. Den zweiten habe ich nicht mehr so durchgezogen.“ Den Vorwurf, dass er wenig später einen am Boden liegenden Mann verletzt habe, weist der 29-Jährige energisch zurück. „Ich habe auf jeden Fall niemanden geschlagen“, versichert er. Da auch zwei Polizeibeamte als Zeugen nicht sicher sagen können, wie sich die Auseinandersetzung abgespielt hatte, stellt das Gericht das Verfahren in diesem Punkt ein.

Zahlreiche Journalisten sowie Unterstützer des Angeklagten waren aus der Schweiz zu dem Prozess angereist. Auf dem Weg aus der Untersuchungshaft in den Verhandlungssaal, auf dem der Angeklagte mit Handschellen gefesselt war, halfen ihm seine Bekannten mit Jacken und Tüchern, sein Gesicht zu verdecken, damit es nicht fotografiert werden kann. Dabei ist Rafael G. in seiner Heimat Zürich als Gastronom kein Unbekannter. Es hatten offenbar auch Bekannte des 29-Jährigen gesammelt, um 20.000 Euro für seine Freilassung aus der Untersuchungshaft auf Kaution zusammenzubekommen. Doch der 29-Jährige musste bis zum Prozess im Gefängnis bleiben. „Das war furchtbar“, sagt Rafael G.

Staatsanwaltschaft hatte 18 Monate Haft gefordert

Die Staatsanwaltschaft fordert 18 Monate Haft mit Bewährung. Der Angeklagte gehöre nicht zum „schwarzen Block“, sondern eher in die Gruppe der sogenannten „erlebnisorientierten jungen Erwachsenen“. Vor allem das „frühe und einsichtige Geständnis“ sei hoch zu bewerten. Der Anklagevertreter weist jedoch darauf hin, dass die Strafen für Angriffe auf Polizisten kurz vor dem G20-Gipfel verschärft worden seien. „Der Gesetzgeber will es nicht hinnehmen, dass bei Versammlungen Polizeibeamte angegriffen werden“, betont er.

Die Verteidigerin kritisiert, bei den G20-Prozessen seien „holzschnittartig sehr hohe Strafen gefordert und verhängt“ worden. Sie weist darauf hin, dass ihr Mandant zwei Monate unter schwierigen Bedingungen in Untersuchungshaft gesessen habe. Er habe schon gegen Kaution freikommen sollen, als entschieden wurde, ihn bis zum Prozess in Haft zu lassen. Das sei sehr belastend gewesen.

Richter: "Sie haben sich auf die Seite der Bösen gestellt"

Der Amtsrichter verhängt schließlich wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung und tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte eine Freiheitsstrafe von einem Jahr, die zur Bewährung ausgesetzt wird. Es sei damals in Hamburg „wie im Kriegszustand gewesen. Es war ganz gruselig“, sagt er über die Ausschreitungen bei G20. Und in Richtung des Angeklagten: „Sie haben sich auf die Seite der Bösen gestellt.“ Er solle sich mal vorstellen, wie es sein müsse, wenn eine Flasche „auf ein Visier eindonnert. Ich hoffe, dass Sie nie wieder so einen Blödsinn machen und Flaschen schmeißen.“

In den vier vorangegangenen Prozessen im Zusammenhang mit den Krawallen beim G20-Gipfel sind alle Angeklagten zu Freiheitsstrafen verurteilt worden. Das Strafmaß reicht von sechs Monaten auf Bewährung bis zu zwei Jahren und sieben Monaten ohne Bewährung.