Hamburg. Während Häuser der Justizbehörde in Ohlsdorf unbewohnt sind, wird in Hamm ein Privathaus zwangsvermietet.
Seit rund zehn Jahren steht ein Großteil der 13 sogenannten Wärterhäuser vor den Mauern der Justizvollzugsanstalt Fuhlsbüttel leer. Von insgesamt 47 Wohnungen werden nur noch 13 bewohnt – ausschließlich von Bediensteten der JVA, so wie es üblich ist, seit das Gefängnis und die Häuser um 1900 erbaut wurden. Die Justizbehörde begründet den Leerstand der stadteigenen Häuser mit hohen Sanierungskosten von knapp 250.000 Euro pro Wohnung sowie Sicherheitsaspekten aufgrund der Nähe zum Anstaltsgelände. Sanieren und dann erneut an JVA-Mitarbeiter vermieten will die Behörde aber auch nicht: Die zur Bauzeit bestimmte „Vermischung von Wohn- und Arbeitsplatz“ entspreche nicht mehr den heutigen Verhältnissen, heißt es.
Denkmalverein und die Linke im Bezirk Hamburg-Nord kritisieren, dass Bezirk und Behörde das Wohnraumschutzgesetz trotz des angespannten Wohnungsmarktes nicht konsequent genug anwenden würden. Einen „Skandal“ nennt Rachid Messaoudi, stadtentwicklungspolitischer Sprecher der Linken im Bezirk, den Vorgang.
Leitartikel: Die Lehre der leeren Häuser
Wie sehr die Stadt an anderer Stelle dagegen auf die Einhaltung des Wohnraumschutzgesetzes pocht, zeigt sich im Stadtteil Hamm. Dort steht in Hamburgs erstem zwangsvermieteten Haus der Einzug kurz bevor – und es hat ein Run auf die Wohnungen begonnen. Noch im Spätsommer sollen sechs vormals vorsätzlich leer stehende Wohnungen an der Ohlendorffstraße neue Mieter bekommen.
Mehr als 100 Interessenten haben sich laut Bezirksamt Mitte auf die städtisch wiederhergestellten Wohnungen beworben. Bekanntlich hatte der Bezirk erstmals das Wohnraumschutzgesetz nach mehrjährigem Leerstand konsequent angewendet und dem untätigen Eigentümer die Wohnungen entzogen, um eine Zwangsvermietung in die Wege zu leiten.
Zwangsvermietung als Ultima Ratio zulässig
Dem Bezirksamt zufolge ist die Sanierung der Wohnungen durch einen eingesetzten Treuhänder nahezu abgeschlossen. Für weniger als 100.000 Euro seien Teile des Dachs, Heizungen, Böden, Sanitärtrakte, Wasserleitungen und Wände erneuert worden. Noch in diesem Jahr sollen alle sechs Wohnungen wieder bezogen und danach dem Eigentümer übergeben werden, sagt Sorina Weiland, Sprecherin des Bezirksamts. Die Sanierungskosten werden ihm in Rechnung gestellt.
Wie das Abendblatt im November berichtete, hatte Mitte als erster Bezirk im Kampf gegen den Wohnungsleerstand zum äußersten Mittel gegriffen: der Enteignung. Seit der Verschärfung des Wohnraumschutzgesetzes im Jahr 2013 können damit langfristig ungenutzte Wohnungen über den Eigentümer hinweg saniert und zwangsvermietet werden. Nach der Androhung der Enteignung gab es im Fall der Ohlendorffstraße zwar die Zusage des Eigentümers, seine Wohnungen wieder vermieten zu wollen. Allerdings blieb es beim Lippenbekenntnis.
Die Wohnungen in Hamm stehen mindestens seit 2012 leer. Trotz zuvor verhängter Zwangsgelder in Höhe von 18.000 Euro sah sich der Vermieter nicht in der Lage, die Wohnungen wieder auf den Markt zu bringen. Deshalb sei die Schlüsselgewalt am 1. März 2017 einem Treuhänder übergeben worden.
Die Zwangsvermietung ist als Ultima Ratio des Hamburger Wohnraumschutzgesetzes zulässig. Demnach muss eine Wohnung mindestens vier Monate ohne erkennbare Sanierungstätigkeit leer gestanden haben, um beim Amt gemeldet zu werden. Erst danach kann der Eigentümer mit Auflagen zum Einlenken bewegt werden. Diese Fälle betreffen indes nicht einmal ein Prozent aller 700.000 Mietwohnungen der Stadt. Laut den letzten Senatsangaben stehen etwa 5000 Wohnungen in der Stadt leer.
Streit um Erhalt historischer Bausubstanz
Warum er im Fall der leer stehenden JVA-Wohnungen in Ohlsdorf nicht eingeschritten ist, begründet Bezirksamtsleiter Harald Rösler (SPD) damit, dass das Wohnraumschutzgesetz nur bei Wohnungen greife, die der allgemeinen Versorgung der Bevölkerung mit Wohnraum gewidmet sind. Für Werks-, Hausmeister- oder Personalwohnungen gelte das nicht.
In Ohlsdorf gibt es aber nicht nur Streit um Leerstand, sondern auch um den Erhalt historischer Bausubstanz. An der Nesselstraße, auf der anderen Seite des Gefängnisses, hat die Saga zwar zwölf Wärterhäuser saniert und vermietet, doch einige wurden für den Bau eines neuen Wohngebiets zwischen Gefängnisgelände und Sengelmannstraße bereits abgerissen. Und sechs weiteren droht nun dasselbe Schicksal. Die hübschen, aber nicht denkmalgeschützten Häuser sind seit 2011 im Besitz der Saga, und nach deren Angaben in ihrer Bausubstanz so sehr geschädigt, dass die ursprünglich geplante Sanierung verworfen wurde.
„Die Bausubstanz ist gut“, betont dagegen Ingenieur Klaus Struck von der Willi-Bredel-Gesellschaft, die sich für den Erhalt historischer Bausubstanz in Hamburg-Nord einsetzt: „Sie sind ein einmaliges Ensemble und ein wichtiges Stück Gefängnisgeschichte.“