Hamburg. Die Vermietung von Flächen wird immer schwieriger. Dennoch werden derzeit zahlreiche Großprojekte in der Stadt realisiert
Wer ein Geschäft in der Innenstadt eröffnen möchte, der kann derzeit auswählen. Denn das Angebot an Immobilien ist enorm. Die Stadthöfe und das Art-Invest-Projekt am Alten Wall bieten insgesamt rund 16.000 Quadratmeter Einzelhandelsflächen. Dazu kommen weitere Großprojekte wie das Burstah-Ensemble und das Springer-Quartier, wo bis 2020 zahlreiche weitere Ladenflächen entstehen.
Im südlichen Überseequartier der HafenCity baut Unibail Rodamco ein Einkaufsquartier mit rund 80.500 Quadratmeter Verkaufsfläche und etwa 200 Geschäften. Es ist ein Milliardenprojekt. Die Fertigstellung ist für 2021 geplant. Besonders dieses Großprojekt macht den Geschäftsleuten in der Innenstadt Angst. „Die Stadt macht einen großen Fehler, wenn das Projekt von Unibail Rodamco in der jetzt geplanten Form realisiert würde. Das Einkaufszentrum ist völlig überdimensioniert und wird sich negativ auf die Umsätze in der Innenstadt auswirken. Es sind an diesem Standort mehr als 40.000 Quadratmeter für Einzelhandel nicht vertretbar“, sagte Unternehmer Ludwig Görtz (Görtz Schuhe). Görtz ist Vorsitzender des Trägerverbunds Projekt Innenstadt, der die Interessen von Einzelhandel und Grundeigentümern vertritt.
Die Makler stehen vor großen Herausforderungen
Es werden Einbußen von bis zu 15 Prozent für die Einzelhändler befürchtet, wenn das Einkaufszentrum in der HafenCity eröffnet (wir berichteten). Auch Alexander Otto, Chef vom Einkaufscenter-Betreiber ECE, hatte vor Kurzem im Abendblatt-Interview im Zusammenhang mit dem Bauvorhaben gesagt: „Derzeit stagniert der Umsatz im Einzelhandel. Folglich führt jedes neue Angebot zu Umsatzverschiebungen.“
Görtz befürchtet: „Außerdem könnte eine Konsequenz sein, dass es dadurch zu Leerständen an den Standorten Stadthöfe und Alter Wall kommen wird, an denen neue Flächen für Geschäfte in der City entstehen. Und es könnten künftige Investoren für die Weiterentwicklung der Innenstadt abgeschreckt werden, weil sich dann nur schwer neue Mieter finden werden.“
Früher waren Mietverträge mit einer Laufzeit von zehn Jahren üblich
Die Makler stehen jetzt schon vor Herausforderungen. Sven Bechert, Prokurist und Leiter Einzelhandelsvermietung beim Immobiliendienstleister Grossmann & Berger, sagte: „Die Vermieter kommen den Interessenten bei den Konditionen für die Mietverträge inzwischen oft entgegen. In der Innenstadt sind die Mieten in den vergangenen Jahren vielerorts um zehn bis 15 Prozent gefallen. Durch den Onlinehandel gehen die Umsätze bei vielen Einzelhändlern zurück, deshalb können nur noch wenige Spitzenmieten bezahlen.“
+++ Neue Vorschläge für das südliche Überseequartier +++
Waren früher Mietverträge mit einer Laufzeit von zehn Jahren üblich, „gibt es inzwischen häufig eine Klausel, dass bereits nach fünf Jahren ein Sonderkündigungsrecht, in Verbindung mit einer Vertragsstrafe, für den Mieter besteht. Das bietet dem Mieter mehr Flexibilität, sofern das Geschäft nicht so gut laufen sollte“, sagte Bechert. Die Makler müssen auch einen langen Atem haben. Wenn eine Fläche auf dem Markt ist, dauert es laut Bechert in der Regel zwölf bis 18 Monate, bis diese einen neuen Mieter hat.
Der Immobilienexperte beobachtet auch die neuen Projektentwicklungen in der Innenstadt: „Das Angebot an Flächen wird immer größer, aber natürlich gibt es auch zahlreiche Marken, die noch nicht auf dem Hamburger Markt vertreten sind.“ Die Stadthöfe und der Alte Wall seien eine Bereicherung für die City. Aber beide Standorte seien eine Herausforderung, weil sie sich nicht in den klassischen Lauflagen befänden und eben noch keine bekannte Adresse für den Einzelhandel seien.
Gibt es Bedarf für neue Einzelhandelsflächen im großen Stil?
Der Immobilienexperte Peter Maßmann, Geschäftsführer der Maßmann & Co. Handelsimmobilien GmbH, beschäftigt sich bereits seit Längerem mit drohenden Leerständen in der Innenstadt. „Die Situation hat sich leider in den vergangenen Monaten noch verschärft, da sind die zahlreichen freien Flächen am Neuen Wall nur ein Beispiel“, sagte er. „Wenn es schon in Toplagen schwierig ist, Mieter zu finden, dann muss man sich um die Eins-b-Lagen wirklich Sorgen machen.“ Deshalb sei es nicht sinnvoll, in der Innenstadt neue Einzelhandelsflächen im großen Stil zu schaffen, für die es offensichtlich keinen Bedarf gebe.
Es stellt sich daher die Frage, wie die Vermietung der Einzelhandelsflächen bei den beiden Großprojekten läuft. Konkrete Zahlen wollten die Projektentwickler auf Abendblatt-Anfrage nicht nennen. „Es haben bereits erste Retail-Vermietungen stattgefunden, zu denen sich Art-Invest Ende des Jahres konzentriert äußert“, sagte Niederlassungsleiter Johannes Lichtenthaler. Die ersten Geschäfte am Alten Wall sollen im Herbst 2018 eröffnen. Insgesamt stehen rund 12.000 Quadratmeter zur Verfügung. Transparenter ist das Unternehmen, wenn es um die Vermietung der Büroflächen geht: 40 Prozent seien aktuell vermietet.
Vermarktungsstand bei Stadthöfen ist unklar
Auch die Projektentwickler der Stadthöfe, die hinter denkmalgeschützten Fassaden auf dem Areal der ehemaligen Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt an der Stadthausbrücke entstehen, wollen den Vermietungsstand nicht nennen. „Die Vermarktung der bis zu 40 Ladenflächen startet sukzessive, abgestimmt auf die Fertigstellung der vier großen Höfe bis Sommer 2018. Das Interesse aus dem Markt ist groß“, sagte Tanja Lucas, Projektleiterin der Quantum Immobilien AG. Der Fokus bei der Belegung liege auf Einzelhandel mit attraktiven und individuellen Konzepten. Auch zu den Mietkonditionen gibt es keine Angaben. „Die Größen und Preise der jeweiligen Flächen werden individuell verhandelt, denn die Stadthöfe mit ihrer von Qualität, Erlebnis und Genuss geprägten Atmosphäre bieten keine standardisierten Läden von der Stange“, sagte Lucas. Die ersten Geschäfte könnten bereits im Herbst eröffnen.
Auch die Politik beschäftigt das Thema. „Es ist ambitioniert, die neuen Flächen in den Stadthöfen und am Alten Wall zu vermieten, vor allem wenn man aufgrund der hohen Baukosten eine entsprechende Miete erzielen muss“, sagte SPD-Stadtentwicklungsexperte Dirk Kienscherf. „Damit der Einzelhandel auch künftig gute Umsätze macht, muss die Attraktivität der Innenstadt gesteigert werden.“