Hamburg. Neben „zahlreichen Deutschen“ sind auch Franzosen, Italiener, Spanier, Russen und Niederländer in Haft.
Die Aufklärung durch die „Libellen“ ist für die Polizei von unschätzbarem Wert. Kamerabilder der zwei Polizei-Hubschrauber können live in den Führungsstab übertragen werden. Damit sind die Augen der Polizei aber auch ein potenzielles Ziel.
Die „Libelle 2“ stand am vergangenen Donnerstag, gegen 22.45 Uhr, über St. Pauli in der Luft und lieferte nach Auflösung der linksautonomen „Welcome to hell“-Demo Bilder von den Krawallen am Boden. Plötzlich geriet der fliegende Posten unter heftigen Beschuss – durch einen Laserpointer. Der Pilot wurde von grünen Blitzen geblendet und musste, wie sein Kollege, verletzt aus dem Dienst ausscheiden.
Haftbefehl wegen versuchten Mordes
Gegen den mutmaßlichen Angreifer, einen 27 Jahre alten Mann aus Mecklenburg-Vorpommern, hat das Amtsgericht nun Haftbefehl erlassen – wegen versuchten Mordes. Er soll den Absturz des Hubschraubers billigend in Kauf genommen haben. Aus dem Fenster einer Dachgeschosswohnung an der Kirchenstraße soll Nico B. „mit einem Lasergerät mehrere gezielte Stöße auf den über ihm befindlichen Polizeihubschrauber Libelle 2 abgegeben und hierdurch den Piloten stark geblendet haben“, sagte Nana Frombach, Sprecherin der Staatsanwaltschaft. Ob Nico B. Linksextremist ist, sei noch unklar.
Der 27-Jährige ist einer von 186 Menschen, die im Zusammenhang mit dem Gipfel festgenommen worden sind. 54 von ihnen haben nach Angaben der Polizei einen ausländischen Pass. Ihnen werde unter anderem schwerer Landfriedensbruch, gefährliche Körperverletzung, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und Sachbeschädigung zur Last gelegt. Außerdem ordnete die Polizei 228 Ingewahrsamnahmen sogenannter Störer an, die in der inzwischen stillgelegten Gefangenensammelstelle (Gesa) in Harburg festgesetzt worden waren. 76 von ihnen sind keine deutschen Staatsbürger.
Schwarzer Block zieht durch Hamburg:
"Welcome to Hell" – schwarzer Block zieht durch Hamburg
Wie Bundesinnenminister Thomas de Mazière (CDU) am Montag sagte, seien zu den Gipfel-Krawallen „Gewaltbereite vornehmlich aus Nord- und Südeuropa in mittlerer dreistelliger Größenordnung“ angereist. Schon im Vorfeld des Gipfels galten sie als kaum kalkulierbarer Risikofaktor. Von einer paramilitärischen Organisation der ausländischen Gewalttäter berichtet auch Jan Reinecke, Hamburger Chef des Bundes deutscher Kriminalbeamter.
„Die ausländischen Extremisten haben andere Moves als die lokale Szene“. So gingen sie bei Brandanschlägen, wie es sie in Hamburg zu Dutzenden gab, „höchst professionell“ und „arbeitsteilig“, vor. „Einer schlägt die Scheibe eines Autos ein, der andere schmeißt einen Brandsatz oder Pyrotechnik hinterher.“
Vier Russen und neun Deutsche auf dem Dach
In 51 Fällen hat das Amtsgericht U-Haft angeordnet, überwiegend gegen junge Männer unter 30 Jahren, so Frombach und korrigierte damit eine zuvor bekannt gegebene, etwas höhere Zahl. Neben „zahlreichen Deutschen“ befänden sich auch Franzosen, Italiener, Spanier, Russen, Niederländer, Schweizer und Österreicher in Haft.
Ob unter den Inhaftierten auch jene vier Russen und neun Deutsche sind, die während der beispiellosen Krawalle im Schanzenviertel am Freitag durch ein schwer bewaffnetes Sondereinsatzkommando (SEK) festgenommen worden waren, konnten Gericht, Staatsanwaltschaft und Polizei nicht bestätigen.
Die Männer waren im Hinterhof und am Gerüst eines Wohnhauses am Schulterblatt gefasst worden. Zuvor hatte die Libelle auf dem Dach acht Personen entdeckt, die Steine und einen Molotowcocktail in Richtung Polizei schleuderten. Auf die Frage, warum die Polizei dem anarchischen Treiben zwei Stunden tatenlos zusah, sind die Ereignisse auf dem Dach von zentraler Bedeutung. Denn vor einem Vorrücken, sagte G20-Einsatzleiter Hartmut Dudde, hätten die Spezialkräfte den Hinterhalt erst beseitigen müssen – ansonsten wäre das Leben der zur Räumung eingesetzten Beamten in Gefahr gewesen.
500 Polizisten verletzt
Bei den G20-Krawallen waren fast 500 Polizisten verletzt worden, unzählige Scheiben gingen zu Bruch, Geschäfte wurden geplündert, Autos angezündet. Um die Gewalttäter mit aller Härte zur Rechenschaft zu ziehen, richtet die Polizei eine G20-Sonderkommission (Soko) ein. Bereits jetzt seien unzählige Hinweise eingegangen, darunter Tausende Bilder und Videos von maskierten und unmaskierten Verdächtigen. Wie die Innenbehörde mitteilte, soll zudem aufgeklärt werden, welche Rolle „Unterstützerstrukturen“ wie die Rote Flora bei dem Gewaltexzess spielten.