Hamburg. Studenten erzwingen per Volkspetition, dass Bürgerschaft sich mit Forderung nach Gipfelabsage beschäftigt.
Beim Thema „G20“ ist ohnehin jede Menge Zündstoff in der Debatte. Doch schon bevor sich die Bürgerschaft am Mittwoch auf Antrag der Linkspartei mit dem umstrittenen Gipfeltreffen, dem möglichen Protestcamp im Stadtpark und der geplanten „Verbotszone“ für Demonstrationen beschäftigte, wurde die Diskussion noch einmal angeheizt: Um 11.53 Uhr gab die Bürgerschaft bekannt, dass die von Studenten eingereichte Volkspetition „G20 stoppen: Für Frieden und Gerechtigkeit!“ ausreichend Unterstützerunterschriften vorgelegt hat und sich das Parlament nun mit dem Anliegen befassen wird.
Konkret seien von 14.548 eingereichten Unterschriften 10.074 gültig – 74 mehr als nötig, um eine Befassung durch das Parlament zu erzwingen. Der weitere Weg sieht nun so aus: Nachdem die Bürgerschaft das Zustandekommen der Volkspetition am Mittwoch festgestellt hat, wird sich der Verfassungsausschuss mit dem Anliegen beschäftigen – voraussichtlich am 4. Juli. Dort bekommt die Studentenvertretung AStA die Gelegenheit, ihr Anliegen vorzutragen.
Kommentar: G20: Souverän wirkt der Senat nicht
Inwiefern die Politik das nur zur Kenntnis nehmen oder sogar darüber abstimmen wird, ist noch offen. Zumindest nicht ausgeschlossen ist aber folgendes leicht absurdes Szenario: Drei Tage vor dem Gipfel, zu dem am 7. und 8. Juli die Staats- und Regierungschefs aus 19 Ländern und der EU plus Tausende Delegierte anreisen, stimmt die Hamburger Politik darüber ab, G20 zu stoppen. Zwar steht es weder in der Macht des Landesparlaments, diese Veranstaltung der Bundesregierung zu stoppen, noch wird es eine Mehrheit dafür geben, da allein die Linkspartei dieses Anliegen unterstützt. Dennoch dürfte diese Sitzung für große Aufmerksamkeit sorgen – womit die G20-kritischen Studenten eines ihrer Ziele erreicht haben.
Wie hoch die Wogen bei dem Thema schlagen, zeigte dann auch die Debatte am Nachmittag. „Statt des angekündigten ,Festivals der Demokratie‘ erleben wir ein Desaster der Demokratie“, eröffnete Christiane Schneider (Linkspartei) den emotionalen Schlagabtausch. Die vom Senat geplante „Verbotszone“, ein 38 Quadratkilometer großer Bereich zwischen Flughafen und Innenstadt, in dem Protestaktionen verboten sein sollen, werde vor Gericht keinen Bestand haben.
„Sie sind eine schlechte Gastgeberin“
Außerdem kritisierte Schneider den Senat scharf dafür, dass er ein Camp von G20-Kritikern im Stadtpark verhindern wolle: „Menschen mit kritischer Haltung sollen von einer Reise nach Hamburg abgeschreckt werden, auch durch die Verweigerung von Camps.“ Innensenator Andy Grote (SPD) – er hatte am gestrigen Mittwoch Geburtstag und war nicht anwesend – sei damit „überfordert“, das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit zu schützen.
Arno Münster (SPD) keilte hart zurück: „Sie sind eine schlechte Gastgeberin“, rief er Schneider zu. „Erst melden Sie eine Demo an, 150.000 wollen kommen, und dann sorgen Sie nicht mal für Übernachtungsmöglichkeiten.“ Es sei doch nicht Aufgabe des Senats, ein Camp für G20-Gegner zur Verfügung zu stellen.
Widerspruch bei den Fraktionen
Genau das hatte die Linke aber im Sinn: „Der Senat wird aufgefordert, für die Zeit vom 2. bis zum 9. Juli geeignete Flächen für Camps für die Menschen, die ihre kritische Haltung zum G20-Gipfel demokratisch zum Ausdruck bringen wollen, zur Verfügung zu stellen“, heißt es in ihrem Antrag.
Das stieß bei allen Fraktionen auf Widerspruch. „Es ist absurd, dass die Linke meint, es gäbe ein Grundrecht auf Campen“, spottete Joachim Lenders (CDU). „G20 ist kein Festival“, stellte Carl-Edgar Jarchow (FDP) mit Blick auf den Linken-Antrag klar, in dem es heißt: „Zu jedem mehrtägigen Festival gehört eine Festivalwiese.“ Es sei „nicht Aufgabe des Senats“, Camps zu veranstalten, so Jarchow.
Camp ein Sicherheitsrisiko?
Das räumte auch die Grüne Antje Möller ein, distanzierte sich aber vorsichtig vom SPD-Kollegen Münster: „Es gehört auch in Koalitionen dazu, dass einem nicht jeder Redebeitrag gefällt.“ Es sei zwar nicht Aufgabe des Senats, ein Camp zu organisieren, aber beim Umgang mit den Initiatoren sei einiges „nicht gut gelaufen“, so Möller. Ob ein Protestcamp stattfinden kann, werde letztlich vor Gericht entschieden: „Danach sehen wir weiter.“
Das Zeltcamp für bis zu 10.000 G20-Gegner war am 12. Mai vom Bezirksamt Hamburg-Nord untersagt worden, weil es nicht mit dem Schutz der Grünanlage zu vereinbaren sei. Das Verwaltungsgericht hatte dieses Verbot jedoch vergangene Woche aufgehoben und angedeutet, dass das Camp wohl eher dem Versammlungsrecht unterliege – damit liegt der Ball nun bei der Innenbehörde. Und die hat massive Sicherheitsbedenken, geht davon aus, dass von dem Camp Gewalt ausgeht.