Hamburg. Politik begrüßt den Einwohner-Rekord, sieht aber große Herausforderungen, vor allem für den Wohnungsbau.

1,86 Millionen Menschen waren Ende 2016 in Hamburg gemeldet – mehr als je zuvor. Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) wertet das als Beleg für die Attraktivität der Stadt, benennt aber gleichzeitig die zentrale Herausforderung: „Hamburg muss den Ehrgeiz haben, die große europäische Metropole zu sein, die wächst und in der das Leben dennoch bezahlbar bleibt.“ Doch wie kann das gelingen? Fragen und Antworten:

Leitartikel: Hamburg ist ausverkauft

Ist es gut, dass Hamburg wächst?

Ja, sagen fast alle Fachleute in der Bürgerschaft. „Es zeigt, dass Hamburg attraktiv ist“, sagt Dirk Kienscherf, Stadtentwicklungsexperte der SPD. „Wir können und wollen die Menschen nicht davon abhalten, hierher zu ziehen. Zu sagen, 1,7 Millionen Einwohner reichen uns, wir bauen einfach keine Wohnungen mehr, ist keine Alternative.“ Dann kämen trotzdem Menschen, und die Mieten würden noch stärker steigen.

Auch die Fraktionschefs André Trepoll (CDU), Katja Suding (FDP) und Bernd Baumann (AfD) sehen die Entwicklung positiv: „Wachstum, auch bei den Einwohnern, hat Magnetwirkung und hilft einer Metropole, kreativ zu bleiben“, so Trepoll. Heide Sudmann, Stadtentwicklungsexpertin der Linkspartei, sieht ebenfalls eher die Chancen: „Mit einer Neuausrichtung der Stadtplanung kann der Zuwachs in Hamburg positiv verlaufen.“

Welche Kritik gibt es daran?

CDU-Fraktionschef Trepoll verweist darauf, dass hohe Ziele bei den Bürgern nicht per se gut ankommen: „Wir sehen beispielsweise beim Ergebnis der Olympiaabstimmung, dass die Hamburger auf diesem Weg viel besser mitgenommen werden müssen, als das der aktuelle rot-grüne Senat tut.“ Auch FDP-Chefin Suding formuliert Hausaufgaben für den Senat: „Wir brauchen mehr bezahlbaren Wohnraum, eine leistungsfähige Verkehrsinfrastruktur, bessere digitale Vernetzung und eine zukunftsweisende Standortpolitik.“

AfD-Chef Baumann verweist auf einen weiteren Aspekt: „Ganze Stadtteile – insbesondere die mit hohen Migrantenanteilen – drohen sich in Sachen Einkommen, Arbeitslosigkeit, Kriminalität, niedriger Bildung und Hartz IV-Bezug abzukoppeln.“

Wo sollen all die Menschen wohnen?

Der rot-grüne Senat sorgt bereits für 10.000 neue Wohnungen pro Jahr, aber bei 26.000 neu angemeldeten Bürgern allein im letzten Jahr reicht selbst das kaum aus. „Günstiger Wohnraum ist auf den wenigen Bauflächen der Stadt zu schaffen“, fordert Heike Sudmann. Baumann betont, dass die innerstädtische Verdichtung an Grenzen stoßen wird: „Es darf nicht noch mehr Grün und unversiegelte Landschaft unter Asphalt und Beton verschwinden, ansonsten verliert Hamburg seinen lebenswerten Charakter.“ CDU-Fraktionschef Trepoll sieht dieses Risiko nicht: „Wir können wachsen und mehr werden und trotzdem die schönste und grünste Metropole am Wasser bleiben, auf die jeder Hamburger stolz ist.“

Was bedeutet das für die Jobs?

Obwohl die Bevölkerungszahl in Hamburg steigt, geht die Arbeitslosigkeit zurück. Ende März lag sie noch bei 7,1 Prozent, ein Jahr zuvor waren es noch 7,4 Prozent. Bürgermeister Scholz verweist darauf, dass es bereits mehr als 900.000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte gibt: „Bald werden es eine Million sein. Damit die Zahl der Arbeitsplätze schnell weiter steigt, muss unsere Stadt auf Forschung und Innovation setzen.“ In diesem Punkt sind sich die Parteien weitgehend einig.


Nahverkehr:
Parallel zur Bevölkerungszahl verzeichnet auch der HVV immer neue Rekorde, Busse und Bahnen werden spürbar voller. Die Stadt reagiert darauf mit dem größten Ausbauprogramm seit Jahrzehnten, wie der Bürgermeister gern betont. Unter anderem entsteht eine ganz neue U5 und die S4 Richtung Bad Oldesloe. Auch kürzere Taktzeiten sind geplant. Heike Sudmann verbindet das mit dem Thema Wohnungsbau: „Mehr Busse und Bahnen und der Trend zu weniger Privatautos verschaffen den Wohnquartieren im wahrsten Wortsinne Spielraum – für Kinder, für soziale Kontakte und für Naherholung.“

Welche finanziellen Folgen hat das Wachstum? Wer sich in Hamburg anmeldet, wird hier auch steuerpflichtig. Sofern die Neubürger Arbeit haben, erhöhen sie also die Einnahmen der Stadt. Unabhängig davon bringt jeder Bürger der Stadt über den Länderfinanzausgleich rund 1000 Euro: Ziehen 10.000 Menschen nach Hamburg, hat die Stadt also zehn Millionen Euro mehr im Säckel. Ob das die Mehrausgaben für Kitas, Schulen, Nahverkehr etc deckt, lässt sich aber kaum beziffern.