Hamburg. Laut Anklage hat ein 42-Jähriger, nachdem er zu einer Haftstrafe verurteilt wurde, in Briefen Bedrohungen ausgesprochen.
„Kommt Zeit, kommt Rat.“ Es klingt so vernünftig, dieses Sprichwort. Überlegt handeln, sich in Geduld üben, oder auch: In der Ruhe liegt die Kraft. Häftling Mark D. (Name geändert) hat es um eine Variante ergänzt, die alles andere als gelassen und ausgewogen klingt, sondern womöglich ganz im Gegenteil schweres Unheil befürchten lässt: „Kommt Zeit, kommt Rat, kommt Attentat.“ Droht da jemand, einen Mord zu begehen?
Was der Verteidiger von Mark D. im Prozess vor dem Amtsgericht am liebsten als „Lyrik“ verstanden wissen will, ist aus Sicht der Staatsanwaltschaft eine Straftat. Laut Anklage hat der 42-Jährige, nachdem er im vergangenen Jahr zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt wurde, in zwei Briefen aus dem Gefängnis Bedrohungen ausgesprochen.
„Auf die Jagd gehen“
Er sei zu Unrecht verurteilt worden, hieß es in einem der Schreiben, das er an seine Mutter richtete. Und: Er werde den Richtern „einen Grund geben, mich nie wieder rauszulassen“, falls er seine Strafe unschuldig verbüßen müsse und alles verliere. Was ihm am Herz liegt, zählt er gleich mit auf: seine Familie, sein Hund, sein Motorrad.
In einem zweiten Brief an eine Freundin hat der Hamburger laut Anklage angekündigt, er werde „auf die Jagd gehen“ und „denen alles nehmen, was ihnen lieb ist“, wenn er eines Tages aus der Haft entlassen werde. „Meine Rache wird richtig grausam“, schrieb er demnach weiter. Und schließlich: „Kommt Zeit, kommt Rat, kommt Attentat.“
Mann mit Handschellen gefesselt
Drei Justizbeamte haben den Angeklagten in den Verhandlungssaal begleitet. Und während seines Prozesses ist der gedrungene, muskelbepackte Mann mit Handschellen gefesselt. Offenbar ist dies eine Vorsichtsmaßnahme, nachdem vor wenigen Tagen ein als gefährlich geltender Häftling während eines Prozesses eine Zeugin unter anderem mit einer präparierten Rasierklinge angegriffen und gewürgt sowie einen Staatsanwalt verletzt hatte.
„Besondere Sicherheitsmaßnahmen“ seien für den Prozess gegen Mark D. „angeordnet“, heißt es in einem Schreiben an das Gericht. Die Kiefer des 42-Jährigen mahlen, den kahl rasierten Kopf hält er gesenkt. Zu den Vorwürfen aus der Anklage äußert er sich nicht. Sein Verteidiger argumentiert, es sei nicht konkret genug dargelegt, womit denn genau gedroht werden solle.
Mehr als 30 Verurteilungen
Schwarzfahren, Diebstahl, Besitz von Drogen: Mehr als 30 Verurteilungen hat Mark D. bislang in seinem Vorstrafenregister, keine davon für Gewaltdelikte. Im vergangenen Jahr indes musste sich der 42-Jährige wegen eines brutalen Raubüberfalls in einem Prozess verantworten. Das Gericht sah ihn schließlich als überführt an, gemeinsam mit einem unbekannten Mittäter zwei Männer und eine Frau in einer Wohnung überfallen zu haben. Laut Urteil wussten die beiden Täter, dass der Wohnungsbesitzer Marihuana verkaufte und deshalb angeblich öfter erkleckliche Summen Bargeld bei sich hatte.
Maskiert und mit Messer, Pistole und Schlagstock bewaffnet, überfielen die Verbrecher die Opfer, fesselten sie und zwangen die drei, Geld und andere Wertsachen herauszugeben. Bei den Drohungen gegen die Frau hielten sie sich indes zurück. Man wolle „die Lady gut behandeln“, hatten sich die Täter verständigt. Den anderen jedoch drohten sie mit Schlägen und dass sie einem der Männer „ein Ohr abschneiden“ würden. „Ihnen war bewusst, dass die Opfer Angst vor Gewalt haben“, hieß es in dem Landgerichts-Urteil.
Anhand von DNA überführt
Mark D. wurde anhand von DNA, die in der Wohnung des überfallenen Trios sichergestellt werden konnte, überführt. Sechs Jahre und elf Monate Haft verhängte seinerzeit das Landgericht gegen den 42-Jährigen. Eine Revision, mit der er das Urteil angefochten hat, wurde mittlerweile verworfen. Gleichwohl beteuert Mark D. in den Briefen an Mutter und Freundin seine Unschuld. „Wenn ich es wirklich getan hätte, hätte ich es gestanden“, versichert er – um dann aber von „Jagd“ und „grausamer Rache“ und „Attentat“ zu schreiben.
Und das sind, davon ist die Amtsrichterin in seinem neuen Prozess überzeugt, wirklich Bedrohungen. Acht Monate Haft, ohne Bewährung, lautet das Urteil für den 42-Jährigen. Entscheidend sei, dass der, der das Schreiben liest, es nur so verstehen könne, dass die Richter und ihre Angehörigen umgebracht werden sollen, begründet die Amtsrichterin ihre Entscheidung.
Satz „gehe ich auf die Jagd“ sei eindeutig
„Wenn von ,nie wieder rauslassen‘ die Rede ist, muss ein Tötungsdelikt gemeint sein, denn nur dann gibt es die lebenslange Freiheitsstrafe“, erläutert die Vorsitzende. Und auch der Satz „gehe ich auf die Jagd“ sei eindeutig: „Auf die Jagd geht man mit einer Waffe.“ Tatsächlich handele es sich bei den Äußerungen, redet sie Mark D. ins Gewissen, „um sehr schwerwiegende Bedrohungen. Das löst bei den Opfern Furcht und Angst aus.“