Hamburg. Die Angeklagte brauchte bloß Fantasie und ein wenig Klebstoff, um Belege zu fälschen. Dann machte sie einen Fehler am Kopierer.

Eine Weile ging alles fast zu glatt. Es war so einfach, an Geld zu kommen und dadurch drängende finanzielle Probleme zu lösen. Es brauchte bloß etwas Fantasie, ein wenig Klebstoff – und einiges an krimineller Energie, um ausgerechnet den Arbeitgeber übers Ohr zu hauen.

Mit verfälschten, fast schon ein wenig stümperhaft überklebten Belegen fiel der Griff in die Kasse, den Tina N. (Name geändert) sich leistete, eine Zeit lang nicht auf. Bis die 44-Jährige gar zu unvorsichtig wurde: Eine ihrer Fälschungen vergaß sie im Kopierer. Eine Nachlässigkeit, die die Hamburgerin nicht nur umgehend ihren Job als Filialleiterin in einem Bekleidungsgeschäft in der City kostete. Auch ihre Freiheit steht auf dem Spiel.

Der Vorwurf: Untreue in 33 Fällen

Tina N. weiß zu genau, dass ihr die jüngsten Taten zum Verhängnis werden und sie ins Gefängnis bringen könnten. Immerhin ist sie bereits vorbestraft wegen Betruges, weil sie fleißig im Internet shoppte und das Geld für die erstandenen Waren schuldig blieb. In Tränen aufgelöst, die Hände ineinander verkrampft, sitzt die zierliche Blondine jetzt im Prozess vor der Amtsrichterin und spricht von einem heilsamen Schock, den sie durch das neue Strafverfahren erlitten habe. „Es tat mir wohl ganz gut, dass das aufgeflogen ist“, schluchzt die schick gekleidete Hamburgerin. „Ich habe so viel Mist gebaut!“

Untreue in 33 Fällen wirft die Staatsanwaltschaft Tina N. vor. Statt der tatsächlichen Beträge, die die edlen Kleidungsstücke in dem Geschäft kosteten, soll sie geringere Summen oder gar kein Geld verbucht haben, um sich die entsprechende Differenz bar aus der Kasse nehmen zu können. Statt der Originalquittung habe sie dabei eine Kopie, die sie verfälscht und die entsprechenden Bereiche überklebt hatte, zu den Unterlagen genommen. So verbuchte sie den Ermittlungen zufolge beispielsweise statt 1400 nur 700. Und ein Kleidungsstück, das 900 Euro kostete, soll sie gar nicht abgerechnet haben. Insgesamt veruntreute sie laut Anklage fast 14.000 Euro. Zudem soll sie eine Jacke gestohlen und für ihren Sohn behalten haben.

Finanzielle Not sei ihr Motiv gewesen

Nicht Verschwendungssucht und ein Hang zu Luxus, sondern finanzielle Not sei ihr Motiv für die Taten gewesen, erzählt die Angeklagte. Die Probleme begannen vor Jahren, „als ich mich beruflich neu orientierte und in die Selbstständigkeit wechselte. Die Geschäfte liefen fortan alles andere als rosig.“ Vor allem die Aufwendungen für Steuern und Krankenkasse wuchsen der 44-Jährigen über den Kopf. Also begann sie, mit illegalen Methoden ihre private Schatulle aufzufüllen – bis der Betrug aufflog und ihr sofort gekündigt wurde. Mittlerweile hat die Hamburgerin einen neuen Job gefunden, in der Gastronomie. „Ich bin so dankbar, dass mein neuer Chef mich so toll unterstützt“, freut sich Tina N. Und mit ihrem Lohn, zusammen mit dem Trinkgeld, komme sie ganz gut über die Runden.

Allein die Jacke, die sie für ihren halbwüchsigen Sohn stahl, hatte einen Wert von 525 Euro. Es gibt zahlreiche Geschäfte, in denen man lediglich etwa ein Zehntel davon für entsprechende Kleidung ausgeben muss. Doch für ihn musste es offenbar etwas Besonderes sein. „Er ist mein größter Schatz, mein ein und alles“, schwärmt Tina N. über den Teenager. Trotzdem muss auch er, ebenso wie seine Mutter, in Zukunft bescheidener leben. Die Vernunft hat über die Freude am Luxus gesiegt. „Auch Internet-Bestellungen mache ich nicht mehr“, beteuert die Angeklagte. „Wenn ich etwas haben will, gehe ich ins Geschäft und kaufe es mir. Und wenn ich es mir nicht leisten kann, gehe ich dran vorbei. Was habe ich früher alles falsch gemacht! Es tut mir furchtbar leid.“ Sie bemüht sich, den Schaden zu begleichen.

Richterin glaubt der Angeklagten ihre Reue

Als die Staatsanwältin eine Haftstrafe von 18 Monaten fordert, die noch zur Bewährung ausgesetzt werden könne, bricht Tina N. erneut in Tränen aus – diesmal vor Erleichterung, weil ihr der Knast erspart bleibt. In ihrem Urteil folgt die Amtsrichterin dem Antrag der Staatsanwaltschaft. Bewährung sei in diesem Fall wegen der Vorstrafe von Tina N. wegen Betruges „kein Selbstgänger“, betont die Vorsitzende. Allerdings habe die 44-Jährige selber ihre Taten „ganz gut reflektiert. Sie sind einsichtig und verantwortungsbewusst. Ich nehme Ihnen ab, dass Sie die Vergehen aufrichtig bereuen.“

Die Taten seien vielleicht auch „wie ein Hilferuf gewesen“, und die Tatsache, dass die Angeklagte sich dem Strafverfahren stellen musste, habe sie aufgerüttelt. Strafschärfend wirkt sich indes aus, dass Tina N. „einen Vertrauensvorschuss ihres Arbeitgebers ausgenutzt“ habe. „Ihre Taten waren von hoher krimineller Energie geprägt, aber auch ein bisschen dilettantisch. Spätestens zum Jahresende wäre es in der Buchhaltung ohnehin aufgefallen.“