Hamburg. Nur 358 der modernen Fahrzeuge wurden 2016 in der Hansestadt angemeldet. Und die zugesagten 600 Ladestationen gibt es auch nicht.

Vergleicht man die Bedeutung, die den Elektroautos heute in der Öffentlichkeit und in der Berichterstattung beigemessen wird, mit den tatsächlichen Absatzzahlen, so stößt man auf ein krasses Missverhältnis: 11.410 Pkw mit reinem Elektroantrieb sind 2016 in Deutschland verkauft worden – das entspricht gerade einmal 0,34 Prozent der gesamten Neuzulassungen. In Hamburg wurden im vergangenen Jahr laut Kraftfahrtbundesamt 358 E-Autos angemeldet. Ihr Marktanteil an den gesamten Verkäufen war mit 0,26 Prozent sogar noch deutlich geringer als im Bundesschnitt.

Geringes Interesse an Kaufprämie

Das ist bemerkenswert, denn als Großstadt bietet Hamburg eigentlich die besten Voraussetzungen für den Einsatz von Elektrofahrzeugen: Viele Fahrten sind hier relativ kurz, und man ist nie sehr weit von der nächsten Ladestation entfernt.

Leitartikel: Abgase statt Aufbruch

Doch noch immer sind E-Pkw hier im Straßenverkehr nur selten anzutreffen – viel seltener jedenfalls, als das PR-Feuerwerk der großen Hersteller zu jeder Branchenmesse in den zurückliegenden Monaten vermuten ließe. Berücksichtigt man den Elektroautobestand in Hamburg von 858 Stück zu Jahresanfang 2016, dürften inzwischen rund 1200 dieser Fahrzeuge auf den Straßen der Hansestadt unterwegs sein.

Damit stellen sie nicht einmal jedes 600. Auto. Selbst wenn man die Wagen mit Hybridantrieb hinzunimmt, hat nur einer von je 150 Pkw in Hamburg einen Elektromotor an Bord. Nicht berücksichtigt sind Mietwagen, die womöglich in einer anderen Stadt angemeldet wurden.

Einiges muss sich noch verbessern

„Auch beim Autokauf regelt sich die Nachfrage über die Attraktivität des Angebots“, sagt eine Sprecherin von Wirtschafts- und Verkehrssenator Frank Hoch (parteilos) zu den niedrigen Marktanteilen der E-Fahrzeuge in Hamburg. „Wenn das stimmt, steigt auch der Absatz.“ Doch dazu müsse sich einiges verbessern – nicht zuletzt die Leistungsfähigkeit der Batterien.

Das sehen Branchenexperten ähnlich. „Zentrale Probleme der Elektromobilität sind noch nicht gelöst; das gilt für die Reichweite, die Infrastruktur und den Preis“, sagt Stefan Bratzel, Direktor des Forschungsinstituts Center of Automotive Management an der Fachhochschule der Wirtschaft in Bergisch Gladbach.

Reichweite von 500 Kilometern

So erwarten die Verbraucher nach seinen Erkenntnissen eine Reichweite von mindestens 400 bis 500 Kilometern. Das schafft zwar der US-Nischenhersteller Tesla mit Autos, die rund 70.000 Euro kosten. Doch zum Beispiel der E-Golf von VW und der i3 von BMW kommen bisher höchstens 300 Kilometer weit.

Für das Frühjahr hat Opel den Ampera-e angekündigt, bei dem eine Aufladung für mehr als 500 Kilometer gut sein soll. Und seit wenigen Wochen ist eine Ausführung des batteriebetriebenen Renault Zoe mit bis zu 400 Kilometern Reichweite auf dem Markt.

„Renault ist mit 3900 Zulassungen im Jahr 2016 klar Marktführer in Deutschland“, sagt Uwe Hochgeschurtz, Vorstandsvorsitzender von Renault Deutschland. Damit lag der Marktanteil bei rund 34 Prozent. In Hamburg wurden nach Angaben des Unternehmens 67 E-Autos von Renault abgesetzt. „Meistverkauftes Elektrofahrzeug in Deutschland ist der Renault Zoe“, so Hochgeschurtz.

Mit einem Preis um die 20.000 Euro gehört dieses Modell zu den günstigeren Elektroautos auf dem deutschen Markt. Sie sind im Schnitt allerdings noch immer deutlich teurer als Pkw mit Benzin- oder Dieselmotoren. Daran ändert auch der aktuelle „Umweltbonus“ – es gibt bis zu 2000 Euro vom Staat, wenn der Händler einen Rabatt in gleicher Höhe gewährt – nicht grundsätzlich etwas.

Hinter Ansprüchen zurückgeblieben

Doch hinter der Zurückhaltung der Kunden stecken nicht nur die Kosten. „Für einen deutlichen Zuwachs des Gesamtmarkts ist vor allem auch der Ausbau der öffentlichen Infrastruktur unerlässlich“, sagt Hochgeschurtz.

Auf diesem Gebiet ist Hamburg allerdings klar hinter den eigenen Ansprüchen zurückgeblieben. Im Jahr 2014 hatte Senator Horch das Ziel ausgegeben, bis Ende 2016 ein Netz von fast 600 Stromtankstellen in der Stadt aufzubauen. Tatsächlich existieren nach seiner Behörde bisher nur gut halb so viele.

Hersteller starten Modelloffensive

Die „Reichweitenangst“, die nach Einschätzung von Bratzel sehr viele ­E-Auto-Interessenten vom Kauf eines solchen Fahrzeugs abhält, bezieht sich jedoch nicht zuletzt auf längere Fahrten außerhalb von Ballungsgebieten. Ende November haben sich daher die Hersteller BMW, Daimler, Ford und der VW-Konzern mit Audi und Porsche darauf geeinigt, ultraschnelle Ladestationen entlang der Hauptverkehrsachsen in Europa zu bauen.

Im ersten Schritt sollen es 400 Stromtankstellen sein, an denen etwa 300 Kilometer Reichweite in deutlich weniger als 20 Minuten geladen werden können. Dies solle helfen, die Akzeptanz von Elektrofahrzeugen deutlich zu erhöhen. Denn nach langem Zögern starten die deutschen Hersteller eine Modelloffensive: BMW will auch traditionelle Modellreihen elektrifizieren und 2017 nicht weniger als 100.000 batteriebetriebene Pkw verkaufen.

Sinkende Batteriepreise

Daimler hat Investitionen von zehn Milliarden Euro, die Entwicklung von zehn E-Fahrzeugtypen bis 2025 sowie den Ausbau des Harburger Komponentenwerks zu einem „Hightech-Standort“ für diese Technologie angekündigt. Volkswagen will bis 2025 eine Million Elektroautos pro Jahr absetzen und Weltmarktführer in diesem Segment werden.

Zwar werden die E-Auto-Verkäufe nach Einschätzung von Bratzel noch bis zum Jahr 2020 nur mäßig zulegen. Dann aber dürften unter anderem die sinkenden Batteriepreise für eine kräftige Belebung des Marktes sorgen: „Ein sehr leistungsfähiger Akku, der heute noch 16.000 Euro kostet, wird künftig für 5000 oder 6000 Euro erhältlich sein“, erwartet Bratzel. Er geht davon aus, dass Elektroautos im Jahr 2025 weltweit einen Anteil von 15 bis 25 Prozent an den Neuzulassungen erreichen. Norwegen allerdings ist da schon heute weiter: Angesichts massiver staatlicher Förderung hatten zuletzt fast 30 Prozent aller Neuwagen einen Elektromotor.