Hamburg . Bei ihrem Tod hatte die neun Monate alte Lara Mia mit 4,8 Kilogramm nur halb so viel gewogen, wie es in ihrem Alter normal wäre.

Es ist in seiner Härte ein überraschendes Urteil. Der Stiefvater von Lara Mia ist zu einer Haftstrafe von drei Jahren und acht Monaten verurteilt worden. Knapp acht Jahre nach dem Tod des Babys Lara Mia wurde am Donnerstag vor dem Hamburger Landgericht das Urteil gegen den Stiefvater gesprochen. Der 29-Jährige wird wegen versuchten Totschlags durch Unterlassen, gefährliche Körperverletzung durch Unterlassen und Verletzung der Fürsorgepflicht verurteilt.

„Spätestens einen Monat vor dem Tod erkannte der Angeklagte, dass das Kind ohne ärztliche Hilfe sterben könnte“, sagte der Vorsitzende Richter zur Begründung. Die Verteidigung kündigte Revision an.

Die Staatsanwaltschaft hatte eine Bewährungsstrafe von einem Jahr und acht Monaten gefordert. Die Verteidigung plädierte auf eine Jugendstrafe auf Bewährung, da der Angeklagte zu Beginn von Lara Mias Vernachlässigung unter 21 war. Nun ist der Stiefvater aber nach Erwachsenenstrafrecht verurteilt worden. Mit Einbeziehung früherer Urteile beträgt die Strafe drei Jahre und neun Monate. Bei ihrem Tod im März 2009 hatte die neun Monate alte Lara Mia mit 4,8 Kilogramm nur halb so viel gewogen, wie es in ihrem Alter normal wäre.

"Ab Oktober 2008 nicht ausreichend ernährt“

Laut Anklageschrift hatte der Stiefvater das Mädchen „ab Oktober 2008 nicht mehr ausreichend ernährt“. Das Baby sei immer dünner und schwächer geworden und „spätestens ab dem Februar 2009 erkennbar lebensbedrohlich unterernährt“ gewesen. Weiter hieß es in der Anklage, der Lebensgefährte der Mutter habe „billigend in Kauf genommen, dass das Mädchen an den Folgen der Unterernährung sterben könnte“.

Der Angeklagte wollte sich im Prozess nicht zu den Vorwürfen äußern. Stattdessen wurde am ersten Prozesstag am 10. November 2016 das Vernehmungsprotokoll der Polizei zwei Tage nach Lara-Mias Tod verlesen. Damals hatte der Stiefvater angegeben, das kleine Mädchen sei in den Wochen vor ihrem Tod „beim Essen immer krüscher geworden“.

„Angst, dass das Jugendamt sie uns wegnimmt.“

In der Vernehmung hatte der Angeklagte demnach auf die Frage, ob er sich nicht ausreichend um das Mädchen gekümmert hatte, geantwortet: „Nicht wirklich, sonst wäre sie ja noch am Leben.“ Zudem hatte er angegeben, er habe Angst vor strafrechtlichen Konsequenzen aufgrund des Zustands des Kindes gehabt. Außerdem sagte er laut dem Vernehmungsprotokoll der Polizei: „Wir hatten Angst, dass das Jugendamt sie uns wegnimmt.“

Ob die Unterernährung die Todesursache war, konnte im Prozess trotz dreier Gutachten nicht mit Sicherheit geklärt werden. Der Angeklagte war bereits 2010 zu einer Bewährungsstrafe verurteilt worden. Dagegen legte die Staatsanwaltschaft Revision ein.

Mutter bereits wegen Totschlags verurteilt

Kuscheltiere liegen nach dem Tod von Lara Mia in einem Hauseingang in Wilhelmsburg.
Kuscheltiere liegen nach dem Tod von Lara Mia in einem Hauseingang in Wilhelmsburg. © Jens Ressing

Jessica R., die Mutter von Lara Mia, war bereits 2011 wegen Totschlags durch Unterlassen zu einer Jugendstrafe von drei Jahren verurteilt worden, nachdem der Bundesgerichtshof das erste Urteil aus dem Jahr 2010 samt aller Feststellungen kassiert und nach Hamburg zurückverwiesen hatte.

In den vergangenen Jahren kam es immer wieder zu tödlichen Misshandlungen von Kindern in Hamburger Familien. Zuletzt wurde im Dezember 2015 der 13 Monate alte Tayler in Altona offenbar zu Tode geschüttelt.