Hamburg. Mehr als sieben Jahre nach dem Tod von Babys Lara Mia steht der Lebensgefährte der Mutter vor Gericht. Prozess startet morgen.

Da lag ein winziger Mensch, nicht mehr als Haut und Knochen, das Baby lag rücklings auf dem Boden, neben seinem Kinderbettchen mit der fleckigen Matratze und den schmutzigen Windeln darauf. Die Rippen standen hervor, die Haut war entzündet, das kleine Mädchen hatte Wassereinlagerungen in Hirn und Lunge. Lara-Mia, neun Monate alt, war tot. Als die Sanitäter am Mittag des 11. März 2009 in die Wohnung in Wilhelmsburg eilten, konnten sie nichts mehr tun – die Leichenstarre hatte bereits eingesetzt.

Jesscia R., die Mutter der kleinen Lara-Mia, war am 10. November 2011, also vor fast genau fünf Jahren, wegen versuchten Totschlags durch Unterlassen zu einer Jugendstrafe von drei Jahren verurteilt worden. Nun muss sich auch der ehemalige Lebensgefährtin der jungen Frau vor Gericht verantworten. Der Prozess beginnt am Donnerstag um 9 Uhr. Jahrelang konnte der Prozess gegen den 28-Jährigen nicht starten, weil er aufgrund einer psychischen Erkrankung verhandlungsunfähig war.

Die kleine Lara-Mia wog nur noch 4,8 Kilogramm

Die Staatsanwaltschaft legt dem jungen Mann gefährliche Körperverletzung und eine Verletzung der Fürsorge- und Erziehungspflicht zur Last. Daniel C., der damals mit Jessica R. in einem gemeinsamen Haushalt in Wilhelmsburg lebte, soll seine Stieftochter von Oktober 2008 an nicht mehr ausreichend ernährt haben. Das Kind habe deutlich an Gewicht verloren, sei augenfällig schwächer geworden und sei spätestens ab Februar erkennbar lebensbedrohlich unterernährt gewesen. Trotz dieser klaren Anzeichen, so der Vorwurf, soll Daniel C. keine ärztliche Hilfe in Anspruch genommen haben.

Am 10. oder 11. März 2009 starb die kleine Lara-Mia, sie wog nur noch 4,8 Kilogramm. Das Normalgewicht eines Kindes in diesem Alter liegt zwischen 7,5 und 10,6 Kilogramm.

Auch Sozialarbeiterin stand im Fall Lara Mia vor Gericht

Daniel C. war bereits im Juli 2010 zu einer Jugendstrafe von neun Monaten mit Bewährung verurteilt worden. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft hatte der Bundesgerichtshof den Fall dann zur erneuten Verhandlung an das Landgericht verwiesen. Das Verfahren gegen Daniel C. musste jedoch im September 2011 abgetrennt werden, weil der junge Mann schwer erkrankt war. „Mein Mandant leidet noch heute körperlich sichtbar unter dem Verfahren und dem zugrundeliegenden Sachverhalt“, sagte Daniel C.'s Anwalt Ulf-Diehl Dreßler dem Abendblatt.

Nun ist der junge Mann offenbar so weit genesen, dass er verhandlungsfähig ist. Im neuen Verfahren "strebt die Staatsanwaltschaft eine Verurteilung wegen versuchten Totschlags durch Unterlassen" an, sagte Behördensprecherin Nana Frombach. Genau darüber – die Frage, ob die Tat als versuchter Totschlag zu werten ist – wird vor Gericht intensiv gestritten werden, kündigte Dreßler an. Allerdings stünden nun auch andere Beweismittel zur Verfügung. So soll am 17. November die Mutter von Lara-Mia als Zeugin vernommen werden. Weil sie bereits rechtskräftig verurteilt worden ist, steht ihr kein Auskunftverweigerungsrecht zu.

Der Fall Lara-Mia hatte in Hamburg für Entsetzen gesorgt – nicht nur, weil das kleine Mädchen bei seinem Tod bis auf die Knochen abgemagert war, sondern auch, weil es seit seiner Geburt unter der Obhut des Jugendamtes Mitte stand. Sozialarbeiterin Marianne K. hatte die Familie knapp sechs Monate betreut. Nur eine Woche vor dem Tod des Mädchens, so sagte sie später den Ermittlern, habe das Kind einen gesunden Eindruck auf sie gemacht. Gegen Marianne K. erließ das Amtsgericht Harburg im August 2010 einen Strafbefehl über 2700 Euro.